Zivilrecht

Sachenrecht

Negatorischer Abwehr- und Unterlassungsanspruch

Können Mieter den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen?

Können Mieter den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen?

10. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M mietet von V eine Wohnung. Diese Wohnung liegt direkt neben einem Industriegebiet. In der anliegenden Fabrik verarbeitet F Gülle. Hierbei wird Ammoniak freigesetzt. Dieses zieht auch in Ms Wohnung, sticht in der Nase und reizt die Augen.

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Einordnung des Falls

Können Mieter den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt eine wesentliche, aber ortsübliche Beeinträchtigung vor (§ 906 BGB).

Ja!

Die Beeinträchtigung ist „wesentlich“, wenn sie auch unter Würdigung öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Dies ist anhand Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen zu ermitteln. Eine ortsübliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Benutzung in dem maßgebenden räumlichen Bereich tatsächlich häufiger vorkommt. Die Beeinträchtigung durch das Ammoniak ist wesentlich. In einem Industriegebiet ist dies allerdings ortsüblich. Es sind keine Maßnahmen ersichtlich, durch die die Beeinträchtigung wirtschaftlich zumutbar verhindert werden könnte.
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2. Mieter M kann aufgrund der Beeinträchtigung, welche von Fs Fabrik ausgeht, Ausgleich aus dem nachbarrechtlichen Ausgleichanspruch verlangen (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Dem Eigentümer steht ein Ausgleichsanspruch zu, wenn (1) kein sonstiger Anspruch besteht. Es muss (2) eine wesentliche, ortsübliche Beeinträchtigung vorliegen, welche (3) nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhinderbar ist. Die Beeinträchtigung muss (4) für den Eigentümer unzumutbar sein. Der (5) Anspruchsgegner muss der sein, der die Nutzungsart des emittierenden Grundstücks bestimmt. Zuletzt ist die (6) Anspruchshöhe zu bestimmen. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gewährt direkt nur dem Eigentümer, nicht aber dem Mieter einen Ausgleichsanspruch. Eine direkte Anwendung scheidet damit aus.

3. Ist die Interessenlage des Mieters bezüglich des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch vergleichbar mit der des Eigentümers?

Ja, in der Tat!

Mietern, Pächtern oder Inhabern beschränkter dinglicher Rechte stehen die Abwehransprüche nach § 1004 BGB analog oder § 862 BGB (Besitzstörung) zu. Nach ganz h.M. treffen sie deshalb auch die Duldungspflichten des § 906 BGB. In entsprechender Weise muss diesen Personen dann auch der Ausgleichsanspruch zustehen. Zudem ist in tatsächlicher Hinsicht anzumerken, dass Mieter diejenigen sind, die das Eigentum nutzen. Sie haben deshalb in vergleichbarer Weise ein Interesse daran, dass Beeinträchtigung, die auch sie in der Nutzung berühren, unterbleiben.

4. Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis und eine Regelungslücke.

Ja!

Mieter werden bei einer Beeinträchtigung durch ein benachbartes Grundstück nicht adäquat geschützt. Der Anspruch aus § 1004 BGB analog scheidet aus sofern eine Duldungspflicht besteht. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) oder Besitzstörung (§ 862 BGB) scheidet aus sofern die Beeinträchtigung rechtmäßig erfolgt. Es besteht daher das Bedürfnis für den verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch. Somit ist der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog auf Besitzer anzuwenden.

5. M hat einen Anspruch gegen F auf billigen Ausgleich nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.

Genau, so ist das!

Neben der Anspruchsberechtigung bleiben die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen gleich. Es liegt eine wesentliche, ortsübliche Beeinträchtigung vor, die mit wirtschaftlichem Aufwand nicht verhindert werden kann. Diese ist M nicht zumutbar. Anspruchsgegner ist F, da von ihm die Nutzungsart des emittierenden Grundstücks bestimmt wird. M kann einen angemessener Ausgleich in Geld verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DEKU

Deku

30.8.2024, 18:03:00

Nach der Kommentierung im Grüneberg sind die Anspruchsberechtigten bzgl. § 906 II 2 und analog jeweils

Eigentümer

und Besitzer des Grundstücks, mithin auch der Mieter als Mitbesitzer. Einer analoge Anwendung bedürfte es dann hiernach mMn nicht mit dem Arg. der bloß obligatorischen Berechtigung.


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