Zivilrecht
Sachenrecht
Negatorischer Abwehr- und Unterlassungsanspruch
Besteht ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Belastung des Grundstücks mit Schrotblei?
Besteht ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Belastung des Grundstücks mit Schrotblei?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A besitzt ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Direkt daneben betreibt S ihre Schießanlage. Wegen dieser Anlage fällt immer wieder Schrotblei auf As Grundstück. Dies führt zu einer Bodenverseuchung, welche alle Grenzwerte überschreitet. A wusste nichts von der Verseuchung durch das Schrotblei.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Besteht ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Belastung des Grundstücks mit Schrotblei?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A stand hinsichtlich des Schrotbleis ein Abwehranspruch gegen S aus § 1004 Abs. 1 BGB zu.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Sind damit die Voraussetzungen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gegeben (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Es kommt aber eine analoge Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs in Betracht (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog).
Ja, in der Tat!
4. A war es aus rechtlichen Gründen unmöglich, die Bodenverseuchung nach § 1004 Abs. 1 BGB abzuwehren.
Nein!
5. A war es aus tatsächlichen Gründen unmöglich, die Bodenverseuchung nach § 1004 Abs. 1 BGB abzuwehren.
Genau, so ist das!
6. Ist die Beeinträchtigung für A zumutbar?
Nein, das trifft nicht zu!
7. Kann A von S einen angemessenen Ausgleich für die Schädigung verlangen (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)?
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Maurice Fritz
18.4.2023, 09:59:36
Was ist hier jetzt der Unterschied zu dem Fall, dass auf dem Nachbargrundstück ein Rohr bricht und bleibelastetes Wasser in das GS des Anspruchssteller eindringt? Dort hatte der Eigentümer ja einen Anspruch auf Wiederherstellen der Benutzbarkeit. Warum ist das hier tatsächlich unmöglich und im anderen Fall nicht?
Blackpanther
25.10.2023, 10:59:14
Mich würde auch interessieren, warum § 906 II 2 BGB nicht an der Subsidiarität scheitert. Jedenfalls wenn man bei der Rechtsfolge des § 1004 der Wiederherstellungstheorie folgt.
Itsajourney
28.12.2023, 04:11:56
Das interessiert mich auch.
david1234
14.6.2024, 17:16:53
Auch hier nochmal eine Erinnerung. Vllt kennt sich ja jemand aus. Warum ist 1004 nicht anwendbar, wenn man auf die Theorie der „Wiedernutzbarkeit“ abstellt. Mir erschließt sich das leider nicht. Liegt es daran, dass kein Blei mehr auf das Grundstück gelangt und deshalb keine Beeinträchtigung isd 1004 vorliegt oder wird damit der Unterschied zu einem Anspruch der Verschulden voraussetzt gewahrt? Ansonsten ist der verseuchte Boden und nicht das Blei an sich die Störung und diese hält noch an.
0815jurafuchs
3.7.2024, 21:53:33
Ich denke, dass
1004 BGBvom Normzweck her dem Eigentümer das Recht gibt, andere von der Beeinträchtigung seines Eigentums abzuhalten. Voraussetzung ist daher, dass die Beeinträchtigung andauert und durch entsprechende Maßnahmen für die Zukunft unterbunden werden kann. Die Beeinträchtigung, die einen
Beseitigungsanspruchauslöst, darf daher nicht in der Vergangenheit liegen und damit bereits abgeschlossen sein ( s.a. MüKo 1004 Rn. 83). A geht es um einen Tausch des verseuchten Bodens und nicht primär darum, dass die Bleikugeln aus seinem Grundstück entfernt werden. Hier in dem Fall liegt daher m. E. durch Überschreiten der Grenzwerte in der Vergangenheit in Folge herübergeschossener Bleigeschosse die wesentliche Beeinträchtigung, die nicht hinzunehmen ist. Der Schaden ist bereits entstanden und kann durch Beseitigung der ursprünglichen Beeinträchtigung in Form der Bleigeschosse und Unterbinden, dass zukünftig keine Bleigeschosse mehr herüber geschossen werden, auch nicht mehr rückgängig gemacht werden, nachdem das Blei bereits ins Erdreich abgegeben wurde. Dass sich der Schadstoffwert durch weitere Bleigeschosse erhöht, ist daher hier für den
Beseitigungsanspruchm. E. irrelevant. Laut Rspr. ist dann für den Fall, dass der betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, die Einwirkung (in Form der wesentlichen Beeinträchtigung) zu unterbinden, 906 II 2 BGB analog anzuwenden (Fälle der faktischen Unmöglichkeit rechtzeitiger Störungsabwehr). Ein Anspruch aus 1004 besteht m. E. dann lediglich hinsichtlich der Unterlassung, dass zukünftig Bleigeschosse auf dem fremden Grundstück landen.