Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2023
Heimtückische Tötung eines Säuglings
Heimtückische Tötung eines Säuglings
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M und V leben zusammen mit ihrer drei Monate alten Tochter T. M ist überlastet und fühlt sich überfordert. Als ihr alles zu viel wird, ersticht sie T mit einem Messer. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich V 350 m von der Wohnung entfernt, sodass er nichts mitbekommt.
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Einordnung des Falls
Heimtückische Tötung eines Säuglings
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M könnte sich des Mordes schuldig gemacht haben (§§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. M könnte das Mordmerkmal der Heimtücke verwirklicht haben (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).
Ja!
3. Heimtückisches Handeln ist in der Regel auch direkt gegenüber Kleinstkindern möglich.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Stattdessen kommt es in diesen Fällen maßgeblich auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten an.
Ja, in der Tat!
5. Ein Heimtückemord scheidet vorliegend aber aus, weil V nicht nahe genug am Geschehen dran war, um eingreifen zu können.
Ja!
6. M hat sich folglich nicht strafbar gemacht.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
7.5.2024, 08:14:29
Wäre der Fall anders zu beurteilen, wenn M den V weggeschickt hätte, gerade um die Tötung der zu ermöglichen?
Maximilian Puschmann
7.5.2024, 10:55:03
Hallo QuiGonTim, Hierzu gibt es noch keine Rechtsprechung. Jedoch lässt sich mit dem Wortlaut der hier zitierten BGH-Rechtsprechung argumentieren, dass trotzdem keine Heimtücke gegen den Ehemann vorliegen kann, weil dieser als potenziell schutzbereiter Dritter den Schutz nicht mehr wirksam erbringen kann. Die »gewisse räumliche Nähe« ist zwingende Voraussetzung. Der Gedanke, dass man die „heimtückische Handlung“ aufs Wegschicken bezieht und dann später die Tötungshandlung vorgenommen wird, dürfte auch im Lichte des
Koinzidenzprinzips zu Problemen führen. Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team
Maximilian Puschmann
7.5.2024, 14:21:26
Hallo QuiGonTim, ich muss mich korrigieren. Der BGH hat deinen beschriebenen Fall bereits 1952 entschieden: BGH, Urteil vom 25. 11. 1952 - 1 StR 477/52. Das Täuschen der Aufsichtsperson, die dadurch planmäßig weggelockt wird, um das nun schutzlose Kind ungehindert zu töten, erfüllt den Tatbestand der Heimtücke. Hierzu auch ausführlich: MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, StGB § 211 Rn. 177. Ein Verstoß gegen das
Koinzidenzprinzipliegt auch nicht vor, da der Täter gerade täuscht, um seine Tat zu erfüllen, und einen umfassenden durchgehenden
Vorsatzhat. Entschuldige die Verwirrung und weiterhin beste Grüße Max - für das Jurafuchs-Team
rex ipso iure
7.5.2024, 16:27:23
Die Mutter Ist doch überwacherGarant und gesetzliche Fürsorgepflichten, ist es mithin nicht auf sittlich tiefster Stufe sein Kind zu töten weil man meint ausgebrannt zu sein? ehrliche frage
Lukas_Mengestu
7.5.2024, 18:02:48
Hi Uncle Ruckus, die niedrigen Beweggründe sind - wie vieles an dem unter den Nationalsozialisten eingeführten Mordparagraphen - ein recht schwammiges Tatbestandsmerkmal. Liegt wie hier eine deutliche Überforderungssituation vor und handelt die Mutter weniger aus Eigensucht, sondern schlicht aus Hilflosigkeit, so liegen letztlich zumindest nachvollziehbare Gründe vor. Diese können Tat zwar nicht rechtfertigen, aber gleichzeitig auch nicht die Strafverschärfung (lebenslängliche Freiheitsstrafe) begründen, die mit der Annahme der niedrigen Beweggründe einhergehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
CR7
1.6.2024, 09:27:40
Auch wenn es schwer nachzuvollziehen sein mag, finde ich das Urteil im Ergebnis richtig.