+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Peterson (P) ist im Zelturlaub, als durch ein Unwetter ein Baum auf seinem Grundstück in Schieflage gerät und nun jederzeit auf die Straße fallen könnte. Behörde B beauftragt deswegen Unternehmerin U unverzüglich mit dem Fällen des Baumes.
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Einordnung des Falls
Grundfall: Sofortiger Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat durch die Beauftragung von U einen Verwaltungsakt gegenüber P erlassen.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Merkmale eines Verwaltungsaktes regelt § 35 S. 1 VwVfG. Ein Verwaltungsakt wird erst wirksam, wenn er dem Adressaten bekanntgegeben worden ist (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). B hat hier keinen Verwaltungsakt gegenüber P bekanntgegeben. Es liegt kein wirksamer Verwaltungsakt mit P als Pflichtigem vor. Bekanntgabe ist die amtliche Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber dem Betroffenen, das heißt der Tatsache des Ergehens und des Inhalts des Verwaltungsakts, mit Wissen und Wollen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlässt. Sie richtet sich nach § 41 VwVfG, sofern gesetzlich keine besondere Form der Bekanntgabe vorgesehen ist. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. Die Vorschriften des VwVG sind nur anwendbar, wenn ein Verwaltungsakt erlassen wurde.
Nein!
Der Verwaltungszwang nach § 6 Abs. 1 VwVG setzt einen vorausgegangenen Verwaltungsakt voraus. Es kann allerdings auch Fälle geben, in denen aufgrund einer aktuellen Gefahrenlage der Erlass eines Verwaltungsaktes mit anschließendem Vollstreckungsverfahren nicht abgewartet werden kann. Ermächtigungsgrundlagen für diese unmittelbare Ausführung finden sich zum einen in landesrechtlichen Spezialgesetzen, aber auch in § 6 Abs. 2 VwVG (sog. sofortiger Vollzug). B durfte Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung im Wege des sofortigen Vollzuges einleiten, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG vorlagen.
3. Materiellrechtlich muss zunächst ein Eilfall vorliegen. Dies ist hier anzunehmen.
Genau, so ist das!
Der sofortige Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) setzt zunächst voraus, dass ein Eilfall im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG vorliegt. Der Eilfall im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG liegt vor, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist. Die Notwendigkeit der Eilmaßnahme setzt voraus, dass der Zweck der Maßnahme im Rahmen des gestreckten Vollstreckungsverfahren nicht erreicht werden kann. Der Eilfall besteht darin, dass es jederzeit zu einer Verletzung von Passanten oder Autofahrenden kommen könnte, wenn der Baum auf die Straße stürzt. Es besteht eine drohende Gefahr für die subjektiven Rechte Dritter. Der Schutz dieser Rechte kann nur durch den sofortigen Vollzug erreicht werden.
4. Kommt es darauf an, ob B hier einen Grundverwaltungsakt hätte erlassen dürfen?
Ja, in der Tat!
Der sofortige Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Verwaltungsakts, der im Verfahren nach § 6 Abs. 1 VwVG vorausgehen würde (= Grundverwaltungsakt), vorliegen. Das ergibt sich aus der Formulierung des § 6 Abs. 2 VwVG, wonach die Behörde „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“ handeln muss. Es kommt also darauf an, ob der Grundverwaltungsakt hätte erlassen werden können. Zu prüfen ist also, ob die Voraussetzungen für den Erlass des (hypothetischen bzw. fiktiven) Grundverwaltungsakts vorlagen. Dies richtet sich nach der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage. Ermächtigungsgrundlage für den im Regelfall zu erlassenen Verwaltungsakt gegenüber P ist die Generalklausel des jeweiligen landesrechtlichen Gefahrenabwehrrechts (z.B. § 17 Abs. 1 ASOG, § 11 NPOG). Die erforderliche konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit dürfte hier – aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit, dass es zeitnah zu einem Schaden subjektiver Rechte Dritter kommen wird – vorliegen. 5. B hat unmittelbaren Zwang ausgeübt. Die Voraussetzungen des Zwangsmittels liegen vor.
Nein!
Der sofortige Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) setzt materiell voraus, dass (1) ein Eilfall im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG vorliegt, (2) die Voraussetzungen des Verwaltungsakts, der wegen der Eilbedürftigkeit nicht erlassen zu werden braucht, vorliegen und (3) die Voraussetzungen des jeweiligen Zwangsmittels gegeben sind. Die Beauftragung des U mit der Beseitigung des Baumes ist eine Ersatzvornahme (§ 10 VwVG). Es handelt sich um eine vertretbare Handlung. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig (§ 9 Abs. 2 VwVG), gerade mit Blick auf das Gewicht des zu schützenden Rechtsguts Dritter aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die formellen Voraussetzungen der §§ 13 ff. VwVG müssen im sofortigen Vollzug gerade nicht vorliegen.
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