+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Aktivistin A hat sich zur Blockade des Autoverkehrs auf die Straße gesetzt. Polizistin P fordert sie auf, die Straße zu verlassen. Als A der Aufforderung nicht nachkommt, trägt P sie von der Straße.
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Einordnung des Falls
Sofortvollzug bei vorangegangenem Grundverwaltungsakt (verkürztes Verfahren)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem P die A aufgefordert hat, die Straße zu verlassen, hat P einen Verwaltungsakt erlassen.
Ja!
Ein Verwaltungsakt ist (1) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine (2) Behörde zur (3) Regelung eines (4) Einzelfalls auf dem (5) Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf (6) unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ein Verwaltungsakt kann auch mündlich erlassen werden (§ 37 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 VwVfG). Mit ihrer Aufforderung hat P einen Platzverweis ausgesprochen und damit einen Verwaltungsakt gegenüber A erlassen. Die Merkmale des Verwaltungsakts musst und solltest Du in der Klausur nicht differenziert darstellen, wenn diese unproblematisch vorliegen.
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2. Indem P die A von der Straße getragen hat, hat sie unmittelbaren Zwang angewendet.
Genau, so ist das!
Im Rahmen des unmittelbaren Zwangs (§ 12 VwVG) kann die Behörde den Pflichtigen unmittelbar zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen. Unmittelbarer Zwang muss in vielen Fällen von der Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) abgegrenzt werden. Nach einer in der Literatur vorgeschlagenen Abgrenzungsformel liegt im Fall der körperlichen Einwirkung auf Personen stets unmittelbarer Zwang vor. Indem P die A von der Straße getragen hat, hat P körperlich auf A eingewirkt und so erzwungen, dass A die Straße verlässt. Damit hat P unmittelbaren Zwang ausgeübt.
3. Liegt ein Grundverwaltungsakt vor, richtet sich die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nach § 6 Abs. 1 VwVG.
Ja, in der Tat!
Handelt die Behörde, um einen erlassenen Grundverwaltungsakt zu vollstrecken, so richtet sich die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nach § 6 Abs. 1 VwVG (= gestrecktes Verfahren). Dies bedeutet insbesondere, dass der Grundverwaltungsakt vollstreckbar sein muss. Zudem muss die Behörde die Verfahrensvorschriften der §§ 13-15 VwVG einhalten, also das Zwangsmittel androhen und festsetzen, bevor es angewendet wird.
4. Wenn P keinen Grundverwaltungsakt erlassen hätte, könnte P die Maßnahme im Sofortvollzug vollziehen, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG vorlägen.
Ja!
Wenn ein Grundverwaltungsakt vorliegt, aber die Maßnahme ansonsten eher nach einem Sofortvollzug i.S.v. § 6 Abs. 2 VwVG aussieht, musst Du dir die Frage stellen, ob § 6 Abs. 2 VwVG anwendbar ist.
Grundsätzlich erfolgt die Vollstreckung eines erlassenen Verwaltungsakts im Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 VwVG. Die Rechtmäßigkeit dieser Vollstreckung setzt unter anderem voraus, dass das Zwangsmittel schriftlich angedroht und festgesetzt wird (§§ 13 Abs. 1 S. 1, 14 S. 1 VwVG). Schriftliche Androhung und Festsetzung sind im Sofortvollzug entbehrlich (§§ 13 Abs. 1 S. 1, 14 S. 2 VwVG).
Der Sofortvollzug kommt aber nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 2 VwVG zunächst nur in Betracht, wenn kein Verwaltungsakt vorangegangen ist. Hat die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen, so muss sie allerdings erst Recht befugt sein, diesen sofort zu vollziehen (sog. „verkürztes Verfahren”, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG vorliegen. 5. P hat einen Grundverwaltungsakt erlassen, aber das Zwangsmittel weder angedroht (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG), noch festgesetzt (§ 14 VwVG). Kann die Maßnahme daher nur rechtswidrig sein?
Nein!
Die fehlende Androhung und Festsetzung könnte hier dann unschädlich sein, wenn Ps Maßnahme im Sofortvollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG erfolgte.
Hat die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen, so muss sie erst Recht befugt sein, diesen sofort zu vollziehen (sog. „verkürztes Verfahren”, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG vorliegen. Sofern die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG vorliegen, durfte P das Zwangsmittel im verkürzten Verfahren anwenden. Allein die fehlende schriftliche Androhung und Festsetzung würden dann nicht zur Rechtswidrigkeit der Vollstreckung führen (§§ 13 Abs. 1 S. 1, 14 S. 2 VwVG). Anders, wenn nur ein Vollzug nach § 6 Abs. 1 VwVG in Betracht käme. Dann wäre die Vollstreckung bereits formell rechtswidrig.
Für das verkürzte Verfahren gelten letztlich die Voraussetzungen des Sofortvollzugs (§ 6 Abs. 2 VwVG). Du darfst in der Klausur wegen des eindeutigen Wortlauts aber nicht einfach § 6 Abs. 2 VwVG anwenden, sondern solltest die Prüfung sauber mit dem „erst-Recht-Schluss“ einleiten.