+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A hat beim Verlassen der Wohnung vergessen, den Fernseher auszustellen. Weil ein Krimi läuft, denkt Nachbar B, A würde eine andere Person verletzen und ruft die Polizei. Die Beamtin P tritt – ohne Vorwarnung – As Wohnungstür auf.
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Einordnung des Falls
Fall: Abgrenzung des Sofortvollzugs und des unmittelbaren Zwangs
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P hat einen Verwaltungsakt gegenüber A erlassen.
Nein, das trifft nicht zu!
Der Erlass eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG) ist regelmäßig von einem schlichten Realhandeln der Behörde abzugrenzen. Schlichtes Realhandeln enthält nicht das Merkmal der „Regelung” aus § 35 S. 1 VwVfG, sondern ist lediglich auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet. P hat hier lediglich tatsächlich gehandelt, indem sie die Tür aufgetreten hat. Dieses Handeln enthält keine Regelung im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG. P hat keinen Verwaltungsakt erlassen. Die Konstruktion einer „konkludenten Duldungsverfügung“ ist mit der h.M. abzulehnen. Im Übrigen wäre ein Verwaltungsakt hier auch nicht wirksam geworden, da es an einer Bekanntgabe (§ 41 VwVfG) gegenüber dem Pflichtigen A fehlt.
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2. Die Maßnahme erfolgte als Verwaltungsvollstreckung im gestreckten Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 VwVG.
Nein!
Die Behörde kann die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung entweder im gestreckten Verfahren (§ 6 Abs. 1 VwVG) oder im Sofortvollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) durchführen. Die beiden Verfahrensarten unterscheiden sich danach, ob ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vorliegt oder nicht. Wegen des fehlenden Grundverwaltungsakts kommt ein Sofortvollzug nur in bestimmten Eilfällen in Betracht (vgl. § 6 Abs. 2 VwVG). P hat keinen Verwaltungsakt erlassen, bevor sie die Tür aufgetreten hat. Es kommt nur ein Sofortvollzug gemäß § 6 Abs. 2 VwVG in Betracht. Nein, das ist nicht der Fall!
Der Sofortvollzug ist eine spezielle Verfahrensart der Zwangsvollstreckung (§ 6 Abs. 2 VwVG) und gerade kein Zwangsmittel nach § 9 VwVG. Der Sofortvollzug muss vor allem vom unmittelbaren Zwang (§ 9 Abs. 1 VwVG, § 12 VwVG) unterschieden werden. Der unmittelbare Zwang ist ein Zwangsmittel und kann Gegenstand des Sofortvollzugs sein. Es ist wichtig, dass die Begrifflichkeiten sitzen und Du sie in der Klausur nicht durcheinander wirfst. Im Zweifel hilft ein Blick ins Gesetz. 4. P hat unmittelbaren Zwang angewendet, als sie die Tür aufgebrochen hat.
Ja, in der Tat!
Mit dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs kann die Behörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen (§ 12 VwVG). In Abgrenzung zur Ersatzvornahme liegt unmittelbarer Zwang dann vor, wenn die Behörde nicht genau die Handlung vornimmt, zu der der Pflichtige verpflichtet gewesen wäre. A wäre im Rahmen eines zu erlassenden Grundverwaltungsakts zum Öffnen der Tür verpflichtet. Das Eintreten der Tür ist nicht identisch mit dieser Handlung. P hat unmittelbaren Zwang ausgeübt. Die Eilbedürftigkeit nach § 6 Abs. 2 VwVG wäre hier in der Verhinderung einer Straftat zu sehen. Die Maßnahme wäre wohl auch als notwendig anzusehen. Ps Irrtum wird erst im Rahmen der Kostentragungspflicht relevant. Zu problematisieren sind in einem solchen Fall auch die Voraussetzungen der einschlägigen polizeirechtlichen Standardermächtigung unter Berücksichtigung von Art. 13 GG.
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