Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit III: Verletzungen des sachlichen Rechts (Sachrüge)

Strafzumessung - Strafschärfende Berücksichtigung zulässigen Verteidigungsverhaltens

Strafzumessung - Strafschärfende Berücksichtigung zulässigen Verteidigungsverhaltens

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 223, 224 Abs. 1 StGB) verurteilt. Im Prozess gibt A an, er sei attackiert worden und habe sich nur zur Wehr gesetzt. Das Gericht sieht das als Schutzbehauptung und wertet es strafschärfend, dass A die beiden Opfer der versuchten Körperverletzung verdächtig machen wolle.

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Einordnung des Falls

Strafzumessung - Strafschärfende Berücksichtigung zulässigen Verteidigungsverhaltens

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Angeklagter muss im Strafprozess immer die Wahrheit sagen.

Nein!

Der Angeklagte ist der staatlichen Rechtspflege, anders als etwa der Zeuge (vgl. §§ 153ff. StGB), von vorneherein nicht zu einer Aussage verpflichtet und muss grundsätzlich auch nicht die Wahrheit sagen. Auch eine Lüge kann deshalb zulässiges Verteidigungsverhalten sein.
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2. Es ist rechtsfehlerhaft, zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend zu werten.

Genau, so ist das!

Zulässiges Verteidigungsverhalten darf dem Angeklagten nicht angelastet werden. Zulässiges Verteidigungsverhalten ist etwa, dass der Angeklagte die Glaubwürdigkeit des Opfers bezweifelt, kein Mitleid zeigt oder pauschal angibt, jemand anderes hätte die Tat begangen. Die Grenze zulässigen Verteidigungsverhalten ist erreicht, wenn eine verwerfliche Einstellung des Täters offenbart wird, etwa durch die verleumderische Herabwürdigung des Opfers.

3. Vorliegend durfte das Gericht As Vorwurf strafschärfend werten, da er die Grenze zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Sind damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens erst überschritten, wenn sich dieses nach den Umständen als Ausdruck einer rechtsfeindlichen Einstellung darstellt. Dies ist hier nicht der Fall. A hat sich auf die wahrheitswidrige Behauptung eines drohenden Angriffs der Zeugen beschränkt. Weitergehende Verleumdungen oder Herabwürdigungen sind in seinem Vorbringen nicht enthalten. Auch hat der A die Zeugen nicht einer besonders verwerflichen Handlung bezichtigt, sodass nicht angenommen werden kann, dass es ihm darum ging, ihr Ansehen über das verfolgte Verteidigungsziel hinaus zu beschädigen. Die Strafzumessung ist also rechtsfehlerhaft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RO

Roland

10.11.2023, 18:07:56

ich meine, es ist umstritten, ob den Beschuldigten eine Wahrheitspflicht trifft. Eine Ansicht sagt nein, die hM sagt grundsätzlich ja aber es habe für den Angeklagten keine Konsequenzen, wenn er lügt. Für den Verteidiger kann es aber Konsequenzen haben, wenn er den Angeklagten zu einer Lüge rät und damit zu einer Falschaussage anstiftet. Mein Kenntnisstand beruht aber auf der Vorlesung von vor einigen Jahren, mag sich auch geändert haben.


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