+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K (Wohnsitz: Karlsruhe) kauft im Laden der B-GmbH in Baden-Baden einen Drucker für ihr Homeoffice. Da er mangelhaft druckt, fordert sie B vergeblich auf, ihr einen Ersatz zu beschaffen. K will auf Nacherfüllung klagen.

Einordnung des Falls

Erfüllungsort bei der Nacherfüllung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann die B-GmbH in Baden-Baden verklagen (§§ 12, 17 ZPO).

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Ja!

Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte ergibt sich aus den §§ 12ff. ZPO. Grundsätzlich ist die Klage am (Wohn-)Sitz des Beklagten zu erheben (§§ 12, 13 ZPO bzw. §§ 12, 17 ZPO). Da der Kläger es in der Hand hat, ob und wann er einen Gerichtsprozess beginnt, soll der Beklagte als Ausgleich möglichst keine Erschwernisse aufgrund langer Anfahrtswege haben. Neben diesen allgemeinen Gerichtsstand treten in bestimmten Fällen besondere Gerichtsstände. Der Kläger hat dann die Wahl, wo er klagt (§ 35 ZPO). Wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht, darf der Kläger nur dort klagen.B hat ihren Sitz in Baden-Baden, sodass K sie hier an ihrem allgemeinen Gerichtsstand verklagen kann.

2. K kann die B-GmbH auch in Karlsruhe verklagen, wenn der Erfüllungsort ihres Nacherfüllungsanspruches in Karlsruhe liegt (§ 29 Abs. 1 ZPO).

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Genau, so ist das!

Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) ist ein besonderer, nicht ausschließlicher Gerichtsstand. § 29 ZPO gilt nicht nur für vertragliche Erfüllungsansprüche (wie etwa die Pflicht zur Übergabe und Übereignung aus einem Kaufvertrag), sondern auch für Gewährleistungsansprüche und Ansprüche nach Rücktritt oder Anfechtung.

3. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt der Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruchs stets am Belegenheitsort der Sache.

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Nein, das trifft nicht zu!

§ 439 BGB enthält selbst keine explizite Bestimmung zum Erfüllungsort. Die wohl h.L. und ein Teil der älteren Instanzrechtsprechung (bis 2011) setzt den Erfüllungsort der Nacherfüllung mit dem bestimmungsgemäßen aktuellen Belegenheitsort der Sache gleich. Als Argument wird hierfür unter anderem der Wortlaut („Lieferung“) angeführt, sowie der Umstand, dass der Verkäufer nach § 439 Abs. 2 BGB die Kosten der Nacherfüllung zu tragen habe. Daraus folge implizit, dass beim Käufer der Nacherfüllungsort liege. BGH: Der BGH hält dem entgegen, dass sich weder dem Begriff Lieferung noch der Kostentragungspflicht eine Aussage hinsichtlich des Nacherfüllungsorts entnehmen lasse.Zu weitgehend identischen Ergebnissen wie die h.L. kommen die Auffassungen, die den Wohnsitz des Käufers (statt des Belegenheitsorts) stets als Nacherfüllungsort ansehen.

4. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruchs mit dem Ort der ursprünglichen Erfüllungshandlung identisch.

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Nein!

Teilweise wird vertreten, der Nacherfüllungsanspruch sei bloß ein modifizierter Erfüllungsanspruch, weshalb ein Gleichlauf zwischen Nacherfüllung und Erfüllung bestehen müsse. Auch werde der Käufer nicht unangemessen belastet. Denn der Verkäufer müsse ohnehin die zur Nacherfüllung erforderlichen Kosten tragen. BGH: Zwar handele es sich beim Nacherfüllungsanspruch um eine Modifikation; er sei aber nicht identisch zum ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Es gehe nicht mehr um die erstmalige Lieferung einer mangelfreien Sache, sondern die Herstellung ihrer Mangelfreiheit. Dieser geänderte Anspruchsinhalt könne auch Auswirkungen auf den Erfüllungsort haben (RdNr. 50 f.)

5. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Ort des Nacherfüllungsanspruchs im Einzelfall anhand des § 269 BGB zu bestimmen.

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Genau, so ist das!

Mangels vorrangiger Regelungen sei auf § 269 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Maßgeblich seien also die Parteivereinbarung und die Einzelfallumstände. Bei Geschäften des täglichen Lebens oder bei Erforderlichkeit aufwändiger Diagnose- oder Reparaturarbeiten liege er regelmäßig beim Verkäufer, bei bestimmungsgemäß vom Käufer aufgestellten oder eingebauten Sachen dagegen am Belegenheitsort der Sache. Fehle es an Anhaltspunkten, liege der (Nach-)Erfüllungsort im Zweifel am Wohnsitz bzw. der gewerblichen Niederlassung des Verkäufers (vgl. § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB).Achtung: Im Hinblick auf die europarechtlichen Vorgaben (keine erheblichen Unannehmlichkeiten, Art. 14 Abs. 1 c) Warenkaufrichtlinie) für Verbraucher, geht der BGH bei Verbrauchsgütern, die besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich sind oder bei deren Transport komplexe Anforderungen zu beachten sind, davon aus, dass der Wohnsitz des Verbrauchers als Nacherfüllungsort anzunehmen ist (=besondere Umstände).

6. Liegt der Erfüllungsort nach der Rechtsprechung des BGH für Ks Nacherfüllungsanspruch in Karlsruhe?

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Nein, das trifft nicht zu!

Nach der vermittelnden Rechtsprechung des BGH richtet sich die Ermittlung des Nacherfüllungsortes nach der Regelung des § 269 Abs. 1 BGB. Fehlt es an einer Parteivereinbarung, so sind die Umstände des Einzelfalls zu betrachten. Bei Geschäften des täglichen Lebens oder bei Erforderlichkeit aufwändiger Diagnose- oder Reparaturarbeiten liege er regelmäßig beim Verkäufer.K hat den Drucker in Bs Laden gekauft. Es handelt sich dabei um einen Alltagsgegenstand, der nicht besonders sperrig ist. Nacherfüllungsort ist damit Baden-Baden. K kann sich in Karlsruhe damit nicht auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts berufen.Auch materiell ist der Nacherfüllungsort relevant. Denn die wirksame Fristsetzung setzt voraus, dass K die Kaufsache B am Nacherfüllungsort in Baden-Baden zur Verfügung stellt.

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