Abwandlung zu § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB (5)

4. Juli 2025

6 Kommentare

4,6(7.072 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Goldenface (G) will auf seinem Außenbereichsgrundstück eine für seinen gewerblichen Betrieb notwendige Trockenauskiesung vornehmen. Die Stelle ist durch Eisenbahngleise und Industriegebiete eingekreist. Der Flächennutzungsplan weist den Bereich als Fläche für Bahnanlagen aus.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Abwandlung zu § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB (5)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB.

Genau, so ist das!

Liegt das Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 BauGB), noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB), so richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit allein nach § 35 BauGB (Außenbereich). Gs Vorhaben stellt die Errichtung einer baulichen Anlage dar. Es liegt im Außenbereich.
Öffentliches Recht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Öffentliches Recht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Bei Gs Vorhaben handelt es sich um ein privilegiertes Vorhaben.

Ja, in der Tat!

§ 35 BauGB unterscheidet zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben. Privilegierte Vorhaben sind im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn ein Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 BauGB erfüllt ist. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ist die Ortsgebundenheit gegeben, wenn das Vorhaben nur an diesem konkreten Ort im Außenbereich sinnvoll errichtet werden kann. Die Abhängigkeit der baulichen Anlage vom konkreten Ort kann auf geografischen oder geologischen Gründen beruhen. Ein Vorhaben dient einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb nach § 35 Abs. 1 Nr. 3, wenn ein vernünftiger Betriebsinhaber unter Beachtung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs das Abgrabungsvorhaben an demselben Standort und mit etwa gleichem Umfang durchführen würde. Kiesabbaubetriebe sind ortsgebunden. Gs Betrieb ist gewerblich und das Vorhaben notwendig für den Betrieb. Durch die Einkreisung durch Eisenbahn und Industriegebiete ist das Grundstück vorbelastet und die Auskiesung im Verhältnis zu anderen Außenbereichsstellen größtmöglich schonend.

3. Gs Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans und ist damit umgehend unzulässig.

Nein!

Wenn ein Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, sind öffentliche Belange beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Beeinträchtigt ein sonstiges Vorhaben öffentliche Belange, ist es nach § 35 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig. Gs Vorhaben ist privilegiert. Unabhängig davon, ob es sich bei der Ausweisung des Bereichs als Fläche für Bahnanlagen um eine Darstellung handelt, kann sich die Unzulässigkeit daher nicht allein aus einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange ergeben. Diese müssen dem Vorhaben entgegenstehen.

4. Die Ausweisung des Bereichs als Bahnanlagenfläche geht auf ein Planungsverfahren der Deutschen Bahn nach §§ 18ff. AEG zurück. Diese will dort einen Containerbahnhof errichten. Steht sie Gs Vorhaben nach § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB entgegen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die jeweiligen Voraussetzungen nach § 35 Abs. 3 Nr. 1-8 BauGB müssen erfüllt sein, um einen öffentlichen Belang mit Sperrwirkung zu bejahen. Für § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB gilt, dass Planungen anderer Planungsträger als der Gemeinde, die in den Flächennutzungsplan nachrichtlich aufgenommen werden, nicht als Darstellungen des Flächennutzungsplans gelten. Die Entscheidung über die Ausweisung der Fläche als Bahnanlage erfolgte im Rahmen eines eigenen Planungsverfahrens. Dass die Ausweisung im Flächennutzungsplan eventuell sogar mit der Gemeinde abgestimmt war und diese die Planung verwirklichen will, ist unerheblich. Die Verwirklichung – die Errichtung eines Containerbahnhofs – liegt außerhalb der Kompetenz der Gemeinde. Aus § 7 S. 1 BauGB ergibt sich auch keine Verpflichtung der Deutschen Bahn zur Verwirklichung der zeichnerischen Wiedergabe im Plan. Die Ausweisung als Fläche für Bahnanlagen ist kein Gegenstand der Planungsentscheidung der Gemeinde und demnach keine Darstellung des Flächennutzungsplans nach § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB.
Dein digitaler Tutor für Jura
Öffentliches Recht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

fuchs_

fuchs_

31.3.2024, 20:49:50

Danke, dass ihr Aufgaben reinbringt, die einen zwingen, sich den §35 BauGB genauer anzuschauen in seiner Struktur und mit den verschiedenen Nummern, das hilft ungemein!

YO

yolojura

8.7.2024, 12:45:39

Wäre im Geltungsbereich eines Planfeststellungsbeschlusses, wie es vorliegend der Fall ist, der § 35 wegen § 38 BauGB ohnehin nicht anzuwenden?

MAG

Magnum

8.1.2025, 17:55:05

Ich verstehe nicht, warum für privilegierte Vorhaben § 35 III überhaupt einschlägig ist. Dieser dreht sich ja nur um die Beeinträchtigung öffentlicher Belange. Für die Unzulässigkeit privilegierter Vorhaben müssten öffentliche Belange aber doch entgegenstehen. Kann mir jemand weiterhelfen?

Sarinodino

Sarinodino

17.1.2025, 19:24:30

Genau und wann eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliegt, richtet sich nach Abs. 3.

SUP

supplanto

27.5.2025, 19:28:00

Mir ist der Unterschied zwischen Entgegenstehen und Beeinträchtigung öffentlicher Belange auch noch nicht so ganz klar. Auch für privilegierte Vorhaben wird also Abs. 3 angewandt, aber es besteht eine sogenannte Vorgewichtung iRd Abwägung, da es sich um privilegiertes Vorhaben handelt? Ist das so richtig?

MAND

Mandy

7.6.2025, 09:44:19

Also ich würde sagen, dass § 35 III BauGB Beispiele für öffentliche Belange beinhaltet, die auch bei privilegierten Vorhaben zu berücksichtigen sind. Allerdings muss dann einer dieser öffentlichen Belange dem Vorhaben tatsächlich zuwiderlaufen / im Kontrast stehen also entgegenstehen. Es genügt also nicht, dass eine der Nummern tatbestandlich erfüllt ist, sondern es wird ein „mehr“ gefordert. Handelt es sich um ein sonstiges Vorhaben genügt es bereits, wenn einer dieser öffentlichen Belange irgendwie berührt wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine der in Abs. 3 genannten Nummern einschlägig ist, also tatbestandlich erfüllt ist. Insofern genügt es für ein privilegiertes Vorhaben wie vorliegend nicht, dass es dem Flachennutzungsplan widerspricht, sondern es muss diesem entgegenstehen, also dessen Planung gänzlich zuwider laufen. Steht also in einem Flächennutzungsplan, die Fläche ist zum abstellen von Containern gedacht, das Vorhaben soll aber nun die Auskiesung also ein privilegiertes Vorhaben sein, genügt es nicht für ein „entgegenstehen“, da es zwar dem Plan widerspricht aber Ähnlichkeit aufweist. Stünde nun aber im Flächennutzungsplan, dort solle eine Waldfläche sein, die der Erholung dient, dann würde so ein Vorhaben diesem Plan wohl entgegenstehen. (Denke ich zumindest). Möchte ich an dieser Stelle aber ein sonstigen Vorhaben verwirklichen, wie z.B. eine Hütte zum Wohnen, dann widerspricht dies dem Plan und ist wegen § 35 Abs. 3 Nr. 1 unzulässig. So habe ich das zumindest verstanden.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Öffentliches Recht-Wissen testen