Fall: Nutzungsänderung Altenheim

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Dwight (D) will eine alte, genehmigte Pension stark renovieren, um sie künftig als Altersheim zu nutzen. Sie steht auf einem 4 ha großen, land- und forstwirtschaftlich genutzten Gelände im Außenbereich. Er fragt Jurastudentin F nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit.

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Einordnung des Falls

Fall: Nutzungsänderung Altenheim

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Vorhaben muss sich an den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen messen lassen, wenn es eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB darstellt.

Ja, in der Tat!

Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30ff. BauGB ist das Vorliegen einer baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB. Übrige Vorhaben unterliegen im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und im Außenbereich (§ 35 BauGB) planungsrechtlich keinen Schranken. Solche Vorhaben müssen sich in einem Planbereich (§ 30 BauGB) aber an Festsetzungen halten, die unmittelbar aus einem Bebauungsplan folgen.
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2. Ds alte Pension stellt eine bauliche Anlage i.S.d § 29 Abs. 1 BauGB dar.

Ja!

Der bauplanungsrechtliche Anlagenbegriff erfasst Anlagen, die (1) in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden werden und die (2) die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren können, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen, die ihre Zulässigkeit regelt (bodenrechtliche Relevanz). Maßstab dafür ist nicht das konkrete Vorhaben, sondern seine gedachte Häufung. Die Pension ist dauerhaft und künstlich mit dem Erdboden verbunden. Angesichts seiner Nutzung, der Flächenversiegelung und Größe tangiert die Pension auch Belange des § 1 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 Nr. 3 (Freizeit und Erholung), Nr. 4 (Erhaltung vorhandener Ortsteile) und Nr. 7 a) (Umweltschutz) BauGB.

3. Da D nur die Nutzung eines bereits vorhandenen Gebäudes ändern will, liegen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 BauGB nicht vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 29 Abs. 1 BauGB unterwirft ausdrücklich Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, den Voraussetzungen der §§ 30ff. BauGB. Eine Nutzungsänderung i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB liegt vor, wenn die Variationsbreite der genehmigten Nutzung verlassen wird und dadurch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können. Die Umstellung der Bewirtschaftung auf ein Altersheim ersetzt die bis dahin stattfindende Nutzung als Pension. Die Nutzung als Altersheim liegt nicht innerhalb der Variationsbreite einer Pension. Dadurch wird die genehmigte Nutzung verlassen. Ds geplante Nutzung berührt insbesondere den Belang des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB (Bedürfnisse alter Menschen) und verursacht dadurch einen bodenrechtlichen Konflikt und neue städtebauliche Probleme. § 29 Abs. 1 BauGB ist erfüllt. Damit gelten die §§ 30 - 37 BauGB für Ds Vorhaben.

4. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Ds Vorhaben richtet sich nach § 35 BauGB (Außenbereich).

Ja, in der Tat!

Der Außenbereich (§ 35 BauGB) definiert sich ausschließlich negativ als Ortsteil, der weder beplant (§ 30 BauGB) noch im Zusammenhang bebaut (§ 34 BauGB) ist. Ds Vorhaben liegt nicht im Bereich eines Bebauungsplans und ist nicht Teil des Bebauungszusammenhangs. Es liegt im Außenbereich.

5. Innerhalb von § 35 BauGB wird zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben unterschieden.

Ja!

Im Außenbereich sind bestimmte Vorhaben zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen (privilegierte Vorhaben). § 35 Abs. 1 BauGB zählt diese Vorhaben abschließend auf. Andere, sogenannte sonstige Vorhaben sind im Außenbereich unter Ausnahmevorbehalt verboten (§ 35 Abs. 2 BauGB). Dieses Bauverbot mit Ausnahmevorbehalt ist gem. § 35 Abs. 4 BauGB für bestimmte Änderungen, Nutzungsänderungen, Erweiterungen oder Neuerrichtungen aufgelockert (begünstigte Vorhaben).

6. Ds Vorhaben ist im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die in § 35 Abs. 1 BauGB aufgezählten Vorhaben ordnet der Gesetzgeber allgemein dem Außenbereich zu (privilegierte Vorhaben). Ob ein konkretes Vorhaben an einem konkreten Standort im Außenbereich errichtet werden darf, lässt sich § 35 Abs. 1 BauGB nicht entnehmen. Auch für privilegierte Vorhaben nach Abs. 1 gilt das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs (§ 35 Abs. 5 S. 1 BauGB). Deswegen dürfen privilegierten Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Der Außenbereich soll von Bebauung so weit wie möglich verschont bleiben. Daher sind die Privilegierungen in § 35 Abs. 1 BauGB eng auszulegen. Alte Menschen müssen in die Gesellschaft integriert werden. Eine privilegierte Zuordnung von Altenheimen zum Außenbereich scheidet aus. Das solltest Du nicht falsch machen: Zwar steht das geplante Altenheim auf einem 4 ha großen, land- und forstwirtschaftlich genutzten Gelände. Dennoch verbietet sich hier eine vertiefte Subsumption unter § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, weil das Vorhaben klar nicht bevorzugt dem Außenbereich zugeordnet werden soll.

7. Ob die von D beabsichtigte Nutzung dem geltenden Bebauungsrecht entspricht, richtet sich nach § 35 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB.

Ja, in der Tat!

Ist das Vorhaben nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert, kann es dennoch nach § 35 Abs. 2 BauGB als sonstiges Vorhaben im Einzelfall zulässig sein. Sonstige Vorhaben sind nur zulässig, wenn ihre Ausführung oder Benutzung keine öffentlichen Belange beeinträchtigt. Da Ds Vorhaben im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegt und nicht privilegiert ist, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB.

8. Unterstellt die Errichtung der alten Pension war kein nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben. Ist Ds Plan einer Nutzungsänderung gem. § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB begünstigt?

Nein!

§ 35 Abs. 4 BauGB erfasst sonstige Vorhaben gem. § 35Abs. 2 BauGB, deren Durchführung erleichtert werden soll. Die in § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB genannten öffentliche Belange dürfen diesen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB errichtet wurde, kann begünstigt sein. Die Pension ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert.

9. Ds Vorhaben beeinträchtigt öffentliche Belange, wenn sein Nutzen für die Öffentlichkeit größer ist als seine nachteiligen Wirkungen auf den Außenbereich.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Begriff „öffentliche Belang“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB füllt den Begriff mit einem offenen Katalog bedeutender öffentlicher Belange. Öffentliche Belange sichern die Außenbereichsverträglichkeit von Vorhaben. Ob das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt, ist einzelfallabhängig und unterliegt einer Abwägung. Dabei ist nur abzuwägen, ob ein öffentlicher Belang betroffen ist (nachvollziehende Abwägung). Es findet keine gestaltende Abwägung von Vor- und Nachteilen, wie etwa bei der Bauleitplanung statt. Belange sind öffentlich im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB, wenn sie einen konkreten Bezug zur städtebaulichen Ordnung haben und von dem in § 1 BauGB statuierten Grundgedanken einer geordneten städtebaulichen Entwicklung unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse erfasst sind. Ob Ds Vorhaben auch Vorteile bringt, ist unbeachtlich, wenn ein öffentlicher Belang betroffen ist.

10. Das Gebäude für die geplante Altenheimnutzung steht bereits. Die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung gem. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB scheidet damit aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Splittersiedlungen i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB sind zusammenhanglose, unorganisch verstreute Siedlungsstrukturen, die keinen Bebauungszusammenhang begründen. Auch bauliche Anlagen, die zum gelegentlichen oder dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind können Splittersiedlungen bilden. Eine Splittersiedlung verfestigt sich, wenn der vorhandene Baubestand ohne zusätzliche Ausdehnung in den Außenbereich etwa durch Änderungsvorhaben oder Nutzungsänderungen vergrößert wird. Unabhängig davon, ob die Nutzungsänderung eine Splittersiedlung neu begründet und damit den unerwünschten Vorgang der Zersiedelung einleitet (unerwünschte Vorbildwirkung), füllt die Nutzungsänderung die vorhandenen bisher in Anspruch genommenen räumlichen Möglichkeiten auf und lässt damit auch die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten.

11. Ds Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig.

Nein!

Privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB) sind im Außenbereich bauplanungsrechtlich zulässig, wenn keine öffentliche Belange entgegenstehen. Sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) sind im Außenbereich zulässig, wenn sie keine öffentlichen Belange beeinträchtigen. Begünstigte Vorhaben (§ 35 Abs. 4 BauGB) sind im Außenbereich bauplanungsrechtlich zulässig, wenn sie keine anderen als die in § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB genannten öffentlichen Belange beeinträchtigen. Ds Vorhaben ist ein sonstiges Vorhaben im Sinen des § 35 Abs. 2 BauGB. Es beeinträchtigt zumindest einen öffentlichen Belang. Damit ist es gem. § 35 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig.
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