Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe

17. April 2025

1 Kommentar

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der nicht vorbestrafte A wird zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Das Gericht schreibt im Urteil dazu nur, dass es „die Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Einwirkung auf den Täter für unerlässlich" hält. A geht in Revision.

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Einordnung des Falls

Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Freiheitsstrafen unter sechs Monaten dürfen nur ausnahmsweise verhängt werden (§ 47 Abs. 1 StGB).

Ja!

Freiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (§ 47 Abs. 1 StGB). Es müssen also spezialpräventive Zwecke (z.B. hohes Risiko weiterer Straftaten) dafür sprechen oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsordnung würde durch die Nichtverhängung beeinträchtigt. Die Norm soll kurze Freiheitsstrafen möglichst verhindern, da diese im Hinblick auf die spezialpräventiven Zweck der Strafe als kontraproduktiv angesehen werden. An die Stelle einer kurzen Freiheitsstrafe kann regelmäßig die Geldstrafe treten (vgl. § 47 Abs. 2 StGB).
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2. Die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe ist mit der Revision angreifbar, wenn das Gericht die Verhängung nicht ausreichend begründet (§ 267 Abs. 3 S. 2 StPO).

Genau, so ist das!

Der Tatrichter hat bei der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht überprüft die Entscheidung nur auf Rechtsfehler. Da die kurze Freiheitsstrafe die Ausnahme sein soll (vgl. § 47 Abs. 1 StGB), muss das Gericht eine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit enthaltende Begründung für ihre Verhängung liefern (vgl. § 267 Abs. 3 S. 2 StPO). Es muss im Urteil für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, warum eine mögliche Geldstrafe (vgl. § 47 Abs. 2 StGB), auch in Verbindung mit anderen Sanktionen, hier nicht ausreicht. Formelhafte Wendungen genügen nicht.

3. As Revision hat Erfolg, weil das Tatgericht die Anordnung der kurzen Freiheitsstrafe nicht ausreichend begründet (§ 267 Abs. 3 S. 2 StPO).

Ja, in der Tat!

Das Tatgericht muss eine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit enthaltende Begründung für ihre Verhängung liefern (vgl. § 267 Abs. 3 S. 2 StPO) und darlegen, warum eine Geldstrafe (vgl. § 47 Abs. 2 StGB) hier nicht ausreicht. Formelhafte Wendungen genügen nicht. Insbesondere der Fakt, das A Ersttäter ist, begründet eine erhöhte Begründungspflicht, da zur Einwirkung auf Ersttäter eine Freiheitsstrafe oft nicht erforderlich sein wird. Das Tatgericht hat hier nur den Gesetzeswortlaut wiederholt. Damit hat das Revisionsgericht keine tragfähige Urteilsgrundlage, um die Strafzumessung zu überprüfen. Es liegt ein Darstellungsfehler vor. Ein Darstellungsfehler liegt umgekehrt auch vor, wenn ein Fall der unerlässlichen kurzen Freiheitsstrafe naheliegt und das Tatgericht die mögliche Verhängung nicht erörtert.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Aleton

28.3.2025, 18:45:55

Also gibt es im Punkt "

Darstellungsrüge

" als auch im Punkt "Überprüfung der Strafzumessung" Darstellungsfehler die man dahingehend voneinander unterscheidet, dass eins die Urteilsfeststellungen betrifft und das andere nur innerhalb der Strafzumessung Beachtung findet. Und wenn ja, warum?


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