Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
Anforderungen an ein gemeinschaftliches Testament
Anforderungen an ein gemeinschaftliches Testament
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E bestimmt ihren Ehemann M erbvertraglich zum Alleinerben. Später schreibt M mit E abwechselnd ein Testament, wobei überwiegend E schreibt. Das Testament ist aus Ms Sicht in "Ich-Form" formuliert und bestimmt, dass E 75% und Enkel S 25% des Erbes erhalten sollen. Tochter T wird nicht erwähnt. Beide unterzeichnen. M stirbt.
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Einordnung des Falls
Anforderungen an ein gemeinschaftliches Testament
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Unterstellt die letztwilligen Verfügungen des Testaments sind wirksam, so wäre T enterbt.
Ja!
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2. Testamente können nur getrennt für eine einzelne Person errichtet werden (§§ 2265ff. BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Genügt das von M und E errichtete Testament den Formanforderungen des § 2267 BGB?
Ja, in der Tat!
4. Enthält das von M und E errichtete Testament letztwillige Verfügungen der E?
Nein!
5. Stellt das von M und E errichtete Testament ein wirksames gemeinschaftliches Testament dar, obwohl es keine letztwilligen Verfügungen der E enthält?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Ergibt die Auslegung, dass ein als gemeinschaftlich gewolltes Testament nur Verfügungen eines Ehegatten enthält, kann im Wege der Umdeutung (§ 140 BGB) ein Einzeltestament anzunehmen sein.
Ja, in der Tat!
7. Können die im „gemeinschaftlichen“ Testament getroffenen Verfügungen zugunsten von E und S in ein wirksames Einzeltestament des M umgedeutet werden?
Nein!
8. Da das Testament unwirksam ist, erben T, S und E jeweils ein Drittel von Ms Vermögen (§§ 1924 ff., §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jurista
21.10.2023, 01:10:08
Wäre eine Umdeutung zulässig, wenn M den Großteil des Testaments geschrieben hätte? Oder muss er auf Grund des Formerfordernisses alles komplett allein schreiben?
Vanilla Latte
25.10.2023, 10:54:52
Würde ich auch gerne wissen
Lay
25.10.2023, 17:38:43
Ich schätze mal, das würde nicht reichen, da ein Einzeltestament nach § 2247 ja auch vom Erblasser komplett handschriftlich verfasst werden muss. Bei einem öffentlichen Testament gem. § 2232 (Abs. 1 Alt. 2; bei Alt. 1 würde der Notar vermutlich verhindern, dass so ein Fall überhaupt eintritt XD) müsste die Umdeutung wegen Abs. 2 doch aber möglich sein?
Vanilla Latte
25.10.2023, 18:01:59
Klingt logisch, Danke! Habe mich auch gewundert, aber dachte dann, dass irgendein Fall ja möglich sein muss. Ansonsten könnte man bei gemeinschaftlichen Testamenten nie undeutlich.
Vanilla Latte
25.10.2023, 18:02:09
*umdeuten
Lukas_Mengestu
27.10.2023, 09:34:06
Hallo ihr beiden, eine Umdeutung kommt in der Tat eigentlich vor allem bei dem "Standardfall" des gemeinschaftlichen Testaments in Betracht, bei dem ein Partner das Testament verfasst und der andere nur noch unterzeichnet. Denn in diesem Fall hat er es ja komplett handschriftlich erstellt. Sofern sein mutmaßlicher Wille dahingehend auszulegen ist, dass trotz des fehlenden Beitritts des Partners die Verfügung aufrecht erhalten werden soll, so kann das gemeinschaftliche Testament umgedeutet werden (MüKoBGB/Musielak, 9. Aufl. 2022, BGB § 2267 Rn. 24). Eine Umdeutung des bloß mitunterzeichnenden Partners bzw. im Fall, dass beide schreiben, scheidet somit aus. Ein klassischer Umdeutungsfall ist übrigens, dass der mitunterzeichnende Partner nicht mehr testierfähig ist, als das gemeinschaftliche Testament errichtet wurde (OLG München, Beschluss vom 19. 5. 2010 - 31 Wx 38/10 = NJW-RR 2010, 1382). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
DerChristoph
16.11.2023, 15:22:38
In der Erklärung zur letzten Frage ist vom "Sohn S" die Rede, tatsächlich handelt es sich hier – zumindest nach dem Sachverhalt – aber um den Enkel, oder?
louoni
17.11.2023, 19:48:20
Sehe es auch so wie du, S ist der Enkel und deshalb von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Ich war auch kurz verwirrt!
Leo Lee
18.11.2023, 17:45:44
Hallo DerChristoph und louoni, vielen Dank für die Hinweise! Beachtet allerdings, dass im Erklärungstext zur letzten Frage steht, dass „Ihren Sohn“ sich auf die Person im vorigen Satz – also T – bezieht. Sprich, der Satz ist von der Warte der T aus geschrieben: T ist die Tochter, die IHREN Sohn ausschließt. Wir haben allerdings nochmal in Klammern ergänzt, dass S immer noch der Enkel von E und M ist, damit keine Verwirrungen mehr passieren :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Isabelle.Sophie
12.1.2024, 09:41:04
wie würde ich hier in der klausur vorgehen also welcher Anspruch wird geprüft? ich würde ja nicht lediglich die wirksamkeit des testaments unabhängig von einem anspruch prüfen…
Timurso
12.1.2024, 10:24:26
Entweder die Fallfrage fragt nicht nach einem Anspruch, sondern danach, wer die Erben des M geworden sind. Oder du prüfst es inzident im Pflichtteilsanspruch der T bzw. einem Anspruch nach § 2018 BGB.
ehemalige:r Nutzer:in
11.2.2024, 23:40:57
Was das Testament nicht formunwirksam schon wegen der Missachtung des 2267 S 2 durch den mitunterzeichnenden Ehegatten?
Timurso
12.2.2024, 11:54:07
Nein, § 2267 S. 2 BGB ist eine Soll-Vorschrift und hat bei Missachtung daher nicht die Unwirksamkeit des Testaments zur Folge.
Sustainable Finance
23.3.2024, 09:39:18
Hi! Das gemeinschaftliche Testament scheitert daran, dass keine Verfügungen der E enthalten sind. Muss eine solche Verfügung ausdrücklichen Niederschlag finden? ich habe mich gefragt, ob in der (konkludenten) Enterbung der T nicht auch eine Verfügung der E gesehen werden kann, sodass das gemeinschaftliche Testament doch wirksam errichtet wurde. Habe ich einen Denkfehler? lg
Merle_Breckwoldt
5.4.2024, 11:38:24
Hallo Sustainable Finance, die maßgeblichen (unwirksamen) Verfügungen sind hier die Erbeinsetzungen der E und S (gem. § 1937 BGB). Die Enterbung der T ginge, wären die Verfügungen wirksam, bloß notwendigerweise damit einher, ohne eine eigene Verfügung von Todes wegen darzustellen (vgl. § 1938 BGB). Aber: Auch unterstellt, die Enterbung hätte einen eigenen Verfügungscharakter (etwa, wenn das gesamte Testament i.S.d. § 1938 BGB nur Ts Enterbung enthalten würde), wäre sie nach § 133 BGB auszulegen und wir würden zu dem Ergebnis kommen, dass es sich nur um eine Verfügung des M über sein eigenes Vermögen handelt. Auch insoweit läge folglich kein wirksames gemeinschaftliches Testament vor, und ein Einzeltestament des M wäre formunwirksam! Ich hoffe, das hat geholfen. Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team, @[Lukas_Mengestu](136780)
jc1909
27.5.2024, 15:45:13
Vielleicht wäre es sinnvoll, explizit zu erwähnen, dass S der Sohn von T ist - er könnte ja genau so gut ihr Neffe sein und dann auch etwas erben.
Lukas_Mengestu
28.5.2024, 08:57:15
Hallo jc1909, vielen Dank für Deine Nachfrage! Eine Besonderheit bei Jurafuchs ist, dass die Illustrationen nicht nur nett anzusehen, sondern Bestandteil unserer Sachverhalte sind. Aus dem dort abgebildeten Stammbaum ergibt sich insoweit, dass S der Sohn von T und nicht (wie sonst in der Tat möglich) bloß ihr Neffe ist. Beste Grüße, LUkas - für das Jurafuchs-Team
MusterschüLAW
4.9.2024, 19:01:22
Ist E mangels Erwähnung nicht auch enterbt?