Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Familien- und Erbrecht
Unwirksames „testamentum mysticum“ – es genügt nicht, dass sich Erbe aus Anlage ergibt
Unwirksames „testamentum mysticum“ – es genügt nicht, dass sich Erbe aus Anlage ergibt
2. April 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F und M setzen sich durch gemeinschaftliches Testament wirksam gegenseitig als Erben ein. „Schlusserben: Freunde aus Anlage 7.“ Die ausgedruckte und datiert unterschriebene Anlage 7 nennt Fs engste Freunde X und Y. F stirbt. M setzt seine Tochter T als Alleinerbin ein. M stirbt.
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Einordnung des Falls
Unwirksames „testamentum mysticum“ – es genügt nicht, dass sich Erbe aus Anlage ergibt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Mit dem Tod der F ist M deren alleiniger Erbe geworden (§§ 1922, 1937, 2265ff. BGB)
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. X und Y könnten durch das gemeinschaftliche Testament als alleinige Erben des M bestimmt worden sein. Könnte M - bei unterstellter Wirksamkeit dieser Verfügung - dies durch Einsetzung der T als Alleinerbin widerrufen (§ 2254 BGB)?
Nein!
3. X und Y könnten alleinige Erben des M geworden sein. Dazu müsste neben der Erbeinsetzung des M auch ihre Erbeinsetzung durch gemeinschaftliches Testament wirksam sein (§§ 2267, 2247 BGB).
Genau, so ist das!
4. Die Einsetzung der Schlusserben X und Y ist schon deshalb formunwirksam, weil diese nicht innerhalb des gemeinschaftlichen Testaments, sondern in dessen Anlage 7 erfolgte (§§ 2267, 2247 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Anlage 7 entspricht jedoch für sich genommen nicht der Form der §§ 2267, 2247 BGB und kann daher nicht ohne Weiteres zur Auslegung der Verfügung herangezogen werden.
Ja!
6. Eine testamentarische Verfügung ist formunwirksam und damit nichtig, soweit sie auf eine formunwirksame externe Urkunde verweist (§ 125 S. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Der Wortlaut „Schlusserben: Freunde aus Anlage 7.“ ist ein für sich genommen hinreichend bestimmter Teil der Verfügung.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Der Wortlaut „Schlusserben: Freunde aus Anlage 7.“ ist auslegungsfähig und deutet das Auslegungsergebnis - Erbeinsetzung der formunwirksam benannten X und Y - zumindest versteckt an.
Nein!
9. Ist die Einsetzung von X und Y als Schlusserben formwirksam (§§ 2267, 2247 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Alleinerbin des M ist T (§§ 1922, 1937 BGB).
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jurafuchsles
5.7.2022, 08:28:40
Super Fall! Kommen bei Erbrecht noch Fälle zum Umgang mit dem Erbschein?

Lukas_Mengestu
5.7.2022, 14:05:02
Vielen lieben Dank, jurafuchsles. Weitere Aufgaben zum Erbschein stehen bereits auf unserer To-Do-Liste. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Tobias Rexler
5.7.2022, 10:45:12
Dem schließe ich mich an. Super Fall!

Lukas_Mengestu
5.7.2022, 14:11:39
Ganz lieben Dank, Tobias! Das leite ich gerne an den verantwortlichen Redakteur weiter :-)
cl@ra
5.7.2022, 21:34:26
Was ist genau der Grund dafür, dass M die T einsetzen konnte. Sagt man, dass keine Wechselbezüglichkeit vorliegt, weil es nunmal keine zweite wirksame Verfügung gibt und M daher von seiner Testierfreiheit normal
Gebrauch machenkann?

Nora Mommsen
20.7.2022, 12:29:51
Hallo cl@ra, es liegt eine wechselbezügliche Verfügung in der gegenseitigen Erbeinsetzung von F und M. Diese ist wie in der Lösung dargestellt aber auch formwirksam. Allerdings tritt die Bindungswirkung bezüglich der Erbenstellung des Letzterbenden nur ein, wenn auch diese letztwillige Verfügung formwirksam vereinbart wurde. Die Einsetzung von X und Y als jeweilige Schlusserben wurde aber nicht formwirksam vereinbart. Daher stand gar kein wechselbezüglich bestimmter Schlusserbe fest und M konnte T einsetzen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
cl@ra
20.7.2022, 13:14:48
Alles klar. Vielen Dank!
Philipp Paasch
5.7.2022, 23:32:52
Guten Abend liebes Jurafuchs-Team. In der 1. Frage befindet sein Fehler. Laut SV stirbt M, darum kann M nicht Alleinerbe der F werden.

Lukas_Mengestu
12.7.2022, 13:31:46
Hallo Phillipp, hier ist die zeitliche Reihenfolge wichtig. Zunächst ist F gestorben. M hat sie beerbt. Anschließend ist M gestorben und nun stellt sich die Frage, wer M beerbt. Insoweit ist die erste Frage durchaus korrekt, da sie auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem F bereits gestorben ist, M aber noch lebt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

falktghl
1.1.2024, 11:13:17
M.E. bloße Förmelei des BGH: Auch wenn XY nicht richtig eingesetzt wurden, wurde T mE richtig enterbt, denn Freunde =\= Tochter. Es scheint mir als hätte der BGH einfach Mitleid mit der Tochter gehabt und die Testierfreiheit der M missachtet.

DerChristoph
12.7.2024, 07:35:20
Ich habe über diesen Gedanken auch kurz nachgedacht, aber: Auch die Enterbung erfolgt nach § 1938 BGB durch Testament. Mithin muss auch die testamentarische Enterbung (u.a.) der Vorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB genügen, sodass hier M auch nicht wirksam enterbt wurde.

Edward Hopper
8.12.2024, 23:20:10
Das Ergebnis ist meiner Meinung nach unbefriedigend. Man muss sich vorstellen F war ihr Leben lang in der Testierfreiheit eingeschränkt das Prinzip gemeinschaftliches Testament macht ja nur Sinn da man weiß man kann es nicht ändern aber wenigstens im Ergebnis ist der/die Schlusserbe, Erbe. Vorliegend hat F das Negative von beiden erhalten. Sie konnte nicht zu Lebzeiten widerrufen (zumindest dachte sie das) und als Gegenleistung werden die Freunde nicht Schlusserbe.
Trowa Barton
26.12.2024, 09:21:45
Hallo Edward, kann sein, dass ich deine Ausführungen falsch verstehe, aber F konnte zu Lebzeiten mit M zusammen ihre Verfügung ändern. Solange beide lebten, ist eine Anpassung also möglich gewesen. Im Übrigen gilt auch hier weiterhin: Wer rechtlich wasserdicht agieren will, sollte zum Fachmann gehen. Du beschwerst dich doch auch nicht, dass der Motor deines Autos unrund läuft, nachdem du als ungelernter daran gearbeitet hast, statt es in eine Werkstatt zu bringen.