Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die ZVR-Klausur

„Verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“

Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Herausgabe des Erlöses – einschränkende Korrektur

Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Herausgabe des Erlöses – einschränkende Korrektur

22. Februar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S hat die titulierte Forderung des G gegen sie bereits bezahlt. Dennoch wird auf Gs Antrag hin S' Klavier wirksam gepfändet und versteigert. Nachdem G den Erlös und S die vollstreckbare Ausfertigung erhalten hat, erhebt S Klage gegen G auf Erlösherausgabe.

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Einordnung des Falls

Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Herausgabe des Erlöses – einschränkende Korrektur

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. I.R.v. S' „verlängerter Vollstreckungsabwehrklage“ kommt es zunächst darauf an, ob S einen Anspruch auf Erkösherausgabe gegen G hat. Ist der Tatbestand von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB erfüllt?

Ja, in der Tat!

Der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB hat folgende Voraussetzungen: (1) Etwas erlangt (2) In sonstiger Weise (nicht durch Leistung) (3) Auf Kosten des Bereicherungsgläubigers (= Eingriff) (4) Ohne Rechtsgrund. G hat Eigentum an dem Erlös erlangt ( § 815 Abs. 1 ZPO). Das Eigentum der S setzte sich nach § 1247 S. 2 BGB analog am Erlös für das Klavier fort. Somit wurde zunächst S Eigentümerin des von M gezahlten Erlöses. Mit der anschließenden Erlösauskehr erwarb G das Eigentum damit „auf Kosten der S“. Mangels „materiellen Befriedigungsrechts“ hat G den Erlös „ohne Rechtsgrund“ erlangt. Die kleinteilige Prüfung von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB findest Du im vorherigen Fall.
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2. Die „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage darf nicht weiter gehen, als die „normale“ Vollstreckungsabwehrklage. Ist es daher egal, ob eine rechtzeitig erhobene Vollstreckungsabwehrklage der S begründet gewesen wäre?

Nein!

Auch wenn ein Erlösherausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB tatbestandlich erfüllt ist, kann ein dahingehender Anspruch aus Wertungsgesichtspunkten dennoch ausscheiden. Denn eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ darf letztendlich nur dann Erfolg haben, wenn auch eine hypothetisch rechtzeitig erhobene „normale Vollstreckungsabwehrklage“ begründet gewesen wäre. Dies soll widersprüchliche Ergebnisse vermeiden. Wenn schon die „normale Vollstreckungsabwehrklage“ keinen Erfolg gehabt hätte, muss dies auch für die „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ gelten. Entscheidend ist allein, ob eine „normale Vollstreckungsabwehrklage“ begründet gewesen wäre. Nicht von Bedeutung ist rückblickend dagegen, ob sie auch zulässig gewesen wäre. Wie Du die Begründetheit der Vollstreckungsabwehrklage prüfst, kannst Du [s1285]hier[/s ] wiederholen.

3. Die Begründetheit einer Vollstreckungsabwehrklage setzt zunächst voraus, dass die Parteien sachbefugt sind (§ 767 Abs. 1 ZPO). Wäre dies vorliegend der Fall gewesen?

Genau, so ist das!

Eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs. 1 ZPO) ist begründet, wenn die Sachbefugnis besteht, der Kläger eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch hat und diese nicht präkludiert ist (§ 767 Abs. 2 ZPO). Die Sachbefugnis ist gegeben, wenn der Kläger als Vollstreckungsschuldner und der Beklagte als Vollstreckungsgläubiger im Titel genannt ist. Der Titel benennt den G als Vollstreckungsgläubiger und den S als Vollstreckungsschuldner. Dies war auch schon vor Beendigung der Zwangsvollstreckung so. Bei einer hypothetisch rechtzeitig durch S erhobenen „normalen Vollstreckungsabwehrklage“ hätte die Sachbefugnis also bestanden.

4. S müsste vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch gehabt haben. War dies der Fall?

Ja, in der Tat!

Eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs. 1 ZPO) ist begründet, wenn die Sachbefugnis besteht, der Kläger eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch hat und diese nicht präkludiert ist (§ 767 Abs. 2 ZPO). Als das Klavier des S gepfändet wurde, hatte S die titulierte Forderung bereits beglichen. S hatte eine materiell-rechtliche Einwendung (Erfüllungseinwand, § 362 BGB) gegen den titulierten Anspruch.

5. Zuletzt darf der materiell-rechtliche Einwand nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert gewesen sein. Wäre der Erfüllungseinwand des S präkludiert gewesen?

Nein!

Nach § 767 Abs. 2 ZPO ist eine materiell-rechtliche Einwendung präkludiert, wenn die Tatsachen, auf denen sie beruht, schon zum Zeitpunkt des Erkenntnisverfahrens gegeben waren und die Einwendung daher dort schon hätte geltend gemacht werden können. S hat die Forderung des G erst bezahlt, als diese schon tituliert war bzw. nachdem das Erkenntnisverfahren beendet war. Der Erfüllungseinwand ist daher nicht präkludiert. Eine rechtzeitig erhobene Vollstreckungsabwehrklage wäre somit begründet gewesen. S kann damit den Erlösherausgabeanspruch erfolgreich mit der „verlängerten Vollstreckungsabwehrklage“ geltend machen. Die erläuterte „Korrektur“ sollte Dir ebenfalls bereits im Zusammenhang mit der „verlängerten Drittwiderspruchsklage“ bekannt vorkommen. Die Aufgaben dazu findest Du hier.
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