Verspätung der Urteilsgründe - zu den Akten bringen, § 275 Abs. 1 StPO

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird am 08.01.2024 nach nur einem Prozesstag verurteilt. Der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle auf dem schriftlichen Urteil ist auf den 31.01.2024 datiert. Der schusslige Urkundsbeamte U hatte aber die Akte verlegt, weshalb er das Urteil erst am 08.03.2024 in die Akte abheftet.

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Einordnung des Falls

Verspätung der Urteilsgründe - zu den Akten bringen, § 275 Abs. 1 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vorliegend musste das Urteil innerhalb von fünf Wochen zu den Akten gebracht werden (§ 275 Abs. 1 S. 1 StPO).

Ja!

Dass das Urteil inklusive der Gründe vollständig ins Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen wird (§ 275 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StPO), kommt in der Praxis quasi nicht vor. Dann muss es jedoch unverzüglich, spätestens aber fünf Wochen nach Verkündung bei der Akte sein (§ 275 Abs. 1 S. 1, 2 StPO). Die Frist verlängert sich, wenn die Verhandlung länger als drei Tage dauert (§ 275 Abs. 1 S. 2 StPO, lesen!). Die Frist darf nur überschritten werden, wenn das Gericht durch einen nicht vorhersehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert wurde (§ 275 Abs. 1 S. 4 StPO).Da das Urteil am ersten Prozesstag gefällt wurde, musste es innerhalb von fünf Wochen, also am 12.02.2024 bei der Akte sein.
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2. Zu den Akten gebracht ist das Urteil zu dem Zeitpunkt, als U es abheftete.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zu den Akten gebracht ist das Urteil, wenn es jedenfalls in der Weise auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht worden ist, dass es - mit allen erforderlichen Unterschriften - im Dienstzimmer des Richters an dafür vorgesehener Stelle zum Abtragen bereitgelegt wird. Dies ist im Freibeweisverfahren zu ermitteln.Das Abheften des Urteils durch den U hat also für die Einhaltung der Frist des § 275 Abs. 1 StPO keine Bedeutung.Man stellt auf das Handeln des Richters ab, da die Frist des § 275 StPO sicherstellen soll, dass die Urteilsberatung nicht so lange zurückliegt, dass die Erinnerung der Richter daran bereits schwindet und die schriftlichen Urteilsgründe möglicherweise nicht mehr dem entsprechen, was Ergebnis der Beratung war. Dann stünde das Urteile auf unsicherer Grundlage. Wurde das Urteil zur Geschäftsstelle auf den Weg gebracht, besteht diese Gefahr nicht mehr.

3. Vorliegend wurde das Urteil zu spät zu den Akten gebracht (§ 275 Abs. 1 S. 1, 2 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Zu den Akten gebracht ist das Urteil, wenn es jedenfalls in der Weise auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht worden ist, dass es - mit allen erforderlichen Unterschriften - im Dienstzimmer des Richters an dafür vorgesehener Stelle zum Abtragen bereitgelegt wird. Dann ist dem Zweck des § 275 Abs. 1 StPO genüge getan. Dies wird im Freibeweisverfahren, etwa durch Einholung dienstlicher Stellungnahmen der Richter, ermittelt. Häufig ergibt sich die Einhaltung der Frist aber auch aus dem Eingangsvermerk der Geschäftsstelle (vgl. § 275 Abs. 1 S. 5 StPO).Da die Frist am 12.02.2024 ablief und das Urteil sogar am 31.01.2024 bereits bei der Geschäftsstelle einging, war die Frist trotz Us Versäumnis eingehalten. Eine Revision könnte nicht auf eine Verletzung des § 275 Abs. 1 StPO gestützt werden.
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