Fehlen der Urteilsgründe - Teilweises Fehlen der Urteilsgründe

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Betrugs in 50 Fällen (§ 53 StGB) zu einer Gesamtstrafe verurteilt. Das Urteil wird fristgerecht zur Akte gebracht. As Verteidiger fällt nach Zustellung des Urteils auf, dass die Urteilsgründe über zwei der Tatkomplexe kein Wort verlieren. Er erhebt Verfahrensrüge.

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Einordnung des Falls

Fehlen der Urteilsgründe - Teilweises Fehlen der Urteilsgründe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Urteil muss vollständig zur Akte gebracht werden (§ 275 Abs. 1 S. 1 StPO. Ist dies hier geschehen?

Nein!

Vollständig zur Akte gebracht ist das Urteil erst, wenn es mit Rubrum, Tenor, Begründung und Unterschriften bei der Akte ist. Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen vollständig und wahrheitsgetreu angeben (vgl. § 267 Abs. 1 S. 1 StPO).Da hier Ausführungen zu zwei der Tatkomplexe im Urteil gänzlich fehlen, sind die Urteilsgründe nicht vollständig verschriftlicht zur Akte gelangt. Damit liegt ein Verstoß gegen § 275 Abs. 1 S. 1, 2 StPO und damit ein Verfahrensfehler vor.
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2. § 338 Nr. 7 StPO ist einschlägig, wenn das Urteil gar keine Entscheidungsgründe enthält. Greift die Vermutungswirkung hier, obwohl nur ein Teil der Gründe fehlt?

Genau, so ist das!

Das Urteil ist ordnungsgemäß zu den Akten gebracht, wenn es eine Begründung enthält und von allen Richtern unterschrieben ist. Fehlen die Gründe nur teilweise oder sind mangelhaft, ist dies grundsätzlich b>kein Fall von § 338 Nr. 7 StPO. Hier kann eine Verfahrensrüge nach § 337 StPO oder die Sachrüge erhoben werden. Anders ist dies aber, wenn die Begründung für abtrennbare Tatkomplexe, also einen in sich abgeschlossenen Teil des Urteils, völlig fehlt. Dies kann nicht anders beurteilt werden, als wenn der Komplex allein abgeurteilt wird und die Begründung vollständig fehlt.Da hier die Begründung für einzelne, in sich abtrennbare Tatkomplexe komplett fehlt, greift die Vermutungswirkung des § 338 Nr. 7 StPO.Auch hier kann natürlich ebenfalls die (einfachere) Sachrüge in Form der Darstellungsrüge erhoben werden, da die Prüfungsgrundlage für das Revisionsgericht fehlt.

3. Das Urteil mitsamt der Gründe ist auf die Verfahrensrüge hin in Gänze aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Urteil unterliegt nur der Teilaufhebung im Hinblick auf die Taten, bei denen die Urteilsgründe fehlen (§ 354 Abs. 2 StPO), da es sich um einen abtrennbaren Teil des Urteils handelt (vgl. § 353 Abs. 1 StPO, „soweit”). Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht zwar die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen und Einzelstrafen zu den ordnungsgemäß begründeten Taten bleiben dagegen unberührt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

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jurafuchsles

9.9.2024, 13:05:29

was wäre in so einem Fall Tenor des Revisionsgerichts? ich fände es sehr hilfreich, wenn ihr das immer dazumachen würdet, dann lernt man das immer gleich mit in den „spezielleren Fällen“.


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