„gelockerte“ Unrechtsvereinbarung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V ist im Vorstand des Energieunternehmens E, einem Hauptsponsor der Herren-Fußball-WM. Er sendet an den Ministerpräsidenten und fünf Minister Baden-Württembergs je zwei Eintrittskarten zu einem Spiel. Sie alle hätten auch so freien Eintritt mit Begleitung zu dem Spiel gehabt.

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Einordnung des Falls

„gelockerte“ Unrechtsvereinbarung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V könnte sich nach § 333 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, in dem er dem Ministerpräsidenten und den fünf Ministern die Tickets schickte.

Ja!

Objektive Tatbestandsvoraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 333 Abs. 1 StGB sind: (1) Täter: Jedermann (2) Vorteilsnehmer: Amtsträger etc. (3) Tatobjekt: Vorteil für diesen oder einen Dritten (4) Tathandlung: Anbieten, Versprechen oder Gewähren (5) Dienstausübung (6) Unrechtsvereinbarung B müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Handelt es sich bei dem Ministerpräsident und den Ministern des Landes Baden-Württembergs um Personen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2b StGB)?

Genau, so ist das!

Ein öffentlich-rechtlich Amtsverhältnis im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2b StGB ist ein Rechtsverhältnis gegenüber dem Staat oder ihm nachgeordneten Rechtssubjekten, das einem Beamtenverhältnis hinsichtlich der Dienst- und Treuepflichten des Amtsinhabers ähnelt.Als Mitglieder der Landesregierung in Baden-Württemberg stehen der Ministerpräsident und die Minister in einem Rechtsverhältnis gegenüber dem Land, welches einem Beamtenverhältnis ähnliche Dienst- und Treuepflichten beinhaltet.

3. Weil der Ministerpräsident und die Minister auch so kostenlos zum Spiel hätten gehen können, sind die Tickets keine Vorteile im Sinne des § 333 Abs. 1 StGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Vorteil ist jede Leistung materieller oder immaterieller Art, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert.Die Tickets stellen materielle Leistungen dar, auf die die Amtsträger keinen Anspruch hatten. Zwar hätten sie auch so freien Eintritt mit Begleitung zu dem Spiel gehabt. Hypothetische Erwägungen sind aber für den Begriff des Vorteils nicht relevant.

4. Der § 333 Abs. 1 StGB verlangt eine „strikte“ Unrechtsvereinbarung dergestalt, dass der Amtsträger den Vorteil für eine konkrete Diensthandlung bekommen soll.

Nein!

Im Rahmen des § 333 Abs. 1 StGB (ebenso spiegelbildlich bei § 331 Abs. 1 StGB) ist lediglich eine „gelockerte“ Unrechtsvereinbarung erforderlich. Die Dienstausübung muss dabei nicht einmal in groben Umrissen konkretisiert sein. Zwischen der Tatbestandshandlung und der Dienstausübung muss lediglich ein Beziehungsverhältnis dergestalt bestehen, dass der Vorteil dem Amtsträger als Gegenleistung für die Dienstausübung zufließen soll. Es ist ein Äquivalenz- und Gegenseitigkeitsverhältnis nötig.

5. Ob eine „gelockerte“ Unrechtsvereinbarung vorliegt, ist nach einer Gesamtschau der Umstände zu beurteilen.

Genau, so ist das!

Für die Unrechtsvereinbarung ist nötig, dass der Vorteil ein Äquivalent für die Dienstausübung ist. Ein solches Äquivalenzverhältnisses wird nach einer Gesamtschau der Umstände beurteilt. Zu den Indizien für eine Unrechtsvereinbarung gehören die Plausibilität anderer Zielsetzungen, die Vorgehensweise bei dem Angebot und der Grad der Heimlichkeit, die Beziehung des Vorteilsgebers zu den dienstlichen Aufgaben des Amtsträgers, sowie Art, Wert und Zahl der Vorteile.Der Ministerpräsident und die Minister hätten ohnehin Zutritt zu den Spielen gehabt. V sei auch offen vorgegangen. Wert und Zahl der erlangten Vorteile, sowie die Vorgehensweise spricht nach Ansicht des BGH deswegen hier gegen das Vorliegen eines Gegenseitigkeitsverhältnisses und damit gegen eine Unrechtsvereinbarung. V hat sich folglich nicht nach § 333 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
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