Referendariat

Die ZVR-Klausur

Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO

Formelle Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels – fehlende Zustellung eines Versäumnisurteils (§ 310 Abs. 3 ZPO)

Formelle Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels – fehlende Zustellung eines Versäumnisurteils (§ 310 Abs. 3 ZPO)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K wurde von B auf Zahlung von €1.500 verklagt. Da K im schriftlichen Vorverfahren seine Verteidigungsbereitschaft nicht anzeigt, ergeht gegen K Versäumnisurteil. Dieses wird K aber nicht zugestellt. Gegen die dennoch von B betriebene Zwangsvollstreckung möchte K daher gerichtlich vorgehen. ‌

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Einordnung des Falls

Formelle Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels – fehlende Zustellung eines Versäumnisurteils (§ 310 Abs. 3 ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Urteile sind grundsätzlich erst dann wirksam, wenn sie verkündet und zugestellt wurden.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet (§ 310 Abs. 1 S. 1 ZPO) und anschließend zugestellt (§ 317 Abs. 1 S. 1 ZPO). Wirksamkeit erlangt ein Urteil jedoch grundsätzlich bereits mit dessen Verkündung. Die Zustellung eines Urteils löst dagegen regelmäßig nur den Lauf der Rechtsmittelfristen aus (Bsp.: § 517 ZPO, § 339 ZPO).
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2. Ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ist erst ab Zustellung wirksam.

Ja!

Ein Urteil ist grundsätzlich bereits ab dessen Verkündung wirksam. Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet (§ 310 Abs. 1 S. 1 ZPO). Ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO ergeht jedoch ohne mündliche Verhandlung, weshalb keine Verkündung nach § 310 Abs. 1 ZPO möglich ist. Aus diesem Grund ordnet § 310 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO an, dass in diesem Fall die Verkündung des Urteils durch dessen Zustellung ersetzt wird. Ein solches Urteil ist also ausnahmsweise erst ab Zustellung wirksam. ‌

3. Ist zur Abwehr der Zwangsvollstreckung hier eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs. 1 ZPO) statthaft?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft, wenn der Kläger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend macht (§ 767 Abs. 1 ZPO). K möchte gerichtlich gegen die Zwangsvollstreckung vorgehen, weil ihm das Versäumnisurteil nicht zugestellt wurde. Da ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erst ab dessen Zustellung wirksam ist (§ 310 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO), hat K folglich Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels, aus dem B vollstreckt, nicht aber gegen den titulierten Anspruch. Hierfür ist die Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog der statthafte Rechtsbehelf. Bei Urteilen, die bereits mit Verkündung wirksam werden, kann die fehlende Zustellung des Titels dagegen nur durch eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) geltend gemacht werden. Denn dann liegt nur ein Verstoß gegen § 750 ZPO bzw. die richtige Art und Weise der Zwangsvollstreckung vor. (Zustellung = Vollstreckungsvoraussetzung).

4. Das Gericht, das das Versäumnisurteil erlassen hat, ist auch für Ks Titelgegenklage zuständig.

Ja, in der Tat!

Eine Titelgegenklage wird auf § 767 Abs. 1 ZPO analog gestützt. Wie auch für die Vollstreckungsabwehrklage folgt deshalb auch für eine Titelgegenklage die Zuständigkeit aus § 767 Abs. 1 ZPO. Das Prozessgericht ist dabei dasjenige Gericht, welches den Titel, dessen Wirksamkeit der Kläger anzweifelt, hervorgebracht hat. K hat Einwendungen gegen die Wirksamkeit des gegen ihn erlassenen Versäumnisurteils. Das Gericht, dass das Versäumnisurteil erlassen hat, ist auch für eine gegen dessen Wirksamkeit gerichtete Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog zuständig.

5. Ist die Klage begründet?

Ja!

Eine Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog ist begründet, wenn die Parteien sachbefugt sind und der Vollstreckungstitel unwirksam oder wirkungsgemindert ist. Ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ist erst ab dessen Zustellung wirksam (§ 310 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO). Das Versäumnisurteil benennt K als Vollstreckungsschuldner und B als Vollstreckungsgläubiger, somit liegt die Sachbefugnis vor. Es wurde K nicht zugestellt und ist daher unwirksam. Eine Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog ist daher begründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DEKU

Deku

23.8.2024, 11:25:21

Laut Thomas/Putzo: Klauselerinnerung nach § 732 ZPO müsste hier statthaft sein. Titelgegenklage ist statthaft bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den Titel selbst. Klauselerinnerung bei Einwendungen formeller Art wie mangelnde Verkündung bzw Zustellung, die beim VU (im schriftlichen Vorverfahren) die Verkündung ersetzt, §

310 III ZPO

. Maßgeblich für die Existenz d. VU ist die letzte Zustellung. Th/P § 732 Rn. 1 u. 7 sowie

NI

NitschPotato

15.10.2024, 17:51:13

Habe mich auch bereits gefragt, weshalb hier keine Klauselerinnerung statthaft sein sollte. Zumindest im T/P ist es m.E. recht eindeutig formuliert. Wäre super, wenn das jemand aufklären könnte 👍🏻


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