Referendariat

Die ZVR-Klausur

Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO

Materielle Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels - Unwirksamkeit eines Urteils bei anschließender Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 S. 1 HS 2 ZPO)

Materielle Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels - Unwirksamkeit eines Urteils bei anschließender Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 S. 1 HS 2 ZPO)

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf die Klage des B hin wird K zur Zahlung von €2000 an B verurteilt. Hiergegen legt K Berufung ein, woraufhin B die Klage mit Einwilligung des K zurücknimmt. Als B dennoch die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil betreibt, erhebt K Klage.

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Einordnung des Falls

Materielle Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels - Unwirksamkeit eines Urteils bei anschließender Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 S. 1 HS 2 ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klagerücknahme durch B ist wirksam.

Ja, in der Tat!

Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden (§ 269 Abs. 1 ZPO). Auch danach kann sie aber mit Zustimmung des Beklagten noch zurückgenommen werden. B hat die Klage nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens und somit nach Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Klagerücknahme bedurfte somit der Einwilligung des K. K hat eine entsprechende Einwilligung erteilt.
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2. Im Falle einer wirksamen Klagerücknahme im Berufungsverfahren muss das Gericht das erstinstanzliche Urteil aufheben.

Nein!

Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO). Bei Prozessvergleichen wird § 269 Abs. 3 S. 1 HS 2 analog angewendet. Hieraus ergibt sich, dass auch ein Prozessvergleich, der nach Abschluss der ersten Instanz zustande kommt, die Wirksamkeit des erstinstanzlichen Urteils entfallen lässt. Der Prozessvergleich hat in diesem Fall also nicht nur wie üblich eine „prozessbeendigende“, sondern darüber hinaus auch eine „titelvernichtende“ Wirkung.

3. K kann sich gegen die Zwangsvollstreckung mit einer Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog wehren.

Genau, so ist das!

Eine Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog ist statthaft, wenn der Kläger Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels hat. Nach § 269 Abs. 3 S. 1 HS 2 ZPO wird im Falle einer Klagerücknahme ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. B hat seine Klage wirksam zurückgenommen. Dadurch wurde das erstinstanzliche Urteil unwirksam. K hat folglich eine Einwendung gegen die Wirksamkeit des Titels, aus dem B die Zwangsvollstreckung betreibt.

4. Die Zuständigkeit des Gerichts für die Titelgegenklage richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 12ff., §§ 23, 71 GVG).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Vollstreckungsabwehrklage ist in § 767 Abs. 1 ZPO geregelt. Hiernach ist für eine Vollstreckungsabwehrklage das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig. Eine Titelgegenklage wird auf § 767 Abs. 1 ZPO analog gestützt. Auch für eine Titelgegenklage ist somit das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig. ‌

5. Besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für Ks Titelgegenklage?

Ja!

Genauso wie bei einer Vollstreckungsabwehrklage besteht bei einer Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog das Rechtsschutzbedürfnis dann, wenn die Zwangsvollstreckung droht oder schon begonnen hat und noch nicht beendet ist. Die Zwangsvollstreckung droht ab Erlass des Titels. Denn bereits dann muss der Schuldner mit der Zwangsvollstreckung rechnen. K wurde zur Zahlung von €2.000 an B verurteilt. Gegen ihn wurde folglich ein Titel erlassen.

6. Ist die Titelgegenklage begründet?

Genau, so ist das!

Eine Titelgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO analog ist begründet, wenn (1) die Parteien sachbefugt sind und (2) der Vollstreckungstitel unwirksam oder wirkungsgemindert ist. Zu 1: Die Sachbefugnis besteht grundsätzlich, wenn der Titel den Kläger als Vollstreckungsschuldner und den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger benennt. Auf die Klage des B hin wurde K zur Zahlung von €2000 an B verurteilt. Dieses erstinstanzliche Urteil benennt folglich K als Vollstreckungsschuldner und B als Vollstreckungsgläubiger. Aufgrund der wirksamen Klagerücknahme durch B ist das Urteil aber unwirksam. § 767 Abs. 2 ZPO findet im Rahmen einer Titelgegenklage dagegen keine Anwendung. Dies bedeutet, dass die Einwendungen des Klägers gegen die Wirksamkeit des Titels nicht präkludieren können.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

3.10.2024, 15:00:14

Kann ich die Klagerücknahme also auch noch nach Urteilsverkündung machen, sofern der Beklagte zustimmt oder verstehe ich die Aufgabe falsch?

Sinan

Sinan

24.10.2024, 17:51:14

Ja, die gesamte Klage kann zurückgenommen werden, solange der Rechtsstreit noch anhängig ist, bspw. in der Berufungsinstanz.


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