Zu welchem Auslegungsergebnis kommst Du? (1)

23. Juni 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lawra (L) und Clara (C) sind nun seit einer Weile ein Paar. C möchte bei L einziehen. L fragt sich, ob sie dazu die Erlaubnis ihrer Vermieterin V braucht. Der Mietvertrag enthält keinerlei Regelung dazu. L will die Antwort mit Hilfe der Auslegung finden.

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Einordnung des Falls

Zu welchem Auslegungsergebnis kommst Du? (1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L schaut sich zunächst den Wortlaut des Gesetzes an. Spricht der Wortlaut von § 540 Abs. 1 BGB sowie § 553 Abs. 1 BGB dafür, dass V dem dauerhaften Einzug von C zustimmen muss?

Genau, so ist das!

§ 540 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter zur Gebrauchsüberlassung an Dritte, also Personen, die nicht selbst Vertragspartei sind, die Erlaubnis des Vermieters braucht. § 553 Abs. 1 BGB regelt einen Anspruch auf Erlaubnis, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Überlassung hat. Der Gesetzeswortlaut geht also grundsätzlich von einem Erlaubnisvorbehalt aus. Nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes muss L die Erlaubnis der V einholen. § 553 BGB ist keine Ausnahme von § 540 Abs. 1 BGB, sondern eine Erweiterung zugunsten des Mieters: Wenn ein berechtigtes Interesse besteht, muss der Vermieter in der Regel zustimmen – kann dies aber bei Vorliegen wichtiger Gründe verweigern. Ein solches Interesse könnte im Einzug einer festen Lebenspartnerin durchaus liegen.
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2. L lässt sich vom Wortlaut der mietrechtlichen Vorschriften nicht abschrecken und schaut ins Grundgesetz. Können verfassungsrechtliche Regelungen grundsätzlich Einfluss darauf haben, wie man einfaches Recht auslegt?

Ja, in der Tat!

Gesetze muss man so auslegen, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht (z.B. dem Grundgesetz) stehen. Die verfassungskonforme Auslegung verlangt daher, dass man Gesetze im Lichte der Grundrechte interpretiert. Dies gilt umso mehr, wenn mehrere Auslegungsvarianten möglich sind. Wenn Familienmitglieder zusammenziehen wollen, führt die verfassungskonforme Auslegung im Lichte des Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) dazu, dass keine Erlaubnis nach § 540 BGB erforderlich ist.Ein Ehepartner oder Kind wird nach der verfassungskonformen Auslegung i.S.v. Art. 6 GG i.d.R. nicht als „Dritter“ im Sinne von § 540 BGB betrachtet, sodass es keiner Erlaubnis der Vermieterin bedarf. Bei C handelt es sich jedoch „nur“ um eine Partnerin. Es besteht gerade keine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft. Art. 6 GG schützt solche Beziehungen nicht ausdrücklich.

3. Lawra gibt nicht auf und schaut sich die Systematik des Gesetzes an. Legt § 563 Abs. 2 S. 4 BGB nahe, dass eine Lebenspartnerin – ohne Erlaubnis nach § 540 BGB – zu Lebzeiten der Mieterin mit einziehen darf?

Nein!

§ 563 Abs. 2 S. 4 BGB betrifft den Fall, dass bei Tod des Mieters bestimmte Personen in das Mietverhältnis eintreten. Hier heißt es, dass auch Lebensgefährtinnen zu den Eintrittsberechtigten zählen können. Das zeigt, dass der Gesetzgeber Lebensgemeinschaften berücksichtigt – aber eben nur in einem ganz bestimmten Sonderfall (nach dem Tod). Die Vorschrift äußert sich gerade nicht zu der Situation der Aufnahme in die Mietwohnung zu Lebzeiten und/oder einer Erlaubnispflicht. Sie hilft deswegen bei der Auslegung von § 540 BGB nicht weiter.Auch nach der systematischen Auslegung muss L die Erlaubnis der Vermieterin einholen, damit C bei L einziehen kann Für den hier relevanten Fall des geplanten Einzugs zu Lebzeiten des Mieters gibt es keine planwidrige Regelungslücke, sodass § 563 BGB auch nicht analog auf § 540 BGB übertragen werden kann.

4. Muss L nach alledem also die Erlaubnis ihrer Vermieterin einholen?

Genau, so ist das!

Nach Wortlaut, Systematik und verfassungskonformer Auslegung gilt: Die dauerhafte Aufnahme der Freundin C ist eine Gebrauchsüberlassung an Dritte im Sinne von § 540 Abs. 1 BGB. Lawra braucht grundsätzlich die Erlaubnis der Vermieterin. Sie hat jedoch nach § 553 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zustimmung, wenn sie ein berechtigtes Interesse nachweist – etwa durch eine auf Dauer angelegte Partnerschaft und gemeinsame Lebensführung. In der Regel wird V also zustimmen müssen – kann aber bei triftigen Gründen (z.B. Überbelegung, Störung anderer Mieter) ablehnen.
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