Gewährung der Öffentlichkeit - Grundfall II

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor Strafrichterin C verurteilt. Da an jenem Tag absehbar Raummangel herrscht, findet die Verhandlung im kleinen Dienstzimmer der C statt. Neben den Verfahrensbeteiligten findet nur noch Student S, der den Verteidiger begleitet, Platz. Drei Personen haben keinen Sitzplatz.

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Einordnung des Falls

Gewährung der Öffentlichkeit - Grundfall II

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist schon deshalb verletzt, weil die Verhandlung nur in einem Sitzungssaal des Gerichts stattfinden darf (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG).

Nein!

Gewährung der Öffentlichkeit bedeutet insbesondere, dass jedermann aus dem Publikum im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten der Zutritt eröffnet wird. Solange diese Vorgaben eingehalten sind, kann auch in anderen Räumen als dem Sitzungssaal verhandelt werden. Gerade bei Platzmangel im Gebäude ist auch das Verhandeln im Dienstzimmer des Richters möglich. Es ist aber erforderlich, dass Zuhörer in einer Anzahl Platz finden, die sie als Repräsentanten einer keiner besonderen Auswahl unterliegenden Öffentlichkeit erscheinen lässt.
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2. Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist hier gewahrt, da neben den Verfahrensbeteiligten auch S an der Verhandlung teilnehmen konnte (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Wahrung der Öffentlichkeit müssen im Saal Zuhörer in einer Anzahl Platz finden, die sie als Repräsentanten einer keiner besonderen Auswahl unterliegenden Öffentlichkeit erscheinen lässt.Zwar ist S Repräsentant der Allgemeinheit, da er gerade nicht Verfahrensbeteiligter ist. Jedoch fanden schon die Verfahrensbeteiligten selbst im Zimmer kaum Platz, einige mussten sogar stehen. S wohnte dem Prozess nur bei, da er zufälligerweise den Verteidiger zum Termin begleitete, wodurch seine Anwesenheit als einziger Nichtbeteiligter durch besondere Auswahl begründet scheint. Schon unabhängig von den psychischen Barrieren für Außenstehende, einen so vollen Verhandlungsort zu betreten, war hier von vorneherein kein vertretbarer Platz für Zuschauer gegeben und die Öffentlichkeit damit verletzt.

3. Liegt ein Verschulden des Gerichts im Hinblick auf die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes vor.

Ja, in der Tat!

Revisibel ist die Verletzung der Öffentlichkeit nach § 169 Abs. 1 S. 1 GVG nur, wenn sie auf ein Verschulden des Gerichts zurückzuführen ist, also in dessen Verantwortungsbereich fällt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Gericht durch Anordnung die Öffentlichkeit unzulässig beschränkt.Es liegt in der Verantwortung des Gerichts, die Sache zu terminieren. Insbesondere war es auch absehbar, dass an jenem Tag Raummangel herrschen würde. Es ist nicht ersichtlich, dass kein anderer Termin gefunden werden konnte, oder wenn schon nicht in einem Verhandlungssaal, zumindest in einen größeren Raum im Gericht verhandelt werden konnte. Falls nötig ist sogar eine Verhandlung außerhalb des Gerichts angezeigt. Das Gericht hat also durch seine Anordnung die Öffentlichkeit unzulässig beschränkt.

4. Hätte eine von A eingelegte Revision Aussicht auf Erfolg?

Ja!

Das Beruhen des Urteils auf der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes wird nach § 338 Nr. 6 StPO vermutet. Sofern A ordnungsgemäß Verfahrensrüge erhebt (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO), dürfte er in der Revision Erfolg haben.
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