Sitzungsöffentlichkeit bei Ortsterminen

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Amtsgericht verurteilt. Am ersten Prozesstag hatte das Gericht verkündet, der Prozess werde „an der Tatörtlichkeit” fortgesetzt. Der zweite Tag begann mit dem Ortstermin am Tatort um 8:30 Uhr und wird später im Gerichtssaal fortgesetzt. Auf dem Aushang am Saal stand nur „Fortsetzungs- und Ortstermin 8:30 Uhr”.

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Einordnung des Falls

Sitzungsöffentlichkeit bei Ortsterminen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Öffentlichkeitsgrundsatz kann nur verletzt sein, wenn die Öffentlichkeit sich tatsächlich keinen Zutritt zum Verhandlungsort verschaffen kann (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Neben den Fällen, in denen tatsächlich kein oder nur unzureichender Zugang zum Verhandlungsort besteht, kann der Öffentlichkeitsgrundsatz auch dann verletzt sein, wenn der Zugang zwar objektiv möglich, aber faktisch ausgeschlossen oder unzumutbar eingeschränkt ist. Insbesondere garantiert der Öffentlichkeitsgrundsatz auch die Möglichkeit, sich von Zeit und Ort der Verhandlung ohne besondere Schwierigkeiten Kenntnis zu verschaffen.
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2. Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist bereits deshalb nicht verletzt, weil ein Ortstermin nicht zur „Verhandlung” gehört (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG). Zur Verhandlung gehört auch die Beweisaufnahme und zwar unabhängig davon, ob sie im Gerichtssaal oder außerhalb im Rahmen eines Ortstermins stattfindet. Auch hier muss also im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten jedermann der Zugang gewährt werden.Einschränkungen sind hier vor allem durch Rechte Dritter möglich. So muss der Vorsitzende etwa die Einwilligung des Betroffenen für die Zulassung der Öffentlichkeit einholen, wenn die Hauptverhandlung in dessen Wohnhaus stattfindet (Art. 13 GG).

3. Findet die Hauptverhandlung außerhalb der gewohnten Räume statt, muss die Öffentlichkeit durch besondere Maßnahmen sichergestellt werden.

Ja!

Öffentlich ist eine Verhandlung nur dann, wenn die Allgemeinheit, also beliebige, auch unbeteiligte Zuhörer, an der Hauptverhandlung teilnehmen können, sofern sie dies wünschen. Dies erfordert, dass das Gericht auf Ort und Zeit der Verhandlung aufmerksam machen muss. Dies gilt besonders, wenn die Hauptverhandlung nicht an der sonst üblichen Stelle stattfindet und kann grundsätzlich durch einen Hinweis am Gerichtssaal geschehen. Anders ist dies nur, wenn auf andere zumutbare Weise der Verhandlungsort ermittelt werden kann, wobei es grundsätzlich nicht genügt, wenn dieser auf der Geschäftsstelle erfragt werden kann.

4. Ist der Öffentlichkeitsgrundsatz hier gewahrt (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Findet die Verhandlung außerhalb der üblichen Räume statt, muss die Allgemeinheit durch besondere Maßnahmen, etwa einen Aushang über den Verhandlungsort informiert werden.Der vor dem Saal angebrachte Aushang enthielt keinen Hinweis darauf, an welchem Ort die Fortsetzung der Hauptverhandlung stattfinden sollte. Damit hätte ein Zuhörer, der an der Hauptverhandlung gegen A teilnehmen wollte, anhand des Aushanges nicht erkennen können, wo die Hauptverhandlung stattfindet. Es kann auch ausreichend sein, wenn die Weiterverhandlung in öffentlicher Sitzung unter Angabe von Ort und Zeit verkündet wird. Auch dies ist hier indes nicht geschehen.Über den Aushang am Saal lassen sich zahlreiche Probleme einbauen. Der Meyer-Goßner gibt in § 169 GVG RnNr. 4a einen guten Überblick über mögliche Konstellationen.
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