Abwandlung 2 (Dienen und Mitziehen)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Dwight (D) überlegt es sich anders. Für seine berufsmäßige, über Generationen gut laufende Imkerei im Außenbereich plant er nun dieses Haus: Das Erdgeschoss soll bewohnt werden. Im Dachgeschoss sollen zwei Lager für die Imkerei, ein Büro und ein Schlafzimmer mit Bad entstehen.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 2 (Dienen und Mitziehen)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Außenbereich ist zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben zu unterscheiden.

Genau, so ist das!

Die Bauleitplanung soll gemäß § 1 Abs. 1 BauGB die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke vorbereiten und leiten (Grundsatz der Planmäßigkeit). Im Außenbereich lebt dieser Grundsatz in Form der generellen Zulässigkeitsregelungen des § 35 BauGB auf (gesetzlicher „Ersatzplan“). Die in § 35 Abs. 1 BauGB genannten Vorhaben sind zulässig, wenn keine öffentlichen Belange entgegenstehen (privilegierte Vorhaben). Sonstige Vorhaben sind – unter Ausnahmevorbehalt (keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange) – verboten (§ 35 Abs. 2 BauGB). Dieses Bauverbot ist gemäß § 35 Abs. 4 BauGB für bestimmte Änderungen, Nutzungsänderungen, Erweiterungen oder Neuerrichtungen gelockert (begünstigte Vorhaben).
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2. Ds Bienenhaltung ist ein landwirtschaftlicher Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.

Ja, in der Tat!

Die Landwirtschaft ist legaldefiniert in § 201 BauGB. Ein Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte erheblichen Ausmaßes gerichtet und erfordert eine bestimmte Organisation: Er muss (1) nachhaltig, also auf lange Dauer (mehrere Generationen) angelegt sein, er muss (2) ein lebensfähiges Unternehmen darstellen und (3) ernsthaft, also mit Gewinn- und Ertragserzielungsabsicht geführt werden. D betreibt eine berufsmäßige Imkerei im Sinne des § 201 BauGB und damit einen landwirtschaftlichen, nachhaltigen, lebensfähigen und mit Gewinnerzielungsabsicht geleiteten Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB

3. Ds Vorhaben „dient“ dem landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.

Nein!

Entscheidend ist die Beurteilung des Einzelfalls anhand der Verkehrsauffassung. Das Vorhaben muss – auch räumlich und äußerlich erkennbar – der konkreten Betriebsweise des Betriebs zu- und untergeordnet sein. Diese Zu- und Unterordnung muss das Vorhaben prägen. Das Vorhaben muss für den Betrieb demnach mehr als bloß förderlich sein. Dass es für den Betrieb entbehrlich wäre, ist aber unschädlich. Beurteilt wird dies aus der Sicht eines vernünftigen Landwirts, der das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs berücksichtigt und das konkrete Vorhaben zum etwa gleichem Zweck, mit gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Die geplanten Lagerräume gehören zum Kernbereich der klassischen Imkerei und dienen unmittelbar der Bienenhaltung und Honigproduktion im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Geprägt wird Ds Vorhaben nach seiner konkreten Gestaltung, Beschaffenheit und Ausstattung aber nicht durch die Lagerräume, sondern durch die Wohnnutzung. Die Lager stellen eine Nebensache mit untergeordneter Bedeutung dar.

4. Die Wohnnutzung stellt eine „Betriebswohnung" dar und wird daher von der privilegierten, berufsmäßigen Imkerei „mitgezogen“.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist möglich, einem landwirtschaftlichen Betrieb einen nicht landwirtschaftlichen Betriebsteil anzugliedern und den Betrieb so umzustrukturieren und neue Betriebweisen zu entwickeln. So kann zum Beispiel einem Hof ein Hofladen angefügt werden, in dem die Erzeugnisse verkauft werden. Die ursprünglich privilegierte Nutzung zieht dann die neue, nichtlandwirtschaftliche Nutzung mit, wenn diese erkennbar dem landwirtschaftlichen Betrieb zu- und untergeordnet, also mehr als nur förderlich ist. Der nichtlandwirtschaftliche Betriebsteil muss auch bodenrechtliche Nebensache bleiben. Ds Imkerei läuft bereits seit Generationen gut auch ohne die Wohnnutzung. Ds ständige Anwesenheit vor Ort ist demnach nicht erforderlich. Es ist D zuzumuten auch mehrmals am Tag zur Imkerei zu fahren. Im Falle eines betrieblichen Notfalls ist eine Übernachtung auch provisorisch in einem Lagerraum möglich. Aus der Sicht eines vernünftigen, auf größtmögliche Schonung des Außenbereichs bedachten Berufsimkers ist das Vorhaben daher nicht geboten.

5. Angenommen es stehen keine öffentliche Belange entgegen und die ausreichende Erschließung ist gesichert. Ist Ds Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Vorhaben ist privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Also, wenn das Vorhaben (1) einem landwirtschaftlichen Betrieb (2) dient und (3) nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, (4) keine öffentlichen Belange entgegenstehen und (5) die ausreichende Erschleißung gesichert ist. Ds Vorhaben dient dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht. Die nicht-landwirtschaftliche Nutzung des Vorhabens wird auch nicht von der privilegierten Nutzung mitgezogen.
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