Öffentliches Recht

Grundrechte

Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG)

Schranken des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG - Kunstfreiheit und Strafrecht

Schranken des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG - Kunstfreiheit und Strafrecht

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B hat ein antimilitaristisches Buchcover entworfen. Darauf setzt B Fotografien zu einer Collage zusammen, auf welcher unter anderem ein Soldat zu sehen ist, der auf eine Bundesflagge uriniert. B wird daraufhin wegen Verunglimpfung einer Bundesflagge (§ 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB) verurteilt.

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Einordnung des Falls

Schranken des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG - Kunstfreiheit und Strafrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bs Buchcover ist „Kunst“ i.S.d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.

Ja, in der Tat!

Nach dem formalen Kunstbegriff besteht das Wesentliche eines Kunstwerks darin, dass es einem bestimmten Werktyp zugeordnet werden kann. Nach dem „offenen Kunstbegriff" besteht das kennzeichnende Merkmal von Kunst darin, dass es wegen der Mannigfaltigkeit des Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weitreichendere Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt. Das Buchcover des B ist als Fotocollage schon ein bestimmter Werktyp i.S.d. formalen Kunstbegriffs. Jedenfalls ist das Bild aber aufgrund der vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten Kunst i.S.d. materiellen Kunstbegriffs. Die Anstößigkeit nimmt dem Bild nicht die Eigenschaft als Kunstwerk. Der Beschwerdeführer hatte im Ausgangsfall mehrere Interpretationsmöglichkeiten „angeboten“, so etwa: „Alles Gute kommt von oben?“ oder „Ein Bild aus der Serie ‚der Kleine Feuerwehrmann‘?“.
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2. Stellt die strafrechtliche Verurteilung einen Eingriff in Bs Kunstfreiheit dar?

Ja!

Ein Eingriff in die Kunstfreiheit liegt vor, wenn der Staat den Grundrechtsträger in seinem Werk- oder Wirkbereich beeinträchtigt. Eingriffe können in vielfältigen Formen erfolgen, etwa durch Auftrittsverbote, Publikationsverbote, über Zensur oder strafrechtliche Verurteilungen. Durch die gerichtliche Verurteilung wurde B in seinen Wirk- und Werkbereich beschränkt. Hierin liegt ein unmittelbarer Eingriff in die Kunstfreiheit.

3. Da die Kunstfreiheit schrankenlos gewährt wird, liegt in einer strafrechtlichen Verurteilung stets eine Verletzung der Kunstfreiheit.

Nein, das ist nicht der Fall!

Vorbehaltlos gewährte Grundrechte unterliegen (nur) den verfassungsimmanenten Schranken kollidierenden Verfassungsrechts. Sie sind mit kollidierenden Verfassungsgütern in möglichst schonenden Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz) Die Kunstfreiheit kann potenziell durch jegliche Verfassungsgüter beschränkt werden. Für ein geordnetes menschliches Zusammenleben mit gegenseitiger Rücksichtnahme muss auch für eine funktionierende staatliche Ordnung gesorgt werden, die einen Grundrechtsschutz überhaupt erst sicherstellt. Kunstwerke können diese Ordnung auch unter der Schwelle einer staats- oder verfassungsgefährdenden Wirkung beeinträchtigen. Eine starke Beeinträchtigung muss auch eine strafrechtliche Verurteilung trotz der Einordnung als Kunst i.S.d Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ermöglichen.

4. Genießt die Bundesflagge verfassungsrechtlichen Schutz?

Ja, in der Tat!

§ 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB schützt die deutsche Flagge als staatliches Symbol. Der Schutz dessen ergibt sich aus einer erweiternden Auslegung des Art. 22 GG. Unmittelbar legt die Norm nur die Bundesfarben fest. Darüber hinaus setzt die Bestimmung aber das Recht des Staates zur Darstellung solcher Symbole voraus. Zweck dessen ist, an das Staatsgefühl der Bürger zu appellieren. Die Werte der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere das Dasein als freiheitliche demokratische Grundordnung, spiegeln sich in diesen Staatsfarben wider. Die Flagge dient durch die von ihr verkörperten Staatsleitziele als wichtiges Integrationsmittel. Sodann ist in der Klausur eine Einzelfallabwägung hinsichtlich der Rechtfertigung vorzunehmen. In der angegriffenen Entscheidung erfolgte diese fehlerhaft, da das erkennende Gericht die Verfassungsgüter Kunstfreiheit – Bundesflagge in ein Stufenverhältnis gebracht hat und eben keine Abwägung vorgenommen hat.
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