+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Motorradclub MC betreibt ein Bordell in einem Mischgebiet in Berlin. Die Nutzung des Bordells ist genehmigungsfähig, jedoch existiert eine solche Genehmigung nicht. Baubehörde B untersagt die Nutzung wegen fehlender Genehmigung. MC hält dies für ermessensfehlerhaft.

Diesen Fall lösen 88,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Abwandlung 2: Ermessen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Tatbestand der Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 BauO Bln) ist hier aufgrund der fehlenden Baugenehmigung erfüllt.

Ja!

Der Tatbestand der Nutzungsuntersagung erfordert einen Widerspruch von Anlagen mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Für den Erlass einer Nutzungsuntersagung genügt nach h.M. die formelle Illegalität.Die Nutzung des Gebäudes als Bordell ist ausweislich des Sachverhaltes nicht genehmigt, sodass formelle Illegalität gegeben ist. Damit ist der Tatbestand der Nutzungsuntersagung erfüllt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 BauO Bln) muss die Behörde die Nutzung untersagen (gebundene Entscheidung).

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 80 S. 2 BauO Bln kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung untersagen. Damit räumt die Vorschrift auf Rechtsfolgenseite der Behörde Ermessen ein. Gemäß § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen pflicht- und sachgemäß entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Damit ist hier jedoch nicht verbunden, dass die Behörde frei entscheiden kann, ob sie tätig wird oder nicht. Vielmehr folgt aus dem Sinn und Zweck des Genehmigungserfordernisses (präventive Kontrolle) nach Rspr. und h.M. ein intendiertes Ermessen. Die Nutzungsuntersagung soll bei illegalen Nutzungen daher die Regel sein.Nur auf diese Weise kann nach h.M. sichergestellt werden, dass die Vereinbarkeit einer bestimmten Nutzung mit dem öffentlichen Baurecht in einem geordneten Genehmigungsverfahren geprüft wird. Außerdem wird vermieden, dass sich derjenige, der eine ungenehmigte Nutzung aufnimmt, ungerechtfertigte Vorteile gegenüber gesetzestreuen Bürgern verschafft.

3. Die Nutzung des Bordells verstößt nicht gegen materielles Baurecht (genehmigungsfähig). Ist die Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 BauO Bln) deswegen unverhältnismäßig?

Nein, das trifft nicht zu!

Im Hinblick auf die im Gemeinwohlinteresse liegende Ordnungsfunktion des formellen Baurechts ist die Nutzung grundsätzlich zu untersagen. Damit ist eine Nutzungsuntersagung bei (nur) formeller Illegalität auch verhältnismäßig. Es etwas anderes gilt nur dann, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig sein könnte und damit ermessensfehlerhaft ist.Die Baubehörde B untersagt die Nutzung des Bordells aufgrund fehlender Baugenehmigung. Sie ordnet die Nutzungsuntersagung also im Rahmen des intendierten Ermessens an, konkrete Anhaltspunkte für eine Ausnahme sind nicht ersichtlich.Eine Nutzungsuntersagung ist bei nur formeller Illegalität dann unverhältnismäßig, wenn die Genehmigungsfähigkeit für die Behörde offensichtlich ist. Auch kann die Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig sein, wenn ein Gewerbebetrieb dadurch in Insolvenzgefahr gerät.

4. Die Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 BauO Bln) der B ist damit rechtmäßig.

Ja!

Die Nutzungsuntersagung beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage und wurde rechtmäßig (insbesondere nach pflichtgemäßen Ermessen und verhältnismäßig) angeordnet.Der MC könnte hier allerdings eine Baugenehmigung für die –laut Sachverhalt genehmigungsfähige – Nutzung beantragen, sodass die Nutzungsuntersagung nach Prüfung durch die Baubehörde aufgehoben werden müsste. Eine Offensichtlichkeit der Genehmigungsfähigkeit liegt nur dann vor, wenn die Übereinstimmung der Nutzung mit den Vorschriften des materiellen Baurechts sich derart aufdrängt, dass jegliche nähere Prüfung von vornherein entbehrlich erscheint.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community