Ende des Bebauungszusammenhangs: Gemeindegrenze

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die kleinen ländlichen Gemeinden W und K (jeweils 8.000 Einwohner) grenzen aneinander an. Henri (H) möchte auf seinem Grundstück in W ein Wohnhaus errichten. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Hs Grundstück grenzt unmittelbar an K an. Die nähere Umgebung weist 18 Gebäude auf, darunter mehrere Wohngebäude, eine Kirche und einen Einkaufsladen. Allerdings stehen sämtliche Gebäude in K.

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Einordnung des Falls

Ende des Bebauungszusammenhangs: Gemeindegrenze

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H fragt sich, ob sein Grundstück innerhalb eines Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB liegt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Abzustellen ist dabei nur auf die Bebauung im jeweiligen Gemeindegebiet. Der Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB hat nicht nur eine rein tatsächliche Anknüpfung an optisch wahrnehmbare Verhältnisse, sondern findet seine rechtliche Grenzen in der kommunalen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG). Über den gesetzlichen Zulässigkeitstatbestand des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB kann die Zulässigkeit von Vorhaben nur im Einvernehmen mit der Gemeinde gesteuert werden (vgl. § 36 BauGB). Da es sich bei § 34 BauGB um eine Planersatzregelung handelt, kann der Gemeinde im Rahmen der Bestimmung des Ortsteil als Bebauung von gewissem Gewicht nur das zugerechnet werden, was die Gemeinde selbst durch eigene Planung abwenden kann. Dies bedeutet, dass ein Ortsteil im Sinne des § 34 Abs.1 S.1 BauGB nur innerhalb des (unbeplanten) eigenen Gemeindegebiets entstehen kann. Der Bebauungskomplex der Gemeinde K ist nicht zu berücksichtigen. Die nähere Umgebung der Gemeinde W ist mangels Bebauung weder von gewissem Gewicht, noch eine organische Siedlungsstruktur. Es handelt sich dabei nicht um einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB.
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2. H fragt sich, ob die Bebauung in der Gemeinde K einen Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB aufweist?

Ja, in der Tat!

Ein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Bebauung ist in zusammenhängender Weise um die Kirche herum geordnet. Baulücken sind ebenfalls nicht ersichtlich, sodass sich hierbei im Einzelfall nach der Verkehrsauffassung der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit ergibt.

3. Hs Freundin, die berühmte Baurechtlerin B, ist überzeugt davon, dass der Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB nicht durch die Gemeindegrenze begrenzt wird. Trifft ihre Aussage zu?

Ja!

Ein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei ist allein auf die äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse abzustellen. Der Begriff des Bebauungszusammenhangs ist rein äußerlich und faktisch zu bestimmen. Folglich können auch bebaute Grundstücke in angrenzenden Gemeinden Bestandteil eines tatsächlichen Bebauungszusammenhangs sein. Im Gegensatz zum Bebauungszusammenhang hat der Ortsteil auch eine rechtliche Komponente, denn die Bestimmung des Ortsteils ist Ausdruck der Planungshoheit der Gemeinde.

4. Liegt Hs Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Bestimmung des Ortsteils ist nur auf die Bebauung im jeweiligen Gemeindegebiet abzustellen. Ein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei ist allein auf die äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse abzustellen. Regelmäßig ist ein Grundstück dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist. Für die Bestimmung des Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB sind die in Gemeinde K gelegenen Gebäude nicht zu berücksichtigen. Mangels eigener anderweitiger Bebauung in Gemeinde W liegt Hs Grundstück nicht innerhalb eines Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB. Hingegen ist für die Bestimmung des Bebauungszusammenhangs auf die rein äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse abzustellen. Hs Grundstück ist auf drei Seiten von den bebauten, in Bebauungszusammenhang stehenden Grundstücken der Gemeinde K umschlossen. Danach liegt Hs Grundstück selbst ebenfalls im Bebauungszusammenhang. Jedoch kann nur ein Bebauungszusammenhang, der zugleich auch Ortsteil ist, Baurecht nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB vermitteln.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BEN

benjaminmeister

1.11.2024, 16:53:36

Die erste und letzte Frage ähneln sich sehr und bringen doppelt mMn keinen Mehrwert. Die erste Frage kann man auch streichen, damit man sich das Wissen aus Aufgabe schrittweise erarbeitet. Außerdem frage ich mich, ob so Zusätze wie “Xs Freundin, die berühmte Baurechtlerin” wirklich einen Mehrwert haben (auch in anderen Aufgaben…). Ich bin der Meinung, dass man im Jurastudium eh schon so viel lesen und Informationen verarbeiten muss, dass solche Zusätze einfach nur ermüdent sind. In der einzelnen Aufgabe natürlich nicht relevant aber es läppert sich doch auf Dauer. Wie sieht das bei anderen Usern aus?


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