+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Fabians (F) Grundstück liegt in der ländlichen Gemeinde G (9.000 Einwohner). Ein Bebauungsplan besteht nicht. Die nähere Umgebung weist 21 Gebäude auf, darunter mehrere Wohngebäude, eine Feuerwehr und eine Post. Fs Grundstück grenzt von drei Seiten an Grundstücke mit Wohnbebauung. Am 05.09.2023 erlässt G eine sog. Klarstellungssatzung, wonach die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festgelegt werden. Fs Grundstück liegt außerhalb dieser Grenze.
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Einordnung des Falls
Festlegung der Innenbereichsgrenze durch Satzung: Grundfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Befand sich Fs Grundstück vor Erlass der Klarstellungssatzung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB?
Ja!
Ein Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das für einen Ortsteil erforderliche gewisse Gewicht der vorhandenen Bauten beurteilt sich im Einzelfall nach den siedlungsstrukturellen Gegebenheiten der Gemeinde. Das Merkmal der organischen Siedlungsstruktur erfordert eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs. Ein Bebauungszusammenhang ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Gefordert wird eine tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung.
Fs Grundstück befindet sich in unmittelbarer Umgebung eines Bebauungskomplexes von 21 Gebäuden. Diese stellen in Anbetracht der Größe der Gemeinde von 9.000 Einwohnern nach den siedlungsstrukturellen Gegebenheiten ein gewisses Gewicht dar. Auch handelt es sich dabei um eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung. Die Bebauung weist demnach eine organische Siedlungsstruktur auf. Fs Grundstück befindet sich somit inmitten eines Ortsteils gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB. Fs Grundstück wird von drei Seiten von Wohnbebauung begrenzt. Größere Baulücken sind nicht vorhanden. Demnach vermittelt die Bebauung auch den Eindruck der Geschlossenheit. Ein Bebauungszusammenhang ist mithin ebenfalls anzunehmen. Vor Erlass der Klarstellungssatzung befand sich Fs Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs.1 S. 1 BauGB.
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2. F meint es existieren neben der Klarstellungssatzung noch drei weitere Satzungsarten in § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB. Zu Recht?
Nein, das ist nicht der Fall!
In § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB sind insgesamt drei verschiedenen Satzungsarten geregelt. Diese eröffnen der Gemeinde die Möglichkeit, auf den Anwendungsbereich des § 34 BauGB einzuwirken. Neben der Klarstellungssatzung (§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB), existiert noch die Entwicklungssatzung (§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB) und die Ergänzungssatzung (§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB).
Die Klarstellungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB ermöglicht den Gemeinden die Bestimmung der Grenze zwischen Außen- und Innenbereich. Durch die Entwicklungssatzung ist es der Gemeinde möglich, bebaute Bereiche im Außenbereich unter bestimmten Bedingungen als im Zusammenhang bebaute Ortsteile i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB festzulegen. Hingegen ermöglicht die Ergänzungssatzung die Einbeziehung einzelner Außenbereichsflächen in den unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB.
3. Die Klarstellungssatzung hat konstitutive Wirkung für die Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Klarstellungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB ermöglicht den Gemeinden die Bestimmung der Grenze zwischen Außen- und Innenbereich. Die Satzung bezieht sich auf die tatsächlichen Gegebenheiten und setzt folglich einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Sie hat mithin lediglich deklaratorischen Charakter.
Für jedes Grundstück, dass durch die Satzung in den Innenbereich einbezogen wird, müssen die Voraussetzung des im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB auch tatsächlich vorliegen. Aufgrund ihres deklaratorischen Charakters vermag es die Klarstellungssatzung nicht Grundstücke aus dem nicht qualifiziert beplanten Innenbereich auszugliedern und dem Außenbereich zuzuschlagen.
In der Praxis entlastet die Klarstellungssatzung die Baurechtsbehörde, da die Gemeinde Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich ausräumen kann. 4. Liegt Fs Grundstück nach Erlass der Klarstellungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB?
Ja!
Fs Grundstück muss innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB liegen. Der Klarstellungssatzung gem. § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB kommt bei der Bestimmung der Lage des Grundstücks keine konstitutive Bedeutung zu. Sie wirkt lediglich deklaratorisch.
Fs Grundstück befand sich vor Erlass der Klarstellungssatzung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB. Die Klarstellungssatzung selbst weist keine konstitutive Wirkung auf. Daraus folgt, dass sich die durch die Satzung bezweckte Klarstellung nicht auf Fs Grundstück bezieht. Die Klarstellungssatzung vermag es nicht, Fs Grundstück dem Außenbereich zuzuschlagen. Vielmehr gilt hierfür nach wie vor § 34 BauGB.
Die Satzungsarten des § 34 BauGB werden euch voraussichtlich in der Klausur eher nicht begegnen. Sollte sie doch einmal Klausurgegenstand sein, so wird von euch kein vertieftes Wissen erwartet.