Veräußerung fremder Sachen (vgl. § 903)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A leiht sich das Auto seines Freundes F für seinen Wocheneinkauf. Als A vor dem Supermarkt parkt, kommt der superreiche S vorbei und will das Auto sofort kaufen. A stellt klar, dass es sich nicht um sein Auto handelt und verkauft dem S das Auto für den doppelten Marktpreis. A weiß, dass F sein Auto nie hergeben würde. Als F davon erfährt, ist er zunächst sauer, besinnt sich dann aber, als er hört wie viel S gezahlt hat.
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Einordnung des Falls
Veräußerung fremder Sachen (vgl. § 903)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. F kann von A Herausgabe des Kaufpreises verlangen, wenn er einen Anspruch nach §§ 677, 681 S. 2 iVm § 667 Alt. 2 BGB hat.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat ein "Geschäft" des F "besorgt" (§ 677 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Die Geschäftsführung des A war berechtigt (§ 683 S. 1 BGB).
Nein!
4. F hat die Geschäftsführung genehmigt (§§ 684 S.2, § 184 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
5. A muss F von dem erzielten Kaufpreis nur den Teil herausgeben, der dem objektiven Wert des Autos entspricht. Den Rest hat er seinen eigenen Verhandlungskünsten zu verdanken und darf ihn behalten.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Simon
7.5.2022, 00:32:18
Soweit ich das beurteilen kann, nimmt auch die hL eine den Gewinn umfassende Herausgabepflicht des GF an, s. nur Bergmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2020, § 681 Rn 10; Gregor, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 681 Rn. 8; Schäfer, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 681 Rn. 17; Gehrlein, in: BeckOK-BGB, 61. Ed. 2022, § 681 Rn. 2; Thole, in: BeckOGK-BGB, Stand: 15.2.2022, § 681 Rn. 23. Das finde ich auch überzeugend, da der GF ja gerade mit Fremdgeschäftsführungswillen tätig wird, sodass keine berechtigte Erwartung seinerseits besteht, den Gewinn behalten zu dürfen.
Lukas_Mengestu
10.5.2022, 10:07:31
Hallo Simon, vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die Aufgabe an dieser Stelle noch einmal überarbeitet. Bei erneuter Prüfung haben wir nun auch primär Literaturstimmen gefunden, die vertreten, dass der GoA-Herausgabeanspruch an dieser Stelle weiter reicht, als der normale bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch, wo rechtsgeschäftliche Surrogate nach hM nicht umfasst sind, wenn sie den Wert der Sache übersteigen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Edward Hopper
17.6.2022, 21:50:40
Alles andere wäre auch sinnwidrig. Kann doch nicht rumlaufen und fremde Autos verkaufen und dann den Gewinn einbehalten :D
Timurso
16.2.2023, 14:56:57
Warum wird für die Genehmigung hier auf das Herausverlangen des Kaufpreises abgestellt? Einen Anspruch darauf hat F auch ohne die Genehmigung, nach §§ 684 S. 1 iVm. 818 ff. BGB. Insofern halte ich es für abwegig, im Geltendmachen des Herausgabeanspruchs automatisch eine Genehmigung zu sehen, sondern würde hierfür den letzten Satz des Sachverhalts heranziehen.
Fuller at H(e)art
3.7.2023, 19:33:34
Warum die Berechtigung für den Anspruch aus 677, 681 S.2, 667 von Bedeutung sein soll, wäre zumindest begründungsbedürftig, entspricht das doch gerade der nicht unumstrittenen Einheitstheorie. Überzeugender dürfte sein, 681 S.2 unabhängig von der Berechtigung der Geschäftsführung anzuwenden.
Fuller at H(e)art
3.7.2023, 20:28:53
*Trennungslehre
Dr.Who
4.9.2023, 17:47:33
Darüber bin ich ebenfalls gestolpert.
Linus
16.12.2023, 19:08:49
Der Bereicherungsanspruch aus § 816 I 1 BGB umfasst doch auch den kompletten Erlös, nicht nur objektiven Wert?
Lukas_Mengestu
19.12.2023, 12:06:56
Hi Linus, vielen Dank für Deine Nachfrage. Der Hinweistext war an dieser Stelle in der Tat etwas missverständlich. Völlig richtig ist, dass nach hM über § 816 Abs. 1 S. 1 BGB der volle Erlös herausverlangt werden kann. Sonstige bereicherungsrechtliche Ansprüche sind im Hinblick auf den Wertersatz nach hM dagegen auf den objektiven Wert beschränkt (vgl. § 818 Abs. 2 BGB). Mehr dazu findest Du auch in der Einheit zum Bereicherungsrecht (https://applink.jurafuchs.de/zlZ8a2zGEFb). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bubbles
4.1.2024, 11:45:21
Wird der Geschäftsführer durch die Genehmigungen nicht rückwirkend zum Berechtigten (§§ 184 I, 185 II)? Dann müsste ein Anspruch aus § 816 I doch ausscheiden, da dieser eine Verfügung eines Nichtberechtigten voraussetzt.
Hans Castorp
28.1.2024, 16:42:31
Tatsächlich stellt die Genehmigung der Verfügung nach § 185 II Var. 1 BGB einen klassischen Fall des § 816 I 1 BGB dar. Auch wenn gem. § 184 I BGB die Genehmigung zurückwirkt, handelt der Verfügende als Nichtberechtigter i.S.d. § 816 I 1 BGB. Denn durch die Genehmigung soll der eigentliche Berechtigte gerade in die Lage versetzt werden, den Anspruch aus 816 I 1 BGB geltend machen zu können. Er hat insofern die Wahl, ob er gegen den Besitzer den Anspruch aus § 985 BGB und damit einhergehend Ansprüche aus §§ 987ff. BGB geltend macht, oder, ob er die Verfügung genehmigt und gegen den Nichtberechtigten aus § 816 I 1 BGB vorgeht. Das bietet sich vor allem an, wenn der Besitzer oder die Sache nicht mehr auffindbar sind oder die Sache zerstört ist. Nach h.M. stellt 816 I 1 BGB einen Ersatz für den verlorengegangenen § 985 BGB dar, deshalb kann der Berechtigte auch auf der Rechtsfolgenseite auch den Erlös herausverlangen und ist nicht nur wie üblicherweise im Rahmen der §§ 812 ff. BGB nach 818 II BGB auf den Ersatz des objektiven Wertes beschränkt.
Peter im Pech
28.4.2024, 16:27:38
Tolle Erklärung, danke!
qprgx
6.8.2024, 19:15:47
Wieso wird bei der Herausgabepflicht gem. §§ 677, 681 S. 2, 667 auch die Berechtigung, also Interesse und Wille des Geschäftsherrn, geprüft? Bei Wandt steht, dass der GrundTB der GoA nicht die Berechtigung umfasst (vgl. § 4 Rn. 47) und dass § 681 sowohl bei der berechtigten als auch bei der unberechtigten GoA greift (§ 5 Rn. 82). Ist das dann eine Mindermeinung?
Wysiati
27.8.2024, 19:05:51
@[qprgx](204906) Es gibt hier scheinbar einen Streit, siehe MüKoBGB/F. Schäfer BGB § 677 Rn. 7. Nach § 684 muss der Geschäftsherr (Gh) bei der unberechtigten GoA das Erlangte an den Geschäftsführer (Gf) herausgeben. Es wäre widersprüchlich, wenn er aber das Erlangte des Gf erhalten sollte. Andererseits würde das, dieser „Austausch“ des Erlangten, dazu führen, dass die geschäftlichen Beziehungen sozusagen rückabgewickelt werden. Das wäre bei der Interessenlage, Handeln des Gf gegen den Willen des Gh, ja angemessen. Dementsprechend finde ich es sinnvoller, § 681 S. 2 auf berechtigte und unberechtigte GoA anzuwenden. Erstgenannte Ansicht trennt die unberechtigte GoA aber so von der berechtigten, dass jene ganz aus der echten GoA herausfällt und sozusagen ein Unterfall der unechten GoA wird. So jedenfalls der MüKo, siehe oben. Danke für deine Frage, hatte gar nicht daran gedacht und mir jetzt einige Gedanken gemacht. Gerne Anmerkungen machen, wenn etwas nicht sinnvoll erscheint oder ich etwas falsch verstanden habe.