Fehlender Strafantrag

2. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

N zeigt bei der Polizei an, er habe gesehen, wie B in die Wohnung des O eingebrochen sei. Dabei habe B den O auch ehrverletzend beleidigt. O äußert sich dazu nicht. Staatsanwältin S will nun Anklage erheben.

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Einordnung des Falls

Fehlender Strafantrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit S Anklage erheben kann, müssen die Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO vorliegen.

Genau, so ist das!

Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. Genügender Anlass setzt dabei voraus, dass ein Verfahrenshindernis nicht besteht, das Verfahren nicht nach einer Bestimmung des Opportunitätsprinzips eingestellt wird und dass der Beschuldigte der Straftat hinreichend verdächtig ist. Hier könnte jedoch ein Verfahrenshindernis vorliegen. Dies würde der Annahme des erforderlichen genügenden Anlasses entgegen stehen, womit die Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO nicht vorlägen.
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2. Mangels Strafantrages kann S den Wohnungseinbruchsdiebstahl nicht anklagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Zu unterscheiden ist zwischen Offizialdelikten und Antragsdelikten. Letztere werden in Rechtsprechung und Ausbildungsliteratur wiederum in absolute und relative Antragdelikte aufgegliedert. Offizialdelikte werden von Amts wegen verfolgt; Antragsdelikte, wenn ein Antrag des Verletzten vorliegt oder - im Falle der relativen Antragsdelikte - wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Wie bei § 242 StGB besteht im Falle des Haus- und Familiendiebstahls gemäß § 247 StGB auch bei § 244 StGB ein Strafantragserfordernis. Ist - wie hier - kein Haus- und Familiendiebstahl einschlägig, handelt es sich bei § 244 StGB allerdings um ein Offizialdelikt, sodass S allein aufgrund der Mitteilung des N anklagen könnte. Die Terminologie bei den Antragsdelikten ist nicht einheitlich. In der Literatur wird zum Teil auch zwischen absoluten, bedingten und relativen Antragsdelikten differenziert. Mehr dazu findest Du: hier

3. Auch die Beleidigung kann S ohne Antrag des O anklagen.

Nein!

Der Strafantrag ist bei absoluten Antragsdelikten Prozessvoraussetzung. Fehlt er, begründet dies ein Verfahrenshindernis. Nach § 194 StGB wird die Beleidigung (§ 185 StGB) nur auf Antrag verfolgt. Dieser müsste nach § 77 StGB vom Verletzten gestellt worden seinO hat keinen Strafantrag gestellt, womit ein Verfahrenshindernis vorlegt. O könnte den Antrag jedoch innerhalb von drei Monaten nach Kenntniserlangung der Straftat stellen (§ 77b StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAR

Martin.

3.2.2023, 23:30:04

Sehr uneindeutig, eingebrochen klingt eher nach Hausfriedensbruch statt Wohnungseinbruchsdiebstahl

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.2.2023, 09:22:13

Hallo Martin., schon begrifflich weist eingebrochen auf den Wohnungseinbruchdiebstahl hin. Du hast aber insofern Recht, als dass jeder Wohnungseinbruchdiebstahl auch einen Hausfriedensbruch darstellt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JM

jms

2.7.2024, 16:15:01

Ist mir auch nicht ersichtlich, wie man hier auf einen Diebstahl kommen soll. § 244 setzt in jeder Tatbestandsvariante einen Diebstahl voraus. Dieser setzt wiederum eine Wegnahme voraus. Etwas, das auf eine Wegnahme deutet, steht hier nicht. Das Einbrechen/Einsteigen etc. allein wird aber von § 244 nicht mit Strafe bedroht. In dem Beispiel hätte dann schon stehen müssen, dass der Täter etwas mitgenommen hat. LG.

BENE1

bene123

14.4.2023, 08:45:51

Kurze Nachfrage: wenn der wohnungseinbruchsdiebstahl und die Beleidigung

eine prozessuale Tat

darstellen würden, wäre uneingeschränkt das Offizialverfahren einzuhalten. Folglich wäre die Beleidigung auch ohne Antrag anzuklagen. Ist das richtig?

HAN

Hannah

4.1.2024, 10:32:55

Nein. Bei einem absoluten

Antragsdelikt

liegt ein Verfahrenshindernis vor. In dem geschilderten Fall wäre das Verfahren in Bezug auf das Offizialdelikt durchzuführen, das

Antragsdelikt

ist hingegen nicht verfolgbar. Zu beachten ist aber, dass trotz Verfahrenshindernis eine Straftat vorliegt. Stiftet A den B zum Diebstahl an seinem Vater an, kann B ohne

Strafantrag

seines Vaters nicht angeklagt werden, der A wegen Anstiftung hingegen schon (= hinsichtlich A kein Familiendiebstahl, kein Verfahrenshindernis)


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