Unverschuldete Eigentumsverletzung nach der Besitzerlangung


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Diebin D stiehlt Es Porsche. Als die Garage der D kurz darauf durch einen Blitzeinschlag abbrennt, wird auch der Porsche zerstört.

Einordnung des Falls

Unverschuldete Eigentumsverletzung nach der Besitzerlangung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen E und D bestand eine Vindikationslage.

Genau, so ist das!

Dazu musste ein Vindikationsanspruch vorliegen (§ 985 BGB). Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. E war Eigentümer des Porsches. Durch den Diebstahl verlor er lediglich den Besitz am Porsche, nicht aber das Eigentum daran. D war aufgrund des Diebstahls Besitzerin. Ein Besitzrecht der D ist nicht ersichtlich. Die Vindikationslage bestand somit.

2. E hat gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Bösgläubigkeit des Besitzers, (4) ein Verschulden des Besitzers und (5) ein Schaden beim Eigentümer. Die Vindikationslage liegt vor und durch den Brand ist der Porsche auch untergegangen. Weiterhin war D bösgläubig. Allerdings ist der Porsche durch einen Blitzeinschlag und damit zufällig untergegangen. Die D trifft daher kein Verschulden, weshalb der Anspruch nicht besteht.

3. Aufgrund der Sperrwirkung des § 993 Abs. 1 aE BGB sind weitergehende Schadensersatzansprüche des E ausgeschlossen.

Nein!

Im Falle der Besitzverschaffung durch verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat sieht der § 992 BGB vor, dass der Besitzer auch nach deliktischen Vorschriften handelt. Damit kommt ein Schadensersatzanspruch nach den §§ 823 ff. BGB in Betracht. Bei diesen ist im Gegensatz zu §§ 989, 990 Abs. 1 BGB der § 848 BGB zu beachten, nach dem der Besitzer auch für den zufälligen Untergang der Sache verantwortlich ist. D hatte den Porsche gestohlen (§ 242 Abs. 1 StGB) und ihn insoweit durch eine Straftat erlangt. Der § 992 BGB wird insbesondere relevant, wenn die Sache bei Bestehen einer Vindikationslage zufällig untergegangen ist.

4. Handelt es sich bei § 992 BGB um eine eigenständige Anspruchsgrundlage?

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 992 BGB ist eine Rechtsgrundverweisung auf das Deliktsrecht. Die Voraussetzungen der §§ 823 ff. BGB müssen daher stets geprüft werden und allesamt vorliegen.

5. E hat gegen D einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.

Ja, in der Tat!

§ 823 Abs. 1 BGB setzt voraus (1) eine Rechtsgutsverletzung, (2) eine Verletzungshandlung, (3) haftungsbegründende Kausalität, (4) Rechtswidrigkeit, (5) ein Verschulden und (6) einen kausalen Schaden. Durch den Diebstahl des Porsches liegt eine Sachentziehung und damit eine Eigentumsverletzung vor, die rechtswidrig und verschuldet war. Zwar ist fraglich, ob die Zerstörung des Porsches adäquat kausal durch die Sachentziehung verursacht wurde. Allerdings gilt hier § 848 BGB, wonach der deliktische Besitzer auch für den zufälligen Untergang haftet. Der Anspruch des E besteht daher.

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INDUB

InDubioProsecco

10.6.2023, 10:54:50

Bei welchem normativen Anknüpfungspunkt kommt § 848 BGB ins Spiel? Was wird überwunden? Kausalität und das Verschulden?

lexspecialia

lexspecialia

1.9.2023, 17:45:23

Der kausale schaden wird damit überwunden. Also ob durch den Sachentzug wodurch es zu einer

Eigentumsverletzung

kam kausal der Porsche zerstört wurde (schaden). Der Porsche wurde aber nicht durch die

Eigentumsverletzung

zerstört sondern durch den Brand -> 848 haften für Zufall -> somit trotzdem kausaler Schaden (+)

Steinfan

Steinfan

22.3.2024, 18:50:51

Ich verstehe das anders, siehe BeckOGK/Eichelberger, 1.12.2023, BGB § 848 Rn. 20-26: „Der Schädiger kann sich demnach weder mit dem Einwand entlasten, er habe den Schadenseintritt bei Entziehung der Sache nicht vorhersehen können, noch damit, dass der Schaden außerhalb des

Schutzzweckzusammenhang

s der von ihm verletzten Norm liege.“ § 848 wird nach meinem Verständnis bei „Verschulden“ und ggf. bei „

Schutzzweckzusammenhang

“ relevant.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.5.2024, 10:40:37

Hallo zusammen, hier müsst ihr tatsächlich aufpassen. § 848 BGB bezieht sich nicht auf das Verschulden. Denn im Hinblick auf die Verletzungshandlung (Diebstahl des Wagens) muss durchaus zumindest fahrlässiges Verhalten vorliegen. Vielmehr modifiziert die Norm die haftungsausfüllende/haftungsbegründende Kausalität. @[Steinfan](235363) Hierauf bezieht sich auch die von Dir angeführte Kommentarstelle. Die eingetretene Rechtsgutsverletzung müssen grundsätzlich äquivalent und adäquat kausal zur Verletzungshandlung sein sowie dem

Schutzzweck der Norm

entsprechen. Dies ist in den Fällen des § 848 BGB nicht notwendig. Hierin wird insoweit auch der zentrale Zweck der Norm gesehen. Eine "objektive Zurechenbarkeit" also insbesondere eines Schutzzwecks- und Risikozusammenhangs bedarf es in diesen Fällen nicht (vgl. Staudinger/Vieweg/Lorz (2023) BGB § 848 RdNr. 7). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Steinfan

Steinfan

28.5.2024, 13:27:59

Danke!

PET

Petrus

5.12.2023, 10:24:09

Kann der § 848 BGB (fur semper in mora) nicht bereits den Verschuldensmaßstab bei dem möglichen Anspruch aus §§ 989, 990 I BGB modifizieren?

rlaw

rlaw

2.1.2024, 15:07:56

Der Wortlaut erwähnt ja eigentlich, dass die Sache durch eine unerlaubte Handlung entzogen werden muss, was den Anspruch zumindest dem Anschein nach in die Richtung des Deliktsrechts rückt. Allerdings kann sie auch iRe. Anspruchs §§ 989, 990 I BGB durch unerlaubte Handlung entzogen werden (wie im Fall hier). Für eine Anwendbarkeit auch auf die EBV Vorschriften würde sprechen, dass Grüneberg den § 848 BGB sogar als Rechtsgrundsatz bezeichnet. Falls nicht direkt anwenbdar, doch zumindest analog? Dann wäre der "Schlenker" des Falls nicht nötig, man bräuchte das DeliktsR über § 992 nicht. Könnt ihr helfen @[Lukas_Mengestu](136780)?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.5.2024, 10:14:51

Hallo ihr beiden, die Regelungen des EBV entfalten gegenüber dem Deliktsrecht grundsätzlich Sperrwirkung. Der "lediglich" bösgläubige (§§ 990, 989 BGB) bzw. verklagte (§ 989 BGB) Besitzer haftet insofern nur für den schuldhaften Untergang der Sache. Auf die §§ 990, 989 BGB ist die deliktsrechtliche Sonderregelung des § 848 BGB insoweit nicht anwendbar. Anders verhält es sich beim deliktischen Besitzer. Auf diesen finden über den Verweis in §

992 BGB

die Regelungen der §§ 823 ff. BGB Anwendung und damit auch die Zufallshaftung nach § 848 BGB (vgl. Staudinger/Vieweg/Lorz (2023) BGB § 848 RdNr. 6). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AR

Artimes

26.6.2024, 20:43:18

Ist § 848 BGB eigentlich eine eigenständige AGL? Oder wo würde ich die Norm dogmatisch verorten?

QUAR

Quarklo

19.7.2024, 08:03:42

§ 848 wird im Rahmen der Kausalität geprüft. Dort hättest du im Rahmen des § 823 ansonsten Probleme ebenjene zwischen Handlung (Entwendung des Porsche) und Rechtsgutsverletzung (Zerstörung des Porsche) herzustellen, da diese durch einen Blitz verursacht wurde und D keine Kontrolle über diesen hat (außer bei D handelt es sich um Zeus)

AY

aylin.

25.12.2023, 21:24:13

Hallo. Ist es irrelevant, dass der D die Zerstörung nicht zu verschulden hat (Blitzschlag), da er die Sache zuvor durch eine Straftat erlangt hat?

Jan

Jan

26.12.2023, 18:22:06

Das Verhalten für das D haftet ist ja nicht der Blitzschlag, sondern der Diebstahl, insofern würde ich nein sagen

Steinfan

Steinfan

22.3.2024, 18:55:06

Spielt § 287 S. 2 BGB hier eine Rolle oder wäre (zusätzlich) zu erwähnen? Ist der Dieb nicht stets in Verzug? Oder beschreibt das nur den Rechtsgedanken des § 848 BGB?

PK

P K

22.3.2024, 20:16:51

M.E. ja, denn §§ 990 Abs. 2, 287 S. 2 BGB lassen eine solche Zufallshaftung zu.

QUAR

Quarklo

19.7.2024, 08:09:21

An sich dürfte das auch gehen, da eine Mahnung wohl nach § 286 II Nr. 4 entbehrlich würde, jedoch handelt es sich bei § 286 um eine Norm aus dem allgemeinen Schuldrecht, dessen Anwendbarkeit im Rahmen des Sachenrechts umstritten ist. Zudem passt hier § 848 deutlich besser, da § 287 klar auf Verträge zugeschnitten ist


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