Zivilrecht

Sachenrecht

Negatorischer Abwehr- und Unterlassungsanspruch

Keine verschuldensunabhängige Haftung eines Recyclingunternehmens oder des Grundstückseigentümers bei Detonation einer Weltkriegsbombe

Keine verschuldensunabhängige Haftung eines Recyclingunternehmens oder des Grundstückseigentümers bei Detonation einer Weltkriegsbombe

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmerin U nutzt ihr Grundstück, um Bauschutt zu zerkleinern. Dabei erwischt sie mit dem Zangenbagger ein Betonstück, in dem eine Weltkriegsbombe einbetoniert ist. Durch die ausgelöste Explosion entstehen Schäden am benachbarten Grundstück der G.

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Einordnung des Falls

Keine verschuldensunabhängige Haftung eines Recyclingunternehmens oder des Grundstückseigentümers bei Detonation einer Weltkriegsbombe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G war es aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, den Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB geltend zu machen.

Ja!

Die Unmöglichkeit der Störerabwehr aus tatsächlichen Gründen setzt einen faktischen, unverschuldeten Duldungszwang voraus. Der Anspruchsberechtigte wird aus tatsächlichen Gründen gehindert, die Störung nach § 1004 Abs. 1 BGB oder § 862 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden und hat dadurch unzumutbare Nachteile erlitten. Die Voraussetzungen des Abwehranspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB sind der Sache nach gegeben. Allerdings war es G nicht möglich, zwischen dem Zeitpunkt des Zerkleinerns der Bombe und der Explosion rechtzeitig Rechtsschutz zu erlangen. G war also einem faktischen Duldungszwang ausgesetzt. Die Störerabwehr ist G also aus tatsächlichen Gründen unmöglich.
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2. G steht gegen U ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu, wenn das Risiko der Explosion eines Blindgängers in der Grundstücksnutzung durch U angelegt ist.

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog setzt voraus: (1) rechtswidrige Einwirkung von einem Grundstück auf ein anderes, (2) keine Duldungspflicht, (3) keine Unterbindungsmöglichkeit, (4) Nachteil.Diese Voraussetzungen liegen hier grundsätzlich vor. Weil sich der Anspruch nur aus einer analogen Anwendung des Gesetzes ergibt, schränkt der BGH jedoch den Anwendungsbereich ein. BGH: Nur wenn eine Explosion in der Nutzung des Grundstücks angelegt sei - etwa dann, wenn Bauschutt verarbeitet wird, der in Verdacht steht, Blindgänger zu enthalten - führe eine analoge Anwendung zu einer sachgerechten Verantwortungszuweisung (RdNr. 34ff.).

3. Die Explosion eines Blindgängers ist ein typisches Risiko der Nutzung eines Grundstücks durch ein Recyclingunternehmen, das "normalen" Bauschutt verarbeitet.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 906 BGB soll Konflikte, die bei der Nutzung des benachbarten Grundstücks auftreten, ausgleichen. Die Schuldnerauswahl beruht auf der Wertung, der der Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks der Beeinträchtigung und deren Folgen näher steht als die Nachbarn. Der Eigentümer steht dem verwirklichten Risiko nicht näher als seine Nachbarn, wenn die Schädigung nicht in der Grundstücksnutzung angelegt ist.BGH: Wenn kein Verdacht auf Blindgänger im Bauschutt bestehe, sei eine Explosion nicht in der Nutzung des Grundstücks angelegt. Die Explosion einer Weltkriegsbombe treffe alle Beteiligten gleichermaßen zufällig und schicksalhaft. Es sei daher nicht sachgerecht, dem Eigentümer ohne Rücksicht auf sein Verschulden ein als Spätfolge des Zweiten Weltkriegs gesamtgesellschaftliches Risiko anzulasten. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der G gegen U bestehe daher nicht (RdNr. 38f.).
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