Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Wirksamkeit von Verwaltungsakten

Bekanntgabe durch die sachlich unzuständige Behörde?

Bekanntgabe durch die sachlich unzuständige Behörde?

25. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die zuständige Behörde B erstellt eine Baugenehmigung. B übermittelt sie dem Grünflächenamt zur Prüfung. Kurz darauf bemerkt B einen Fehler und stellt die Genehmigung Antragsteller A nicht zu. Das Grünflächenamt leitet A die Genehmigung weiter.

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Einordnung des Falls

Bekanntgabe durch die sachlich unzuständige Behörde?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verwaltungsakt bedarf zu seiner Wirksamkeit der Bekanntgabe.

Ja, in der Tat!

Aus § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG geht hervor, dass ein Verwaltungsakt für seine Wirksamkeit der Bekanntgabe bedarf: "Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird." Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor, wenn die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen den Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet hat.
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2. Die Baugenehmigung wurde dem A bekanntgegeben.

Nein!

Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor, wenn die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen den Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet hat. Hier hat laut Sachverhalt nicht B als für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde die Baugenehmigung an A versendet, sondern das sachlich unzuständige Grünflächenamt. Die fehlende sachliche Zuständigkeit kann - anders als die fehlende örtliche Zuständigkeit - auch nicht unbeachtlich sein (Umkehrschluss aus § 46 VwVfG). B hatte als sachlich zuständige Behörde bei Übersendung der Baugenehmigung an das Grünflächenamt auch keinen Bekanntgabewillen. Vielmehr sollte die Genehmigung dort lediglich zur Prüfung vorgelegt werden. Auch insoweit liegt keine Bekanntgabe im Rechtssinne (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG) vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TBE

Tobi Ben

10.4.2020, 14:17:40

Warum wird der Bekanntgabewillen von B überhaupt thematisiert? Das Grünflächenamt leitet den Bescheid an A weiter. Also hatte das Grünflächenamt auch den Bekanntgabewillen. Die fehlende sachliche Zuständigkeit schließt aber doch die Bekanntgabe nicht aus. Auch ein (formell)

rechtswidriger Verwaltungsakt

ist wirksam. Die Aussage, ein Verwaltungsakt kann bei einem beachtlichen formellen Fehler (z.B. fehlende Zuständigkeit) nicht bekannt gegeben werden, halte ich für falsch. Sonst wären alle formell rechtswidrigen Verwaltungsakte unwirksam, da sie ja dann nicht bekanntgegeben wurden.

MVSEVM

MVSEVM

16.4.2020, 12:31:27

Nicht jeder formelle Fehler führt zu einem Fehlen der Bekanntgabe ! Allein die sachliche Zuständigkeit der

Behörde

spielt dafür eine Rolle. Der Umkehrschluss aus §§ 44 Abs. 3 Nr. 1, 46 VwVfG (örtliche Unzuständigkeit ist „nicht so schlimm“ heißt im Umkehrschluss sachliche Unzuständigkeit ist „schlimm“) verdeutlicht, dass der VA bei fehlender sachlicher Zuständigkeit der

Behörde

nichtig ist. Die sachliche Zuständigkeit ist damit eine Voraussetzung für die Bekanntgabe. Um die Begriffe der Bekanntgabe und der Wirksamkeit nicht zu vermischen könnte man auch sagen: Der VA wurde zwar bekanntgegeben, allerdings ist er aufgrund der sachlichen Unzuständigkeit nichtig (Umkehrschluss s.o.). Warum es in diesem Fall an dem Bekanntgabewillen mangeln soll, erschließt sich mir auch nicht.

Marcus

Marcus

14.1.2021, 13:49:24

Ich meine die Lösung des Problems ist, dass das Grünflächenamt den VA nicht als eigenen sondern als VA der B dem A zustellt. Die Frage müsste also konkretisiert werden, und zwar ob B Bekanntgabewillen hatte. Den hatten B nicht. Dann wäre nur noch die Frage, ob dass Grünflächenamt Bekanntgabewillen hatte. Hier könnte man meines Erachtens argumentieren, dass die

Behörde

hier selbst gar keine Rechtsfolge setzen wollte, ihn also nicht selbst Bekanntgeben wollte und daher auch keinen Bekanntgabewillen hatte. Demnach würde das Grünflächenamt hier nur als „Bote“ agieren und selbst keinen Bekanntgabewillen haben, also der Idee nach wie im BGB AT.

IUS

iustus

7.6.2021, 00:17:15

Das ähnliche Problem besteht auch im Zivilrecht, wenn zB der Haushälter die fertige WE der Hausherrin in Form eines Briefes versehentlich abschickt, in der Annahme, dass sie die WE sowieso anschicken wollte. Jedoch ist hier wie da nicht willentlich die Erklärung in den Rechtskreis entlassen worden. So auch hier: Die zuständige

Behörde

hatte tatsächlich nicht den Willen den VA zu verkünden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.7.2021, 12:22:35

Hallo zusammen, Marcus hat es schon sehr gut auf den Punkt gebracht. Grundsätzlich muss der Bekanntgabewille bei derjenigen

Behörde

vorliegen, die den Verwaltungsakt erlässt oder die zu seiner Übermittlung an die Empfänger befugt ist. Handelt eine unzuständige

Behörde

, so liegt eine wirksame Bekanntgabe vor, wenn die Bekanntgabe - und nicht nur die informatorische Mitteilung - des Verwaltungsakts mit Wissen und Wollen der zuständigen

Behörde

erfolgt (Schoch/Schneider, VwVfG /Baer, Juli 2020, VwVfG § 41 Rn. 23). Vorliegend hat B als zuständige

Behörde

die Baugenehmigung lediglich

behörde

nintern zur Prüfung weitergegeben. Darin liegt indes lediglich eine Mitteilung von

Behörde

zu

Behörde

mit der Bitte um Überprüfung des Vorhabens. Damit ist nicht zugleich die Aufforderung verbunden, den Bescheid gegenüber dem Bürger zu erlassen. Vielmehr dient diese Aufforderung der Sicherstellung, dass vor Erteilung der Genehmigung sämtliche öffentlich-rechtlichen Genehmigungen bestehen (sog. Schlusspunkttheorie (zB in NRW in § 74 Abs. 1 BauO kodifiziert, vgl. VG Köln, Urt. v. 23.07.2019 - 2 K 8046/18). In anderen Ländern greift teilweise auch die sog. Separationstheorie (v.a. in Bayern und BaWü), wonach die Baugenehmigungs

behörde

ausschließlich baurechtliche Vorschriften prüft und deswegen unabhängig von dem Vorliegen der sonstigen Genehmigungen erteilt werden kann). Die Weiterleitung durch das Grünflächenamt stellt insoweit keine eigenständige Bekanntgabe dar. Aus diesem Grund kommt es maßgeblich auf den Willen der B an. Da diese zum Zeitpunkt der Weitergabe den Bekanntgabewillen aufgegeben hatte, ist die Weiterleitung durch die unzuständige

Behörde

hier nicht mit Wissen und Wollen erfolgt, weswegen es an der wirksamen Bekanntgabe fehlt. (vgl. hierzu BVerwG, NJW 1968, 1538). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BEN

Benvabene

18.4.2020, 21:43:12

Der Bekanntgabewillen der zuständigen

Behörde

fehlt hier, da es nach der Feststellung eines Fehlers die entsprechende Genehmigung in dieser Form nicht mehr weiterleiten wollte. Dementsprechend gibt es auch keinen Bekanntgabewillen mehr.:)

Isabell

Isabell

4.5.2021, 19:16:57

Hätte das Grünflächenamt auch ohne Fehler die Baugenehmigung nicht an A schicken dürfen? Wenn doch, fehlt mir eine Info dazu, ob und warum das G-Amt ggf. fahrlässig die Genehmigung verschickt hat. Denn prinzipiell wird das nachfolgend zur Prüfung aufgeforderte wohl davon ausgehen dürfen, dass bis zu seiner Prüfung keine Fehler der Genehmigung entgegenstehen. Da andernfalls das zuständige Baumamt diese doch gar nicht erst erstellt hätte, oder habe ich was übersehen?

IUS

iustus

7.6.2021, 00:21:53

Nein, weil sachlich zuständig die bau

behörde

den VA hätte erlassen müssen und, so wie ich es verstanden habe, das GFA im Rahmen der kongruenten Prüfungskompetenz nicht abschließend über den VA hätte entscheiden dürfen, da bloßes Verwaltungsinternum. Ich denke hier wird an das versehentliche Abschicken wie im Zivilrecht angespielt, wo der Haushälter eine fertige WE der Hausherrin abschickt, obwohl sie das nicht wollte. Hier wie da isr die Erklärung jeweils nicht willentlich in den Rechtskreis entlassen worden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.7.2021, 12:36:08

Hallo Isabell, dem Fall liegt tatsächlich die Annahme zugrunde, dass das Grünflächenamt hier lediglich prüfen sollte, ob der Baugenehmigung aus seiner Sicht etwas entgegensteht. Dahinter steht letztlich der Gedanke der sog. Schlusspunkttheorie, dass die Bau

behörde

erst nach Sicherstellung der Einhaltung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Vorschriften (und nicht nur baurechtlicher) die Baugenehmigung erteilen soll. Zugegebenermaßen wird diese Theorie aber nicht in allen Bundesländern vertreten, sodass dies vielleicht etwas missverständlich ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

IUS

iustus

23.7.2021, 12:38:28

In welchen wird sie vertreten? In Sachsen und Sachsen-Anhalt?

carlotka

carlotka

28.10.2024, 09:41:54

Hallo 😊 Wenn grundsätzlich für die Bekanntgabe die sachlich und örtlich zuständige

Behörde

handeln muss, nimmt man im Rahmen der Prüfung Wirksamkeit des VA doch bereits eine Prüfung der formellen

Rechtmäßigkeit

vor. In welchem Verhältnis steht das hier?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

30.10.2024, 12:17:42

Hallo @[carlotka](251475), Du hast insofern völlig Recht, als die Zuständigkeit sowohl bei der Bekanntgabe als auch bei der Frage der formellen

Rechtmäßigkeit

zu erörtern ist. Zur Frage, in welchem Verhältnis beide Punkte zueinander stehen: Sie sind technisch zunächst schlicht unabhängig. IRd Bekanntgabe kommt es darauf an, welche

Behörde

den VA ggü dem Empfänger eröffnet hat. IRd formellen

Rechtmäßigkeit

geht es dagegen darum, welche

Behörde

den VA erlassen hat. Bekanntgebende und erlassende

Behörde

können auseinanderfallen, wie man an unserem Fall sieht. In der (Prüfungs-)Praxis wird natürlich häufig dieselbe

Behörde

handeln, zwingend ist das aber eben nicht. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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