Teilnahme an Sportwettkampf: kein Doping

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

J nimmt an einem mehrwöchigen internationalen Radrennen Teil. Im Arbeitsvertrag mit Rennstall-Inhaber R verpflichtet sich J zur dopingfreien Teilnahme am Wettkampf. Nach der dritten Etappe stellt sich heraus, dass J die ganze Zeit über gedopt war.

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Einordnung des Falls

Teilnahme an Sportwettkampf: kein Doping

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. J hat R durch Teilnahme an dem Radrennen über seine Dopingfreiheit getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Täuschungshandlung ist die ausdrückliche oder konkludente intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung. Tatsachen sind alle in der Vergangenheit oder Gegenwart liegenden äußeren sowie inneren, also psychische Vorgänge oder Zustände, die dem Beweis zugänglich sind. Eine konkludente Täuschung liegt vor, wenn dem Verhalten nach der Verkehrsanschauung ein Erklärungswert innewohnt. Das Vorhandensein von Substanzen zur Leistungssteigerung im Blutkreislauf ist dem Beweis zugänglich. Dopingfreiheit ist eine Negativ-Tatsache. OLG Stuttgart: Da die Dopingfreiheit des J u.a. für den Ruf des R von erheblicher Bedeutung sei und die Einnahme von Dopingmitteln eine erhebliche Manipulation des Vertragsgegenstands darstelle, komme der Teilnahme am Rennen durch J der konkludente Erklärungsgehalt zu, dopingfrei zu sein.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Johnny

23.5.2020, 10:07:37

Die Annahme konkludenten Handelns erscheint mir hier arg konstruiert. J müsste auch in seiner Vorstellung durch die Teilnahme R täuschen wollen. Nach meiner Ansicht müsste die Täuschungshandlung doch in der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags liegen, oder es müsste auf Begehen durch Unterlassen abgestellt werden - eine

Garantenstellung

wäre wohl problemlos aus dem Vertragsverhältnis abzuleiten.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

24.5.2020, 09:16:03

J müsste es zumindest billigend in Kauf nehmen, R durch seine Teilnahme zu täuschen. Davon kann man hier ausgehen, schließlich hat er sich vertraglich verpflichtet, genau das nicht zu tun.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

24.5.2020, 09:18:04

Unrechtsschwerpunkt ist die Teilnahme trotz Dopings. Daher Täuschung durch konkludentes Handeln, nicht durch Unterlassen (des Hinweises, dass er gedopt hat).

JO

Johnny

24.5.2020, 10:10:04

Ich finde hier wird ein Kommunikationsgehalt in eine Handlung hinein interpretiert, der nach allgemeiner Lebenserfahrung abwegig ist. Der Missbrauch von leistungssteigernden Substanzen ist im Profi-Radsport recht verbreitet. Kann ein objektiver Beobachter also aus der Aussage 'J nimmt an der Tours de France teil' heraushören: 'J nimmt am Rennen teil, ohne gedoped zu haben'? - wohl eher nicht. Da auch die meisten Profi-Radsportler gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen unterliegen, nicht zu dopen, ist äußerst fraglich in wie weit sich hieraus Einschränkungen ergeben sollen. Bloß weil ich zu einem früheren Zeitpunkt etwas zugesichert habe, sage ich nicht durch jede spätere Handlung "Ich verhalte mich übrigens gerade vertragskonform!"

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.6.2020, 16:14:11

Hi Johnny, danke für die Anmerkung! Welchen konkludenten Erklärungsgehalt ein Verhalten hat, hängt von der Verkehrsanschauung ab. Diese ist nicht 100% eindeutig bestimmbar. Uns scheint eine abweichende Auffassung vertretbar. Eigentum verpflichtet, danke für Deine Einschätzung, die auch der des OLG Stuttgart entspricht. Vielleicht hilfreich hier noch ein Zitat aus den Entscheidungsgründen. Wichtig: im Originalfall hatte J zudem gegenüber R wahrheitswidrig erklärt, er könne zu 100 % ausschließen, jemals mit CERA [dem Dopingmittel, das er verwendet hat] in Berührung gekommen zu sein. uE ist das aber nicht entscheidend. Wir haben den Sachverhalt verkürzt. Hier die Gründe des OLG Stuttgart:

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.6.2020, 16:14:58

„… [J hat] auch durch die Teilnahme an den weiteren Etappen der Tour de France konkludent getäuscht […]. Wie bereits ausgeführt, bestand aufgrund des bestehenden Vertrags mit [R] für den [J] die Hauptpflicht, dopingfreie sportliche Radsportleistung zu erbringen. Die Teilnahme an den Etappen enthält gegenüber dem Vertragspartner (also [R] […]) die konkludente Erklärung, die geschuldete Leistung zu erbringen und nicht gedopt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erklärung des [J] [er könne zu 100 % ausschließen, jemals mit CERA in Berührung gekommen zu sein]. Wie der BGH klar gestellt hat, kommt die konkludente Erklärung einer solchen Negativtatsache insbesondere dann in Betracht, wenn es - wie hier - um erhebliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.6.2020, 16:15:24

das konkludente kommunikative Verhalten bezieht […]. Bei dieser konkludenten Erklärung handelt es sich um eine Täuschung durch

aktives Tun

. Denn die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer

Täuschung durch Unterlassen

bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun anknüpfen, wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die zur unverzichtbaren Grundlage des Vertragsverhältnisses zählen […]. Die Frage nach einer

Garantenpflicht

des Angeklagten stellt sich deshalb nicht.


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