Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Betrug (§ 263 StGB)
Teilnahme an Sportwettkampf: kein Doping
Teilnahme an Sportwettkampf: kein Doping
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
J nimmt an einem mehrwöchigen internationalen Radrennen Teil. Im Arbeitsvertrag mit Rennstall-Inhaber R verpflichtet sich J zur dopingfreien Teilnahme am Wettkampf. Nach der dritten Etappe stellt sich heraus, dass J die ganze Zeit über gedopt war.
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Einordnung des Falls
Teilnahme an Sportwettkampf: kein Doping
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. J hat R durch Teilnahme an dem Radrennen über seine Dopingfreiheit getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Johnny
23.5.2020, 10:07:37
Die Annahme
konkludenten Handelns erscheint mir hier arg konstruiert. J müsste auch in seiner Vorstellung durch die Teilnahme R täuschen wollen. Nach meiner Ansicht müsste die Täuschungshandlung doch in der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags liegen, oder es müsste auf Begehen durch Unterlassen abgestellt werden - eine Garantenstellung wäre wohl problemlos aus dem Vertragsverhältnis abzuleiten.
Eigentum verpflichtet 🏔️
24.5.2020, 09:16:03
J müsste es zumindest billigend in Kauf nehmen, R durch seine Teilnahme zu täuschen. Davon kann man hier ausgehen, schließlich hat er sich vertraglich verpflichtet, genau das nicht zu tun.
Eigentum verpflichtet 🏔️
24.5.2020, 09:18:04
Unrechtsschwerpunkt ist die Teilnahme trotz Dopings. Daher Täuschung durch
konkludentes Handeln, nicht durch Unterlassen (des Hinweises, dass er gedopt hat).
Johnny
24.5.2020, 10:10:04
Ich finde hier wird ein Kommunikationsgehalt in eine Handlung hinein interpretiert, der nach allgemeiner Lebenserfahrung abwegig ist. Der Missbrauch von leistungssteigernden Substanzen ist im Profi-Radsport recht verbreitet. Kann ein objektiver Beobachter also aus der Aussage 'J nimmt an der Tours de France teil' heraushören: 'J nimmt am Rennen teil, ohne gedoped zu haben'? - wohl eher nicht. Da auch die meisten Profi-Radsportler gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen unterliegen, nicht zu dopen, ist äußerst fraglich in wie weit sich hieraus Einschränkungen ergeben sollen. Bloß weil ich zu einem früheren Zeitpunkt etwas zugesichert habe, sage ich nicht durch jede spätere Handlung "Ich verhalte mich übrigens gerade vertragskonform!"
Christian Leupold-Wendling
22.6.2020, 16:14:11
Hi Johnny, danke für die Anmerkung! Welchen
konkludenten Erklärungsgehalt ein Verhalten hat, hängt von der Verkehrsanschauung ab. Diese ist nicht 100% eindeutig bestimmbar. Uns scheint eine abweichende Auffassung vertretbar. Eigentum verpflichtet, danke für Deine Einschätzung, die auch der des OLG Stuttgart entspricht. Vielleicht hilfreich hier noch ein Zitat aus den Entscheidungsgründen. Wichtig: im Originalfall hatte J zudem gegenüber R wahrheitswidrig erklärt, er könne zu 100 % ausschließen, jemals mit CERA [dem Dopingmittel, das er verwendet hat] in Berührung gekommen zu sein. uE ist das aber nicht entscheidend. Wir haben den Sachverhalt verkürzt. Hier die Gründe des OLG Stuttgart:
Christian Leupold-Wendling
22.6.2020, 16:14:58
„… [J hat] auch durch die Teilnahme an den weiteren Etappen der Tour de France
konkludentgetäuscht […]. Wie bereits ausgeführt, bestand aufgrund des bestehenden Vertrags mit [R] für den [J] die Hauptpflicht, dopingfreie sportliche Radsportleistung zu erbringen. Die Teilnahme an den Etappen enthält gegenüber dem Vertragspartner (also [R] […]) die
konkludente Erklärung, die geschuldete Leistung zu erbringen und nicht gedopt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erklärung des [J] [er könne zu 100 % ausschließen, jemals mit CERA in Berührung gekommen zu sein]. Wie der BGH klar gestellt hat, kommt die
konkludente Erklärung einer solchen Negativtatsache insbesondere dann in Betracht, wenn es - wie hier - um erhebliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich
Christian Leupold-Wendling
22.6.2020, 16:15:24
das
konkludente kommunikative Verhalten bezieht […]. Bei dieser
konkludenten Erklärung handelt es sich um eine Täuschung durch
aktives Tun. Denn die Grenze zwischen einer aktiven
konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun anknüpfen, wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die zur unverzichtbaren Grundlage des Vertragsverhältnisses zählen […]. Die Frage nach einer Garantenpflicht des Angeklagten stellt sich deshalb nicht.