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Klassisches Klausurproblem

A wurde arbeitslos und bezog berechtigterweise Arbeitslosengeld II. Ihm war bekannt, dass er gesetzlich verpflichtet ist (§ 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I), Veränderungen in seinen Vermögensverhältnissen unverzüglich gegenüber der Agentur für Arbeit anzuzeigen. Als er ein Jahr später eine neue Arbeitsstelle fand, teilte er dies der zuständigen Sachbearbeiterin bei Agentur für Arbeit nicht mit. Er erhielt weiter Arbeitslosenhilfe, ohne dazu berechtigt zu sein.

Einordnung des Falls

Sozialhilfebetrug – Täuschung durch Unterlassen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat durch die Entgegennahme der Arbeitslosenhilfe konkludent "getäuscht", dass er die Voraussetzungen erfüllt (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein!

Täuschungshandlung ist die ausdrückliche oder konkludente intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung. Eine konkludente Täuschung liegt in einem irreführenden Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist, der ein gewisser Erklärungswert beizumessen ist.In der Entgegennahme von Sozialleistungen, wie Arbeitslosengeld, bringt der Empfänger jedoch weder zum Ausdruck, dass er die Voraussetzungen zum Bezug (noch) erfülle noch, dass diese geschuldet sein. Mithin liegt keine konkludente Täuschung des A vor.

2. A hat bei der Entgegennahme der Leistungen durch Unterlassen getäuscht, da ihn eine Pflicht zur Aufklärung traf (§ 263 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Um durch ein Unterlassen zu täuschen, hätte A eine strafbewehrte Aufklärungspflicht, die ihn aus einer Garantenstellung (§ 13 StGB) trifft, verletzen müssen. Denn im bloßen Ausnutzen eines Irrtums des Opfers ist keine Täuschungshandlung iSd § 263 Abs. 1 StGB zu sehen. Dabei muss das Unterlassen der gebotenen Aufklärung einem Tun gleichstehen. Eine Garantenstellung kann sich aus Ingerenz, Gesetz, besonderem Vertrauensverhältnis oder Treu und Glauben ergeben.Die Garantenstellung des A ergibt sich kraft Gesetzes aus der für alle Sozialleistungen maßgeblichen Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I zugunsten der Vermögensinteressen der Sozialleistungsträger. Folglich trifft A als Sozialleistungsempfänger eine Pflicht zur Aufklärung. Indem A seine neue Anstellung nicht anzeigte, verletzte er seine Aufklärungspflicht und täuschte damit gegenüber der Agentur für Arbeit durch Unterlassen.

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BEN

benjaminmeister

8.2.2024, 09:01:56

MMn. ist die letzte Frage ungünstig formuliert: A hat bereits durch strafbewährtes Unterlassen getäuscht, als er die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses nicht angezeigt hat. Die Täuschung liegt nicht erst im Unterlassen bei Erhalt des Lohnes. Der Erhalt dürfte nur im OLG-Fall entscheidend gewesen sein, weil dort auf § 60 I S. 2 abgestellt werden musste, weil A die Leistung, die eig. für die dann verstorbene Mutter bestimmt war, nie beantragt/erhalten (kein Fall des § 60 I S. 1) hat. Im OLG-Fall entstand die Aufklärungspflicht tatsächlich erst mit dem Zufluss der unberechtigten Leistung, da ihn erst in diesem Moment die Pflicht zur Rückerstattung zur Aufklärung verpflichtet hat.


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