Anspruch gegen den bösgläubigen Besitzer gem. § 1007 Abs. 1 BGB
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Arbeitgeber A überlässt seinem Arbeitnehmer N einen Dienstwagen zu rein dienstlichen Zwecken. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gibt N den Wagen nicht an A heraus. A fordert den Wagen zurück.
Einordnung des Falls
Anspruch gegen den bösgläubigen Besitzer gem. § 1007 Abs. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses war N Besitzer des Dienstwagens.
Nein, das trifft nicht zu!
2. Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hatte A jederzeit einen Herausgabeanspruch gegen N (§ 1007 Abs. 1 BGB).
Nein!
3. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat N Besitz am Firmenwagen erworben.
Genau, so ist das!
4. N war bei Besitzerwerb bösgläubig im Sinne des § 1007 Abs. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
5. A hat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Herausgabenanspruch gegen N (§ 1007 Abs. 1 BGB).
Ja!
6. Der Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB ist ein petitorischer Anspruch.
Genau, so ist das!
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Willenserklärer
15.4.2020, 12:56:51
Ich weiß, dass 861 ein poss. Anspruch (vorläufige Klärung der Besitzverhältnisse) und 1007 ein petit. Anspruch (endgültige Regelung derselben) ist. Allerdings nur, weil ich das so gelesen/gelernt habe. Aus dem Gesetz heraus wird mir das nicht klar. Was ist denn die teleologische oder systematische Begründung/Herleitung und welchen praktischen Vorteil hat die Unterscheidung?
Stefan Thomas Neuhöfer
15.4.2020, 14:18:58
Hi, spannende Frage! Systematisch: Possesorische Ansprüche sind im Buch 3, Abschnitt 1 (Besitz) geregelt. Petitorische Ansprüche hingegen Buch3, Abschnitt 3, Titel 4 (Ansprüche aus Eigentum). Beide Ansprüche unterscheiden sich in den Anspruchsvoraussetzungen: §§ 861, 862 setzen verbotene Eigenmacht gegen den Besitzer voraus (§ 858 BGB), der Anspruch aus § 1007 Abs. 1 und 2 hingegen nicht (die genauen Voraussetzungen sind nach den beiden Ansprunchsgrundlagen in Abs. 1 und Abs. 2 verschieden).
Stefan Thomas Neuhöfer
15.4.2020, 14:19:15
Wesentlicher praktischer Unterschied ist, dass die possesorischen Ansprüche im einstweiligen zivilprozessualen Rechtsschutz nicht die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes erfordern. Man kann also mit dem "blanken" materiellen Anspruch einstweiligen Rechtsschutz in Form einer einstweiligen (Leistungs-)Verfügung bekommen. Das liegt daran, dass diese schnell und unmittelbar durchsetzbar sein sollen (vgl. § 863 BGB) und der Anspruchsteller sich auch im Wege der Selbsthilfe den Besitz wiederverschaffen könnte. Das soll durch die Inanspruchnahme der Gerichte nicht verschlechtert werden. Ergo: Possessorische Ansprüche sind prozessual schnell durchsetzbar (wichtig z.B. wenn der Vermieter im Winter die Fenster aushängt).
Stefan Thomas Neuhöfer
15.4.2020, 14:19:32
Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan
Schoelli
24.2.2022, 20:03:15
Aber hat N nicht auch den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt, sodass A auch aus 861 herausverlangen könnte?
jomolino
14.3.2022, 15:29:14
Könntet ihr noch Aufgaben ergänzen die stärker auf die einzelnen Voraussetzungen der possessorischen wie petitorischen Ansprüche eingehen, und nicht nur (wie in einigen Fällen den Anspruch als solchen abfragen. Gut wäre auch eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Voraussetzungen, vielleicht durch eine zuordnungsaufgabe?
Lukas_Mengestu
15.3.2022, 11:06:38
Lieben Dank für den Hinweis, nomamo. Gerne werden wir hierzu noch einige Fälle ergänzen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
cjackson94
8.12.2022, 17:21:55
Hier wird bei der Bösgläubigkeit auf § 932 II BGB verwiesen. Da bezieht sich doch die Bösgläubigkeit auf die Eigentümerstellung. Müsste man nicht eher auf § 990 I BGB verweisen? Da bezieht sich ja die Bösgläubigkeit bzw. Gutgläubigkeit auf die fehlende Besitzberechtigung wie im vorliegenden Fall.
Nora Mommsen
8.12.2022, 19:03:45
Hallo cjackson94, bei der Bösgläubigkeit sind immer drei Punkte zu prüfen. Bezugspunkt, Zeitpunkt, Maßstab. Während die ersten beiden Punkte sich bei § 990 Abs. 1 BGB und § 932 Abs. 2 BGB unterscheiden, wird der Maßstab von § 932 Abs. 2 BGB festgelegt. § 990 Abs. 1 BGB definiert einen anderen Bezugspunkt (Besitzrecht) und Zeitpunkt (zwei verschiedene). Einen eigenen Maßstab legt die Norm aber nicht fest. Generell gilt, dass im Zivilrecht - wenn keine eigene Definition besteht häufig auf die Definition aus § 932 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden kann. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
cjackson94
8.12.2022, 19:05:53
Danke für die schnelle Antwort! :)
evanici
14.9.2023, 14:07:37
Und ein Herausgabeanspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses würde sich dann woraus ergeben? Aus dem Arbeitsvertrag? Oder ggf. aus einem konkludent geschlossenen Verwahrungsvertrag zwischen A und N? Oder tatsächlich gar nicht?