Anspruchsausschluss nach § 1007 Abs. 3 BGB


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der seriös auftretende Hehler H verkauft B eine gestohlene Uhr. B weiß dabei nicht, dass es sich um eine gestohlene Uhr handelt, erfährt dies jedoch kurz danach. Bei einem Einbruch wird B die Uhr durch Dieb D entwendet. Zwei Jahre später verlangt B die Uhr von D heraus.

Einordnung des Falls

Anspruchsausschluss nach § 1007 Abs. 3 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D hat B den Besitz an der Uhr durch verbotene Eigenmacht entzogen.

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Genau, so ist das!

Verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) ist jede widerrechtlich vorgenommene Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers in der Ausübung seiner tatsächlichen Sachherrschaft. Widerrechtlich ist die Besitzbeeinträchtigung, wenn sie ohne den Willen des Besitzers erfolgt und gesetzlich nicht besonders gestattet ist. Die Beeinträchtigung kann in einer Sachentziehung oder in einer sonstigen Störung bestehen.D hat B den Besitz an der Uhr gegen dessen Willen entzogen (Diebstahl, § 242 Abs. 1 StGB). Dies war auch nicht gesetzlich gestattet.

2. B hat gegen D einen Anspruch auf Herausgabe der Uhr aus § 861 Abs. 1 BGB (possessorischer Besitzschutz).

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Nein, das trifft nicht zu!

Der Herausgabeanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Besitzentzug beim Anspruchsteller durch verbotene Eigenmacht, (2) fehlerhafter Besitz des Anspruchsgegners, (3) kein Ausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB, (4) kein Erlöschen nach § 864 BGB. D entzog B den Besitz mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB). D besitzt auch fehlerhaft gegenüber B, da er die verbotene Eigenmacht selbst begangen hat (§ 858 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Anspruch ist nicht nach § 861 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Jedoch ist der Anspruch nach § 864 Abs. 1 BGB erloschen, da mehr als ein Jahr vergangen ist, seit D die verbotene Eigenmacht verübt hat. Anders als § 195 BGB ist § 864 Abs. 1 BGB gesetzessystematisch keine Verjährungs- sondern eine Ausschlussfrist.

3. B war gutgläubig (§ 1007 Abs. 3 S. 1 BGB), als er den Besitz an der Uhr von H erwarb.

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Ja!

§ 1007 Abs. 1 und 2 BGB schützen nur den berechtigten früheren Besitzer, sowie den unberechtigten, aber bei Besitzerwerb gutgläubigen früheren Besitzer ( § 1007 Abs. 3 S. 1 BGB). Der frühere Besitzer ist dann nicht gutgläubig, wenn er den Mangel seines Besitzrechts bei Besitzerwerb kannte oder grob fahrlässig verkannte. B wusste weder, dass die Uhr aus einer Straftat stammt, noch hat er dies grob fahrlässig verkannt. H trat ihm gegenüber seriös auf. Auch die spätere Kenntnis von der Herkunft der Uhr schadet B nicht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Besitzerwerb.

4. B hat gegen D einen Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB (petitorischer Besitzschutz).

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Genau, so ist das!

Der Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB hat folgende Voraussetzungen: (1) Früherer Besitz des Anspruchstellers an beweglicher Sache, (2) jetziger Besitz des Anspruchsgegners, (3) Bösgläubigkeit des Anspruchsgegners bei Besitzerwerb, (4) kein Ausschluss des Anspruchs nach § 1007 Abs. 3 BGB. B war einst Besitzer der Uhr. Durch den Diebstahl der Uhr wurde D Besitzer. D war bei Besitzerwerb auch bösgläubig. Der Anspruch ist auch nicht nach § 1007 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

5. Der Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB unterliegt der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1, 4 BGB).

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Ja, in der Tat!

Der Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB verjährt nach der regelmäßigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1, 4 BGB) innerhalb von drei Jahren.Daher kann B, auch wenn der Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB nach § 864 Abs. 1 BGB erloschen ist, immer noch nach § 1007 Abs. 1 BGB gegen D vorgehen.

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CH

Christian

11.1.2020, 15:01:18

Bei der Erläuterung der Antwort auf die vorletzten Frage (§ 1007 BGB) fehlt meine ich ein „nicht“. „....B war bei Besitzerwerb nicht bösgläubig.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

14.1.2020, 12:11:40

Hi Christian, danke für die Nachricht. Die vorletzte Antwort bezieht sich allerdings nicht auf "B", sondern auf den Dieb "D". Der war bei Besitzerwerb bösgläubig.

JU

jurRef

3.8.2021, 09:44:10

In den Antworten wird benannt, dass der Anspruch nach § 1007 Abs. 3 nicht ausgeschlossen ist. Allerdings verweist doch Satz 2 explizit auf die §§ 986ff. § 990 S. 2 stellt doch klar, dass es der Kenntnis zum Zeitpunkt des Erwerbs des Besitzes gleichsteht, wenn der Besitzer später erfährt, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist. Hier hat doch B nach Erwerb erfahren, dass es sich um einen gestohlene Uhr handelt. Ist er dann nicht bösgläubig iSd § 1007 Abs. 3? Oder bezieht sich § 990 lediglich auf die Haftung des Besitzers gegenüber dem Eigentümer? Vielen Dank!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 13:50:01

Hallo jurKing, im Hinblick auf den guten Glauben ist § 1007 Abs. 3 S. 1 BGB durchaus abschließend. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut ("Im Übrigen"). § 1007 Abs. 3 S. 2 BGB zielt insoweit primär darauf ab, dem früheren Besitzer dem der Besitz entzogen wurde (hier: B) neben dem Herausgabeanspruch auch die übrigen EBV-Ansprüche gegenüber dem Schuldner (hier: D) zuzubilligen (Schadensersatz, Nutzungsersatz). Umgekehrt ist er unter Umständen zum Verwendungsersatz verpflichtet (vgl. hierzu, Raff, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 1007 RdNr. 35 ff.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ira

Ira

11.8.2021, 16:15:40

ich kommen nun ein wenig durcheinander - die Sache war doch abhanden gekommen - auch wenn B gutgläubig war....er hatte die Sache v einem Hehler gekauft!

Ira

Ira

11.8.2021, 16:18:36

komme*

VI

Victor

12.8.2021, 08:42:37

Da hast du Recht. Das spielt aber hier für den Anspruch aus § 1007 BGB gegen D gerade keine Rolle. Anders als beim vorigen § 861 BGB

Ira

Ira

12.8.2021, 10:31:38

Also wenn ich das nun richtig verstehe, kann man nicht das Eigentum an abhandenkommenen Sachen gutgläubig erwerben, vgl §935 - jedoch wohl den Besitz, vgl § 1007 III !?

VI

Victor

13.8.2021, 08:42:15

Yes genau!

Ira

Ira

13.8.2021, 10:06:17

Danke!

Juramaus

Juramaus

30.1.2023, 09:58:28

Wieso wird bei der Frist auf 199 Abs. 4 verwiesen, Also eine Verjährung in 10 Jahren, aber in der Lösung sprecht ihr nur von 3 Jahren?

EV

evanici

14.9.2023, 14:15:47

Wieso ist § 197 I Nr. 2 nicht einschlägig? Weil Besitz kein anderes dingliches Recht im Sinne der Vorschrift ist?

Dogu

Dogu

9.11.2023, 14:15:27

Zumindest mich hat er verwirrt. "Kein dingliches Recht ist der Besitz, weil er lediglich die Ausübung der tatsächlichen Herrschaftsmacht des Besitzers ist, selbst aber kein Recht des Besitzers hierzu darstellt (BGHZ 32, 194 (204) = NJW 1960, 1201). Der Gesetzgeber hat deshalb ganz bewusst davon abgesehen, Ansprüche nach §§ 861, 1007 der Verjährungsfrist nach Nr. 2 zu unterstellen (BT-Drs. 14/6857, 6, 42)." Henrich BeckOK BGB, Hau/Poseck 67. Edition Stand: 01.08.2023


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