Anfängliche Rechtsgrundlosigkeit, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 (condictio indebiti)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S fährt das Auto des E an. S gibt dem Fahrer D €1.000 als Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB), da er D für den Eigentümer hält. Tatsächlich hatte D das Auto gerade gestohlen.
Einordnung des Falls
Anfängliche Rechtsgrundlosigkeit, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 (condictio indebiti)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. D hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
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Ja!
2. Eigentum und Besitz an den Geldscheinen hat D „durch Leistung“ des S (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erlangt.
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Genau, so ist das!
3. S hat die Leistung an D "ohne rechtlichen Grund" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erbracht.
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Ja, in der Tat!
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Robert910
2.5.2020, 11:45:31
Wieso hat bei der ersten Frage D Eigentum am Auto erlangt? Dem dürfte § 935 BGB entgegenstehen.

Christian Leupold-Wendling
21.6.2020, 12:36:03
Hi Robert, danke für die Frage. In der ersten Frage geht es um das Geld, nicht das Auto. § 935 BGB steht einem gutgläubigen Erwerb entgegen, wenn die Sache „abhanden gekommen“ ist (hier nicht der Fall). Nach § 935 Abs. 2 BGB ist die Norm zudem nicht auf Geld anwendbar.
ManuMomo
12.2.2021, 12:27:49
Liegt mit § 951 nicht doch ein Rechtsgrund vor, weil S mit seiner Zahlung an D von seiner Pflicht frei geworden ist?

Lukas_Mengestu
26.4.2021, 16:41:49
Hallo ManuMomo, könntest Du das vielleicht noch etwas näher erläutern, inwiefern Du § 951 BGB hier für anwendbar hälst? Gegenüber E wird S durch Zahlung an D gerade nicht von seiner Verpflichtung zum Schadensersatz (§ 823 I StGB /§ 7 I StVG) frei. Denn für die Erfüllungswirkung des § 362 I BGB muss grds. an den berechtigten Gläubiger geleistet werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ANY
31.1.2022, 08:13:56
Vermutlich war § 851 gemeint. Wie wirkt sich dieser bereicherungsrechtlich aus?

Simon
26.3.2023, 22:01:55
Dann wäre der Fall mE wie folgt zu lösen: S hat keine Bereicherungsansprüche gegen D, da § 851 BGB einen Rechtsgrund für die Erlangung von Eigentum und Besitz an dem Geld darstellt. Daher sind Ansprüche des E gegen den D zu prüfen: D hat Eigentum und Besitz am Geld erlangt. Dies geschah auch auf Kosten des E, da § 851 BGB (als Folge der Leistung des S an den D) zum Erlöschen seines Anspruches gegen S führt. Daher auch Erlangung in sonstiger Weise. § 851 BGB stellt im Verhältnis zwischen E und D keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen dar, denn die Norm soll nur den gutgläubigen S schützen. Vorrang der Leistungskondiktion greift hier nicht, denn die Leistung des S an den D wirkt wie eine Leistung an E, sodass S nicht vor Einwendungen des D geschützt werden muss, und auch das Insolvenzrisiko keine Rolle für S spielt. D kann sich, da er bösgläubig ist, wegen §§ 814 IV, 819 I, 292, 987 ff. BGB nicht auf Entreicherung berufen. Damit kann E den Geldbetrag von D herausverlangen.
se.si.sc
17.6.2023, 09:17:16
Interessant, sehe die Diskussion hier gerade erst zufällig. Ich stimme mit dem ersten Teil dessen überein, was Simon geschrieben hat. Nun kann man im wertungsgeprägten Bereicherungsrecht vieles vertreten, anders als Simon sehe ich hier aber keinen Grund, vom Vorrang der Leistungsbeziehung abzurücken und komme deswegen zum Zwischenergebnis, dass ein Anspruch des E gegen D aus Nichtleistungskondiktion ausscheidet, weil D das Bargeld durch Leistung des S erhalten hat. Den Ausgleich zwischen E und D würde ich dann schlicht (so nach meiner kurzen Recherche wohl auch die gängige Kommentarmeinung, zB MüKo-BGB, § 851 Rn 8) über § 816 II BGB laufen lassen, der genau für solche Fälle da ist. Die Wirksamkeit der Leistung des S and D ggü E folgt hier dann aus § 851 BGB.
Jonas91
17.6.2023, 08:58:05
Dass E „Halter des Wagens“ ist, wäre doch aber nur für eine Passivlegitimation wichtig , oder ? Für die Aktivlegitimation für einen Anspruch aus 7 I StVG kommt es doch eigentlich auf die Eigentümerstellung des E an? Oder werfe ich da was durcheinander?
Kind als Schaden
18.7.2023, 19:07:06
Im Ergebnis sehe ich das genau so. Es ist so, dass die Halterstellung vermuten lässt, dass der Halter auch Eigentümer ist. Aber klar: Der Halter !muss nicht! auch gleichzeitig Eigentümer sein, zumal vorliegend auch auf § 823 I BGB abgestellt wird und nicht auf § 7 StVG.