obligandi causa

6. Februar 2025

8 Kommentare

4,8(23.950 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G nimmt für seinen Nachbar N ein Paket an. G bezahlt dabei auch die dem Empfänger obliegende fällige Zustellgebühr.

Diesen Fall lösen 80,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

obligandi causa

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat für N ein berechtigtes Geschäft ohne Auftrag geführt (GoA, §§ 677, 683 S.1 BGB).

Genau, so ist das!

Für eine berechtigte GoA müsste G ein Geschäft für den N mit Fremdgeschäftsführungswillen besorgt haben, ohne von diesem beauftragt gewesen zu sein. Auch muss einer der in den §§ 677ff. BGB normierten Berechtigungsgründe vorliegen. G wurde im Rechtskreis des N tätig, sodass ein objektiv fremdes Geschäft vorliegt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei einem objektiv fremden Geschäft vermutet. Auch lag kein Auftrag vor. Die Annahme des Pakets war objektiv nützlich für den N und somit in seinem Interesse (§ 683 S.1 BGB). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist zu vermuten, dass die Annahme auch dem Willen des N entsprach. Eine berechtigte GoA liegt somit vor.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. N hat "etwas erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen an fremden Sachen oder Rechten. Ursprünglich hatte N die Pflicht, bei Annahme des Pakets eine Zustellgebühr an den Dienstleister zu zahlen. Hiervon ist er durch die Zahlung des G frei geworden.

3. N hat die Befreiung von der Zahlungspflicht gegenüber dem Paketdienstleister "durch Leistung" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) des G erlangt.

Ja!

Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Für das Leistungsbewusstsein ist ein rechtsgeschäftlicher Wille nicht erforderlich. Es genügt natürliche Einsichtsfähigkeit. G leistete bewusst auf die Schuld des N, um den N von seiner Leistungspflicht zu befreien.

4. G hat die Leistung an N "ohne rechtlichen Grund" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erbracht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es gibt keine einheitliche Definition der Rechtsgrundlosigkeit, die für alle Leistungskondiktionen gelten würde. Es sind zu unterscheiden: (1) anfängliches Fehlen einer Verbindlichkeit (condictio indebiti), (2) Rechtsgrund bestand, ist aber nachträglich entfallen (condictio ob causam finitam), (3) Leistung verfolgt einen Zweck, der über Befreiung von einer Verbindlichkeit hinausgeht (condictio ob rem) und (4) Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistungsempfängers (condictio ob turpem vel iniustam causam). Hier ist keine der Fallgruppen einschlägig. Eine berechtigte GoA schließt tatbestandlich den Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB aus. Durch die Leistung des G hat G ein gesetzliches Schuldverhältnis mit N begründet (berechtigte GoA). Die berechtigte GoA bildet grundsätzlich einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Ausnahme: Geschäftsbesorgung erfolgte aufgrund eines beendeten oder nichtigen Vertrags).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

26.5.2024, 10:25:15

Worin genau liegt hier die zweckgerichtete Vermögenmehrung? Ich hätte jetzt eher gesagt der G bezahlt aus

Gefälligkeit

und nicht weil er irgendeinen Zweck mit der Zahlung verfolgt

LELEE

Leo Lee

27.5.2024, 08:45:30

Hallo Blotgrim, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man vorliegend meinen, der G verfolge hier keinen Zweck. Achten jedoch darauf, dass der G hier bewusst die Zustellgebühr für den N zahlt und damit zur Erfüllung einer (Dritt-)Verbindlichkeit zahlt, was ebenfalls eine zweckgerichtete Vermehrung des Vermögens (der Post) darstellt :)! Liebe Grüße – für das

Jurafuchs

team – Leo

LENA1

Lena123

21.1.2025, 19:23:41

Ist dies kein Fall des 267 I? In solchen Fällen greift doch die NLK

Ala

Ala

22.1.2025, 09:23:59

Sehe es so wie @[Lena123](234295). Eine Leistung liegt doch vor zwischen dem G und dem Absender des Pakets /Paketzusteller. Zweck der vermögensmehrung = tilgungsbestimmung (§ 267 BGB) und Rechtsgrund = das schuldverhältnis zwischen N und dem Absender/Paketzusteller. So wurde es in anderen fällen hier gelöst.

Ala

Ala

22.1.2025, 09:57:17

Sehe es so wie @[Lena123](234295)! Habe es in einem neuen Thread näher ausgeführt.

Ala

Ala

22.1.2025, 09:54:02

wenn ich mir parallel diesen fall anschaue: https://applink.

jurafuchs

.de/ETx2dEXomQb bin ich total verwirrt. Wieso wird überhaupt eine Leistung zwischen G und N angenommen? Gemäß dem oben verlinkten Fall müsste hier doch auch eine Leistung durch Dritte (§ 267 I) vorliegen - eine Leistung von G an den Dienstleister! Wieso ist das hier kein Fall einer

Rückgriffskondiktion

? Gemäß diesem Fall (https://applink.

jurafuchs

.de/dSdBigzqmQb) hier müsste/könnte(?) man für den Rechtsgrund auf das Vertragsverhältnis zwischen N und dem Dienstleister abstellen. Auch in diesem zweiten verlinkten Fall wird keine Leistung zwischen dem Leistenden und demjenigen, der die befreiung von der verbindlichkeit erlangt, angenommen, sondern hwischen dem Leistenden und dem Zahlungsempfänger. wo ist der unterschied? Ich bitte um zeitnahe Aufklärung. Wir (meine Lerngruppe und ich) dachten eigentlich, wir haben das

Bereicherungsrecht

verstanden, doch durch diese Fälle sind wir nun maximal verwirrrt 🙈


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen