Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Betrug (§ 263 StGB)

Individueller Schadenseinschlag III - Opfer kann nicht mehr über Mittel verfügen für ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeit / angemessene Wirtschafts- und Lebensführung

Individueller Schadenseinschlag III - Opfer kann nicht mehr über Mittel verfügen für ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeit / angemessene Wirtschafts- und Lebensführung

19. April 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Vertreter V verkauft Bäuerin B eine Melkmaschine zum „Sonderpreis“ von €350.000, was dem objektivem Wert entspricht. Damit sie sich die Maschine leisten kann, verschuldet sie sich derart, dass sie ihre persönlichen Lebensverhältnisse auf eine Minimum zurückschrauben muss.

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Einordnung des Falls

Individueller Schadenseinschlag III - Opfer kann nicht mehr über Mittel verfügen für ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeit / angemessene Wirtschafts- und Lebensführung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da der objektive Wert der Melkmaschine dem von B gezahlten Kaufpreis entspricht, liegt kein Vermögensschaden vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo, welches im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse im Zusammenhang mit der Vermögensverfügung ermittelt wird. Er liegt auch vor, wenn durch den Vertrag ein starker Liquiditätsmangel verursacht wird. Der Geschädigte kann dann Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen oder kann sich eine angemessenen Lebensführung nicht mehr leisten.B hat sich wegen des „Sonderangebots“ derart verschuldet, dass sie ihre persönlichen Lebensverhältnisse auf ein Minimum zurückschrauben musste.Vermögen ist auch die Freiheit, die Vermögensbestandteile entsprechend den eigenen Bedürfnisses zu verwenden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SAUFE

Saufen_Fetzt

23.12.2022, 02:31:08

Würde vielleicht noch explizit in den Fall reinschrieben dass sie nur wegen dem fälschlichen Sonderangebot zugeschlagen hat. 263 ist zwar eine reine Dulli-Schutz Vorschrift, geht dann aber nicht so weit, dass sie jedem, der sich wirtschaftlich übernimmt, einen Darfschein erteilt, was der Fall hier mE ein wenig suggeriert. Insgesamt ist das ganze Thema natürlich schwierig: mE ist es nicht vertretbar zu argumentieren, dass jemand geschützt werden soll, der ang

esi

chts eines “Sonderangebots” nicht mal zwei Minuten Aufwand investiert, um den tatsächlichen Marktpreis zu ergooglen. Auch wäre es ja objektiv ein “Sonderangebot” wenn der Preis €1 unter dem stabilen Marktpreis liegt. Wer dann dämlich genug ist und sich für den Kauf der Maschine massiv verschuldet, wäre nicht geschützt, während der noch viel größere Trottel, der ‘halt aider Website kauft, die bunter blinkt’ zur heiligen Kuh des Straf- und über 134 BGB auch des Zivilrechts erkoren wird.

BigLebowski

BigLebowski

2.9.2024, 17:30:17

Also zumindest diese Melkmaschinengeschichte davor war BGH-Judikatur aus dem Jahre 1961. Weiß nicht, wie das damals mitm Internet war.. Im übrigen ist damit den "Dullis" (Opfern einer Straftat?) geholfen. Ansonsten ja, kann man über den heutigen Verbraucherschutz und die "Rechtsfigur" streiten. Wobei ich mich persönlich über allen zusätzlichen Schutz freue, den ich haben kann.

juramen

juramen

28.12.2022, 03:26:46

Aber liegt es nicht im Rahmen der Privatautonomie, dass der Käufer selbst dafür verantwortlich ist, wie er mit seinem

Geld

umgeht? Einen tatsächlichen

Vermögensverlust

hat ie ja nicht erlitten, die Melkmaschine könnte jederzeit wieder verkauft werden…

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.1.2023, 12:13:18

Hallo juramen, du hast Recht, dass eigentlich ein tatsächlicher Vermögensschaden erforderlich ist - dies ist gerade das Wesen des Betruges. Dennoch hat der BGH einige Fallgruppen entwickelt, in denen das in absoluten Extremfällen anders zu bewerten sein kann. Der Verlust der persönlichen Lebensgrundlage aufgrund einer derartigen Verschuldung ist eine dieser Fallgruppen. Das kann man berechtigterweise als unsystematisch empfinden - der BGH hatte das Ziel damit in ganz konkreten Fällen unter Berücksichtigung besonders

verwerflich

en Verkäuferverhaltens Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Dies ist nun als Fallgruppe natürlich auch auf andere parallel gelagerte Fälle übertragbar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

17.9.2024, 15:46:45

Irgendwie klingt der graue Hinweis-Kasten wie eine Gleichsetzung von Vermögensschutz und Schutz der Dispositionsfreiheit, die ja eigentlich nicht durch § 263 I geschützt ist.

FalkTG

FalkTG

26.1.2025, 17:21:07

Also ich sehe um ganz ehrlich zu sein nicht, wieso der Schaden, durch den Täuschenden veranlasst sein soll und nicht aufgrund freiwilliger Selbstschädigung des Käufers. Ich meine, der Käufer hat es ja in der Hand, ob er sich die Maschine leisten kann oder nicht. Es realisiert sich hier sein Risiko der Diskalkulie. Was hat das Angebot damit zu tun?

OKA

okalinkk

8.3.2025, 13:15:43

Wie hoch ist der Vermögensschaden dann hier? sind das die 350 000 Euro + noch die weiteren Schäden?

LELEE

Leo Lee

10.3.2025, 17:26:03

Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es: Der Schaden beläuft sich hier auf den Betrag von 350k, da dies der tats. Schaden ist, der auch entstanden ist. Die ganze Diskussion davor fokussiert sich im Grunde nur auf die Frage, ob dieser subjektive Schadenseinschlag schlechthin als Schaden gewertet werden kann bzw. soll, da diese Fälle sehr nah an der Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit dran sind (was freilich nicht durch 263 StGB und den

Vermögensbegriff

geschützt wird). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hefendehl § 263 Rn. 993 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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