Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Betrug (§ 263 StGB)
Individueller Schadenseinschlag III - Opfer kann nicht mehr über Mittel verfügen für ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeit / angemessene Wirtschafts- und Lebensführung
Individueller Schadenseinschlag III - Opfer kann nicht mehr über Mittel verfügen für ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeit / angemessene Wirtschafts- und Lebensführung
17. Mai 2025
8 Kommentare
4,8 ★ (3.458 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Vertreter V verkauft Bäuerin B eine Melkmaschine zum „Sonderpreis“ von €350.000, was dem objektivem Wert entspricht. Damit sie sich die Maschine leisten kann, verschuldet sie sich derart, dass sie ihre persönlichen Lebensverhältnisse auf eine Minimum zurückschrauben muss.
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Einordnung des Falls
Individueller Schadenseinschlag III - Opfer kann nicht mehr über Mittel verfügen für ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeit / angemessene Wirtschafts- und Lebensführung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da der objektive Wert der Melkmaschine dem von B gezahlten Kaufpreis entspricht, liegt kein Vermögensschaden vor.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Saufen_Fetzt
23.12.2022, 02:31:08
Würde vielleicht noch explizit in den Fall reinschrieben dass sie nur wegen dem fälschlichen Sonderangebot zugeschlagen hat. 263 ist zwar eine reine Dulli-Schutz Vorschrift, geht dann aber nicht so weit, dass sie jedem, der sich wirtschaftlich übernimmt, einen Darfschein erteilt, was der Fall hier mE ein wenig suggeriert. Insgesamt ist das ganze Thema natürlich schwierig: mE ist es nicht vertretbar zu argumentieren, dass jemand geschützt werden soll, der angesichts eines “Sonderangebots” nicht mal zwei Minuten Aufwand investiert, um den tatsächlichen Marktpreis zu ergooglen. Auch wäre es ja objektiv ein “Sonderangebot” wenn der Preis €1 unter dem stabilen Marktpreis liegt. Wer dann dämlich genug ist und sich für den Kauf der Maschine massiv ver
schuldet, wäre nicht geschützt, während der noch viel größere Trottel, der ‘halt aider Website kauft, die bunter blinkt’ zur heiligen Kuh des Straf- und über
134 BGBauch des Zivilrechts erkoren wird.

BigLebowski
2.9.2024, 17:30:17
Also zumindest diese Melkmaschinengeschichte davor war BGH-Judikatur aus dem Jahre 1961. Weiß nicht, wie das damals mitm Internet war.. Im übrigen ist damit den "Dullis" (Opfern einer Straftat?) geholfen. Ansonsten ja, kann man über den heutigen Verbraucherschutz und die "Rechtsfigur" streiten. Wobei ich mich persönlich über allen zusätzlichen Schutz freue, den ich haben kann.

juramen
28.12.2022, 03:26:46
Aber liegt es nicht im Rahmen der Privatautonomie, dass der Käufer selbst dafür verantwortlich ist, wie er mit seinem
Geldumgeht? Einen tatsächlichen
Vermögensverlusthat ie ja nicht erlitten, die Melkmaschine könnte jederzeit wieder verkauft werden…

Nora Mommsen
2.1.2023, 12:13:18
Hallo juramen, du hast Recht, dass eigentlich ein tatsächlicher Vermögens
schadenerforderlich
ist - dies ist gerade das Wesen des Betruges. Dennoch hat der BGH einige Fallgruppen entwickelt, in denen das in absoluten Extremfällen anders zu bewerten sein kann. Der Verlust der persönlichen Lebensgrundlage aufgrund einer derartigen Ver
schuldung ist eine dieser Fallgruppen. Das kann man berechtigterweise als unsystematisch empfinden - der BGH hatte das Ziel damit in ganz konkreten Fällen unter Berücksichtigung besonders
verwerflichen Verkäuferverhaltens Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Dies ist nun als Fallgruppe natürlich auch auf andere parallel gelagerte Fälle übertragbar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning
17.9.2024, 15:46:45
Irgendwie klingt der graue Hinweis-Kasten wie eine Gleichsetzung von Vermögensschutz und Schutz der Dispositionsfreiheit, die ja eigentlich nicht durch § 263 I geschützt ist.

FalkTG
26.1.2025, 17:21:07
Also ich sehe um ganz ehrlich zu sein nicht, wieso der
Schaden, durch den Täuschenden veranlasst sein soll und nicht aufgrund freiwilliger Selbstschädigung des Käufers. Ich meine, der Käufer hat es ja in der Hand, ob er sich die Maschine leisten kann oder nicht. Es realisiert sich hier sein Risiko der Diskalkulie. Was hat das Angebot damit zu tun?
okalinkk
8.3.2025, 13:15:43
Leo Lee
10.3.2025, 17:26:03
Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es: Der
Schadenbeläuft sich hier auf den Betrag von 350k, da dies der tats.
Schadenist, der auch entstanden ist. Die ganze Diskussion davor fokussiert sich im Grunde nur auf die Frage, ob dieser subjektive
Schadenseinschlag schlechthin als
Schadengewertet werden kann bzw. soll, da diese Fälle sehr nah an der Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit dran sind (was freilich nicht durch 263 StGB und den
Vermögensbegriffgeschützt wird). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hefendehl § 263 Rn. 993 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo