Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Geheimer Vorbehalt / Scherzerklärung / Scheingeschäft
Kündigung unter geheimem Vorbehalt (§ 116 S. 1 BGB)
Kündigung unter geheimem Vorbehalt (§ 116 S. 1 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V kündigt dem M ordentlich das unbefristete Mietverhältnis über eine Kneipe in der Münchener Innenstadt, obwohl sie das in Wirklichkeit nicht will. Sie hofft, dass M sie anflehen wird, das Mietverhältnis weiterzuführen, und deshalb einer saftigen Mieterhöhung zustimmen wird.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kündigung unter geheimem Vorbehalt (§ 116 S. 1 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. V hat eine Kündigungserklärung abgegeben.
Ja!
3. Da V das Mietverhältnis tatsächlich nicht kündigen wollte, ist ihre Kündigungserklärung nichtig (§ 116 S. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Angesichts der wirksamen Kündigung durch V endet das Mietverhältnis zwischen M und V mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ulmenhorst
19.11.2022, 13:05:05
Ist schon bemerkenswert: einerseits sei der Mieter schutzwürdig in Bezug auf 116 Abs. 2 BGB, was aber i.E. dazu führt, dass sein Mietverhältnis endet. Da fragt sich der Mieter vielleicht, was ihm seine Schutzwürdigkeit jetzt gebracht hat. Auf der anderen Seite dürfte dem Mieter aber ja in einem Prozess, in dem die Frage des geheimen Vorbehalts einer Kündigung erörtert und wie hier gelöst wird, regelmäßig ein SE-Anspruch wegen etwaiger Mehrausgaben für einen neuen Mietvertrag zustehen.
Lukas_Mengestu
22.11.2022, 15:44:41
Hallo Ulmenhorst, inwiefern sollte der Mieter hier einen Schadensersatzanspruch haben? Sofern die Kündigung rechtmäßig ergeht, ist es Vs gutes Recht, die Kündigung auszusprechen. Wenn M nun etwas anderes gefunden hat, dann kann er dort nach Ablauf der Mietzeit einziehen. Will V nun, dass M weiterhin bei ihr wohnt, so wird sie nicht umhin kommen, einen neuen Vertrag aufzusetzen. Im Zuge dessen können beide dann über die Kosten verhandeln, die durch die unnötige Suche verursacht wurden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
NF
1.4.2023, 21:50:50
Ulmenhorst, andererseits kann sich der Mieter jedenfalls trotz Vorbehalts auf die Kündigung "verlassen" und entsprechend handeln. Die Vermieterin muss für ihre Kündigung geradestehen, selbst wenn sie einen geheimen Vorbehalt hatte, und verliert einen Mieter, selbst wenn sie es nicht wollte. Falls die Vermiterin doch noch Interesse an dem Mietverhältnis hat, liegt es an ihr, dem Mieter ein entsprechendes Angebot zu machen, was der Mieter nach seiner Wahl annehmen oder ablehnen kann. Der Mieter ist mMn durch
§ 116 BGBauch nicht unangemessen benachteiligt, da er sich s.o. aus Rechtssicherheitsgründen wenigstens auf die Erklärung einstellen kann und die Vermieterin ja in diesem Fall ohnehin ein Kündigungsrecht hat, dass sie ausüben kann, ob mit oder ohne Vorbehalt.
silasowicz
6.8.2023, 14:36:14
Heißt das im Umkehrschluss, dass die Kündigung unwirksam gewesen wäre, wenn M Vs Vorbehalt gem. § 116 II gekannt hätte, auch wenn V das nicht weiß?
Leo Lee
10.8.2023, 16:59:16
Hallo silasowicz, genauso ist es. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärung kommt es immer darauf an, wie der EMPFÄNGER diese verstehen durfte bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Verkehrssitten + Treu und Glauben, §§ 133, 157, 242 BGB. D.h., V muss nicht wissen, dass der M weiß, dass V ihre Erklärung nicht "ernst gemeint" hat. Denn solange der Empfänger diese Reservation kennt, müssen wir nicht mehr den Rechtsverkehr "schützen" :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo