+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Lernplan ZR Kleiner Schein (100%)

V kündigt dem M ordentlich das unbefristete Mietverhältnis über eine Kneipe in der Münchener Innenstadt, obwohl sie das in Wirklichkeit nicht will. Sie hofft, dass M sie anflehen wird, das Mietverhältnis weiterzuführen, und deshalb einer saftigen Mieterhöhung zustimmen wird.

Einordnung des Falls

Kündigung unter geheimem Vorbehalt (§ 116 S. 1 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft.

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Ja, in der Tat!

Einseitige Rechtsgeschäfte bestehen, anders als Verträge, nur aus einer Willenserklärung (z.B. Testament, Widerruf, Anfechtung, Rücktritt, Kündigung). Hierbei ist zwischen empfangsbedürftigen Willenserklärungen (Kündigung, Rücktritt, Widerruf, Anfechtung) und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (Testament) zu unterscheiden. Eine wirksame Kündigung setzt als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nur eine Willenserklärung, die Kündigungserklärung und deren Zugang voraus. Eine Zustimmung des Vertragspartners ist zu ihrer Wirksamkeit nicht erforderlich.

2. V hat eine Kündigungserklärung abgegeben.

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Ja!

Eine Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf Beendigung eines Vertrages gerichtet ist. V handelte bewusst und wusste, dass sie eine rechtserhebliche Erklärung abgibt. Sie besaß also Handlungswille und Erklärungsbewusstsein. Jedoch wollte sie die Rechtsfolge einer Kündigung (Beendigung des Mietverhältnisses) nicht herbeiführen. Ihr fehlte damit der Geschäftswille. Dessen Fehlen ist aber aus Rechtsverkehrsschutzgründen unbeachtlich. Die Kündigung ging M auch zu und wurde damit wirksam (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB analog).

3. Da V das Mietverhältnis tatsächlich nicht kündigen wollte, ist ihre Kündigungserklärung nichtig (§ 116 S. 2 BGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Gibt der Erklärende eine Willenserklärung ab und behält sich dabei insgeheim vor, die Rechtsfolgen des Erklärten nicht zu wollen, ist dieser gegenüber dem Empfänger bewusst verheimlichte Vorbehalt (sog. „Mentalreservation“) unbeachtlich (§ 116 S. 1 BGB). Dies folgt auch aus der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB). Der Rechtsverkehr vertraut auf die abgegebene Willenserklärung. M wusste nicht, dass V ihm tatsächlich nicht kündigen wollte. Die Willenserklärung ist daher wirksam. Automatisch nichtig ist eine Willenserklärung unter einem geheimen Vorbehalt nur dann, wenn der Empfänger den Vorbehalt kennt (§ 116 S. 2 BGB) und somit nicht schutzwürdig auf die Erklärung vertrauen kann.

4. Angesichts der wirksamen Kündigung durch V endet das Mietverhältnis zwischen M und V mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.

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Ja, in der Tat!

Das zeitlich unbefristete Mietverhältnis endet durch Kündigung eines Vertragsteils nach Ablauf der Kündigungsfrist (§ 542 Abs. 1 BGB). Da dem M eine wirksame Kündigung der V zugegangen ist, endet das Mietverhältnis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Bei Mietverhältnissen über Geschäftsräume beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Monate (§ 580a Abs. 2 BGB). Das Mietverhältnis über die Kneipe endet somit zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, frühestens in sechs Monaten (§§ 542 Abs. 1, 580 a Abs. 2 BGB).

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