Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Geheimer Vorbehalt / Scherzerklärung / Scheingeschäft
Geheimer Vorbehalt bei Kenntnis des Vertreters (§§ 116 S. 2, 166 Abs. 1 BGB)
Geheimer Vorbehalt bei Kenntnis des Vertreters (§§ 116 S. 2, 166 Abs. 1 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Auktionshaus A versteigert einen Banksy des Eigentümers E. B weiß, dass sein Feind F es unbedingt ersteigern will. B selbst hat kein Interesse, gibt aber ein Gebot ab (€1,5 Mio.), um den Preis hochzutreiben und erhält unerwartet den Zuschlag. A wusste um den Jux, den B sich erlaubt.
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Einordnung des Falls
Geheimer Vorbehalt bei Kenntnis des Vertreters (§§ 116 S. 2, 166 Abs. 1 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag durch den Zuschlag zustande.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat ein Angebot, in Form eines Gebots, gerichtet auf Abschluss eines Kaufvertrages abgegeben. Objektiver und subjektiver Tatbestand der Willenserklärung liegen vor.
Genau, so ist das!
3. B wollte das Bild tatsächlich nicht kaufen und A wusste dies. Ist Bs Willenserklärung gemäß § 116 S. 2 BGB nichtig?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Benzindiesel
10.4.2020, 14:29:53
Ist nicht darauf abzustellen, ob die Mitbietenden den Vorbehalt des B kannten?
Stefan Thomas Neuhöfer
10.4.2020, 15:36:32
Hi, vielen Dank für die Frage! Bei der Versteigerung kommt der Vertrag zwischen dem Bieter und dem Versteigerer zustande. Am Wortlaut des § 116 S. 2 BGB orientiert bedeutet das, dass "der andere" (dem gegeüber die Willenserklärung abzugeben ist) der Versteigerer ist - nicht die anderen Bieter. Ich hoff, dass die Frage damit beantwortet ist! Für das Jurafuchs-Team - Stefan
Benni Bertelmann
8.11.2022, 11:42:13
Aber birgt das nicht in der Folge gewisse Billigkeitsgefahren? Wenn ich zu einer Auktion gehe und unter geheimen Vorbehalt mitbiete, um den Preis hochzutreiben und der Auktionator darum weiß (ggf. auch indem ich dafür gesorgt habe, dass er Kenntnis erlangt). Dann muss ich am Ende nicht den Kaufpreis zahlen, aber der Preis wurde für die anderen Teilnehmenden trotzdem hochgetrieben. Kommt dann eine c.i.c zu Gunsten desjenigen in Betracht, der den hohen Preis zahlen muss?
Simon
30.9.2023, 21:43:09
C.i.c. würde ich ablehnen, da zwischen den Bietenden ja kein Vertrag zustandekommen soll. Evtl. liegt aber ein Anspruch aus
§ 826 BGBvor. Vlt. besteht sogar ein Anfechtungsrecht nach § 123 I BGB, da über das Vorliegen eines wirksamen Gebotes getäuscht wurde, was aber voraussetzen würde, dass der Täuschende von der Unwirksamkeit seines Gebotes wusste.
Simon
30.9.2023, 21:44:45
Außerdem müsste beachtet werden, dass die Täuschung durch einen Dritten erfolgte.
UnbekannterNutzer
31.1.2021, 16:43:11
Ich finde die Frage, ob der Tatbestand einer WE vorliegt, ist nicht ausreichend präzise. Schließlich gehört der
Geschäftswilleauch zum Tatbestand einer WE. Er ist zwar nicht notwendig für das Zustandekommen, aber trotzdem Teil des Tatbestandes. Oder übersehe ich da etwas?
Christian Leupold-Wendling
31.1.2021, 20:59:25
Hi, vielen Dank für die Frage! Ich glaube das Problem ist rein terminologisch. Tatbestand in der Normentheorie ist „die Gesamtheit aller tatsächlichen Voraussetzungen des Gesetzes für eine Rechtsfolge.“ (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tatbestand) Der
Geschäftswilleist gerade keine Voraussetzung dafür, dass eine Willenserklärung vorliegt, d.h. auch nicht Teil des Tatbestands.
UnbekannterNutzer
1.2.2021, 00:34:30
Ok, danke für die schnelle Antwort!
Sunny2022
12.7.2022, 21:35:07
Was wäre eigentlich, wenn E während der Auktion neben B steht und B dem E von seinem Jux erzählt, A allerdings nichts davon weiß. Da E möchte, dass sein Banksy für 1,5 Mio. ersteigert wird, sagt er nichts. Wäre dann ein Vertrag zustandegekommen und hätte B die Möglichkeit der Anfechtung? Oder wäre durch die Kenntnis des E der 116 direkt erfüllt?
Nora Mommsen
23.7.2022, 13:01:48
Hallo Sunny2022, der "andere" im Sinne des §
116 BGBist der Vretragspartner. Der Vertrag kommt hier zwischen B und dem Auktionshaus zustande, sodass §
116 BGBnicht einschlägig ist. Eine Anfechtung scheidet aus, weil B bei der Erklärung keinem Irrtum unterlag und auch nicht bedroht oder arglistig getäuscht wurde. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
nataliaco
30.5.2023, 16:03:33
Warum ist denn das Auktionshaus Vertragspartner? Dieses ist doch nur Vertreter des E (laut Lösung), sodass diesen gem. § 164 Abs. 1 die Rechtsfolgen treffen.
Richter Alexander Hold
14.11.2023, 11:33:41
Ich könnte mir vorstellen, dass man hier § 166 II BGB entsprechend anwenden könnte, vorausgesetzt man sieht den Fall hier so, dass das Auktionshaus A Vertreter des Eigentümers E ist und in dessen Namen den Vertrag abschließt. Denn ebenso wie im klassischen Fall des § 166 II BGB, in dem ein bösgläubiger Hintermann einen „dummen“ Vertreter vorschickt, um gutgläubig Eigentum erwerben zu können, hat E hier ja ebenfalls eine rechtsmissbräuchliche Gesinnung. Er nutzt den „dummen“ A, der von dem Vorbehalt des B nichts weiß, um vertreten durch ihn einen Kaufvertrag zu einem ihm vorteilhaften Preis abzuschließen, obwohl er selbst den Vorbehalt kennt und er selbst daher ohne den Vertreter A wegen § 116 S. 2 BGB einen solchen Vertrag niemals wirksam abschließen könnte. Die beiden Fälle sind daher vergleichbar und demnach wäre § 166 II BGB entsprechend anzuwenden. Man könnte natürlich auch nur nach dem Wortlaut des § 166 I BGB gehen und nur auf die Unkenntnis des A abstellen, sodass § 116 S. 2 BGB nicht einschlägig und der Kaufvertrag wegen des geheimen Vorbehalts des B daher nicht wirksam geschlossen sein würde.
Dogu
30.6.2023, 12:51:42
Könnte man auch vertreten, dass hier schon der äußere Rechtsbindungswille von B und damit eine Willenserklärung fehlt, da aus Sicht des objektiven
Empfängerhorizonts in der Lage des Auktionators klar ist, dass sich der Antragende vertraglich gar nicht binden will? Meiner Erinnerung nach lösen die AS Skripte die Problematik teilweise auch so.
deliaco
16.1.2024, 01:44:46
Push, die Frage stelle ich mir auch. Vielleicht könnte ein Moderator kurz aufklären?
benjaminmeister
14.11.2024, 12:17:35
@[Dogu](137074) genauso würde ich auch argumentieren. Wenn man konsequent nach
§§ 133, 157 BGBauslegt bedarf es dem §
116 BGBgar nicht mehr. In der Klausur trotzdem zur Klarstellung schnell nennen, weil es halt eine niedergeschriebene Regel ist.
silasowicz
6.8.2023, 14:45:50
Ich finde die Antwort, dass objektiver und subjektiver Tatbestand der Willenserklärung vorliegen, so nicht richtig. Zwar ist am Ende dennoch ein wirksames Angebot zustande gekommen, aber es fehlt doch klar am subjektiven
Geschäftswillen... Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn nur E Bescheid wüsste?
Leo Lee
9.8.2023, 16:48:08
Hallo silasowicz, man könnte in der Tat meinen, ein subj.
Geschäftswilleliege nicht vor, da der B "eigentlich" nur den F ärgern wollte. Jedoch darf man nicht vergessen, dass der
Geschäftswilleim Grunde nur bedeutet, ob der Erklärende GENAU DIESES Rechtsgeschäft herbeiführen wollte oder nicht; die Gründe für dieses Rechtsgeschäft sind erstmal egal, wie § 116 1 BGB klarstellt. Vorliegend wollte der B zwar den F ärgern, jedoch dadurch, dass er GERADE den Preis hochtreibt, indem er die entsprechenden Gebote (durch eine Willenserklärung) abgibt. Somit wollte er auch gerade diese Willenserklärungen abgeben. Dass er insgeheim nur den B ärgern wollte, ist eine sog.
Mentalreservationgem. § 116 1 BGB, die wiederum unbeachtlich ist. Somit bleibt der B letztlich hierauf "sitzen". Wenn nur der E das gewusst hätte, wäre es insoweit
unerheblich, als der Vertrag hier allein zw. dem B und dem Auktionshaus A zustande kommt. B würde sich natürlich ärgern, jedoch sind ihm die "Hände gebunden". Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage, Armbruster § 116 Rn. 1 ff. empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
silasowicz
19.8.2023, 13:38:50
Das heißt, unterm Strich ist ein
Geschäftswillemit
Mentalreservationimmer noch ein subjektiver
Geschäftswille, sozusagen ein "unbeachtlicher
Motivirrtum" :-)
Paul21
19.10.2023, 20:27:01
Ihr widersprecht euch. Im ersten Fall – der bis auf die Kenntnis des Auktionators mit diesem identisch ist – verneint ihr noch das Vorliegen eines
Geschäftswillens. Was ist es nun?
Magie99Capona
17.6.2024, 11:44:39
Finde die Frage auch blöd formuliert. Nur weil etwas unbeachtlich ist, liegt es nicht vor. Der
geschäftswilleals Teil des subjektiven Tatbestands der Willenserklärung liegt nicht vor, dies ist aber unbeachtlich
Kai
31.10.2024, 20:27:42
@[Magie99Capona](247187) Sehe ich ähnlich und finde das auch unglücklich formuliert. Die springende Punkt in solchen Fällen ist ja, dass bei fehlenden
Geschäftswillen ein Teil des subj. TB der WE nicht vorliegt, was im Grundsatz problematisch ist. Nur mit der Rückausnahme, dass das Fehlen des
Geschäftswillens unbeachtlich ist. Das Problem wird zwar in der Antwort richtig erklärt, in der Frage aber nicht ausreichend dargestellt. Man geht beim Durcharbeiten ein bisschen davon aus, dass man erst eine Frage zum Vorliegen und danach eine Frage zur Unbeachtlichkeit des
Geschäftswillens bekommt und hat dann eine falsche Antwort gegeben, weil die Punkte in einer Frage unerkannt vermischt werden.
<isa_hh>
20.2.2024, 09:46:09
Wird dadurch nicht der B zu Unrecht geschützt? Wenn B ohne Konsequenz davon kommt, nur weil F wusste, dass B unter Vorbehalt das Gebot abgibt, habe ich irgendwie ein Störgefühl. Obschon es dem § 116 Abs. 2 BGB entspricht, das ist mir klar ..
<isa_hh>
20.2.2024, 09:51:58
Mir ist ein Fehler unterlaufen. Nicht F weiß es, sondern A. Die beiden Personen habe ich vertauscht - dann ist auch logisch, dass der Erklärungsempfänger dann nicht auf die Erklärung vertrauen kann, aber dennoch ihm den Zuschlag erteilt. Dann ist die Konsequenz für B, dass seine Erklärung nichtig ist und die Versteigerung wiederholt wird und somit F ein neues Gebot abgeben kann.