Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Geheimer Vorbehalt / Scherzerklärung / Scheingeschäft
Kündigung unter Vorbehalt bei Kenntnis dieses Vorbehalts durch Dritten (§ 116. S. 2 BGB)
Kündigung unter Vorbehalt bei Kenntnis dieses Vorbehalts durch Dritten (§ 116. S. 2 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Münchner Kneipier M erfährt von seiner Nachbarin N, dass die gemeinsame Vermieterin V der N gekündigt hat, damit N einer Mieterhöhung zustimmt. N erklärt, dass V nun dasselbe mit M vorhabe. Kurz darauf kommt es, wie von N prophezeit.
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Einordnung des Falls
Kündigung unter Vorbehalt bei Kenntnis dieses Vorbehalts durch Dritten (§ 116. S. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat eine Kündigungserklärung abgegeben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da V das Mietverhältnis tatsächlich nicht kündigen wollte und M dies wusste, ist die Kündigungserklärung nichtig (§ 116 S. 2 BGB).
Genau, so ist das!
3. Das Mietverhältnis zwischen M und V endet infolge der Kündigung mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ErdbärIn
16.12.2019, 20:55:48
Was ich nicht ganz verstehe : warum kann er darauf vertrauen, dass die Information überhaupt so stimmt? Wäre es nicht fahrlässig, auf so eine Information zu vertrauen? Immerhin kann es sich V doch anders überlegt haben und möchte den M nun doch kündigen. Muss der Rechtsverkehr wirklich auf eine Aussage von einer Dritten Person vertrauen und danach bewerten? Ich finde, M muss auch so darauf vertrauen, dass V nur das erklärt, was sie tatsächlich erklären möchte.
DonQuiKong
27.2.2020, 08:15:31
Ja, ich finde das Beispiel auch schlecht gewählt. Kann er nicht versehentlich ein notariell beglaubigtes
Schriftstücküber ihren wahren Willen finden?
🦊LEXDEROGANS
16.9.2020, 23:02:59
@ErdbärIn, sehr interessanter Gedanke! Allerdings ist hier m. E. wegen sachverhaltsnaher Auslegung („wie prophezeit“) eine tats. Kenntnis des geheimen Vorbehalts anzunehmen und nicht led. ein Vertrauen/Vermuten des geheimen Vorbehalts: M. a. W. ein ausgeprägteres kogn. Element. Nach Palandt BGB, 67. Aufl., § 116 Rn. 4 gilt außerdem: „Wie der and[ere] Teil die Kenntn[is] erlangt hat, ist gleichgültig. Kennenmüssen (§ 122 II) genügt nicht.“
Eigentum verpflichtet 🏔️
23.5.2020, 16:08:04
Es geht hier ja um den Schutz des Rechtsverkehrs, nicht um den Schutz der V. V kündigt, obwohl sie gar nicht kündigen will. Normalerweise ist der Rechtsberkehr schutzwürdig und die Kündigung geht durch, der innere Vorbehalt bleibt unbeachtet. Falls aber der Adressat der einseitigen WE der V (Kündigung) M Sonderwissen von dem inneren Vorbehalt der V hat, dann ist er nicht schutzwürdig. Er muss nicht darauf vertrauen, dass V ihre Erklärung ernst meint. Was hier zugegeben für ihn positiv ist. Das muss es aber natürlich nicht immer sein. Und wenn V die Erklärung doch ernst meinte (Beweisfrage), ist die Kündigung natürlich wirksam. Finde das Gesetz löst das sehr schön an dieser Stelle.
Frederieke
3.10.2024, 19:10:15
Was ich nicht so ganz verstehe ist, wo ich § 116 Abs. 2 prüfe, weil wenn der andere von der Nichtigkeit weiß, sollten wir das dann nicht schon in der Auslegung der Willenserklärung berücksichtigen, weil ein
objektiver Dritterwüsste, das kein Rechtbindungswille vorliegt?
benjaminmeister
10.11.2024, 20:30:09
Ich finde in dem Beispiel die Annahme eines Vorbehalts (fehlender Geschäftswille) tatsächlich gar nicht so eindeutig. Die Kündigung wirkt nur als Druckmittel, wenn die Vermieterin sie ernst meint, weil nur dann der Mieter darauf angewiesen ist, einem höheren Mietzins zuzustimmen. Natürlich kann man einerseits sagen, dass es die Vermieterin nur einmal versuchen will mit der Mieterhöhung, aber im Zweifel den Vertrag auch weiterlaufen lassen möchte, wenn der Mieter nicht darauf eingeht. Andererseits kann man sicherlich auch vertreten, dass es der Vermieterin darauf ankommt, dass an den bisherigen Mieter nur zu einem höheren Mietzins vermietet wird und im Zweifel trotz gegenteiligem (aber unbeachtlichem) Wunsch die Beendingung in Kauf genommen wird (ähnlich der Argumentation im Strafrecht beim Vorsatz, wenn zwar nicht das notwendige Zwischenziel, aber das Endziel gewollt wird und man dann auch den Vorsatz bzgl. des Zwischenziels bejaht, obwohl der Zwischenerfolg in gewisser Weise unerwünscht ist).