Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Sachbeschädigung (§ 303 StGB)

Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Freilassen eines Vogels

Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Freilassen eines Vogels

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T und O sind konkurrierende Züchter heimischer Singvögel. Um O zu schaden, öffnet T den Käfig eines seltenen und zur Züchtung eingesetzten Vogels des O. Der Vogel verlässt den Käfig und fliegt davon.

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Einordnung des Falls

Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Freilassen eines Vogels

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Vogel ist für T eine fremde Sache (§ 303 StGB).

Ja, in der Tat!

Taugliche Tatobjekte der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) sind fremde Sachen. Darunter fallen alle körperlichen Gegenstände, beweglich oder unbeweglich. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht oder herrenlos ist.Unbeschadet des § 90a S. 1 BGB ("Tiere sind keine Sachen."), unterliegen auch Tiere dem strafrechtlichen Sachbegriff. Zudem befindet sich der Vogel im Eigentum des O und ist damit für T eine fremde Sache im Sinne des § 303 StGB.
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2. T hat den Vogel beschädigt (§ 303 Abs. 1 StGB), indem er den Käfig geöffnet hat.

Nein!

Beschädigen ist nach hM jede körperliche Einwirkung auf eine Sache, die zu einer nicht unerheblichen Substanzverletzung oder Brauchbarkeitsminderung führt. Keine Sachbeschädigung liegt vor beim bloßen Entziehen der Sache durch Verbringung an einen anderen Ort oder Verhinderung des Zugangs (aA: Funktionsvereitelungstheorie).T hat den Vogel weder in seiner Substanz verletzt, noch auf andere Weise in seiner Brauchbarkeit als Zuchtvogel gemindert. Er hat den Vogel lediglich an einen anderen Ort verbracht und so den Zugang durch O verhindert. Es handelt sich um eine straflose Sachentziehung.

3. T hat den Vogel zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB), indem er den Käfig geöffnet hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Handlungsmodalität der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) ist das Zerstören. Eine Sache ist zerstört, wenn sie (1) auf Grund der Einwirkung in ihrer Existenz vernichtet oder (2) so wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat.Weder hat T den Vogel getötet und damit seine Existenz vernichtet, noch hat er ihn derart beschädigt, dass der Vogel seine bestimmungsgemäße Brauchbarkeit verloren hätte. T hat den Vogel nicht zerstört.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LE.B

le.boi

26.5.2020, 17:06:07

Wie hat er sich letztendlich strafbar gemacht?

Jana-Kristin

Jana-Kristin

14.7.2020, 10:59:57

Nach der hier vorliegenden Lösung liegt gar keine Strafbarkeit vor. M.E. liegt aber eine Zerstörung vor. Es mag zwar sein, dass der Vogel durch das aus dem Fenster fliegen, keinen Schaden genommen hat, ein „exotischer Singvogel“ - wie im Sachverhalt geschildert - wird wohl kaum den Winter überleben. So auch Beulke, Klausurenkurs im Strafrecht, S. 29.

RAI

Raimond

25.9.2020, 11:15:31

@Jana-Kristin. Genau! Aber bitte nicht den Sachverhalt biegen. Jurafuchs hat das zwar angedeutet, aber zum Beispiel nicht die Jahreszeit mit hingeschrieben. Daher kann es im Sommer zB auch schön warm sein..

Raven13

Raven13

26.5.2020, 18:27:27

T hat O's Vogel frei gelassen. Einen Vogel den T nicht gehört. Dem Vogel könnte alles geschehen. Das wäre dann T Schuld.

RAI

Raimond

25.9.2020, 11:14:33

Yes das stimmt. Aber da wäre im SV der Hinweis "Der tropenvogel tat sich nicht an das mitteleuropäische Klima gewöhnt, findet keinen warmen Unterschlupf und erfriert. Das wusste der Züchter der diese Art Vögek kennt, auch." den Hinweis gibt es so hier nicht.

ALE

Alex

29.7.2020, 16:58:57

Die erste Frage lautet Sinngemäß:" ist der Vögel eine fremde Sache" das ist Str. oder nicht ? e.A. sagt Tiere sind keine Sachen sondern werden nur als solche behandelt (das ist glaube ich die h.M.) a.A sagt, dass vom strafrechtlichen Sachbegriff auch Tiere umfasst sind (m.A.n ist das aber die Mindermeinung, weshalb die Antwort auf die Frage eigentlich "Nein" sein müsste oder?)

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

29.7.2020, 22:06:56

Hallo Alex, danke für deine Frage. Bei der Sacheigenschaft von Tieren ist das Strafrecht vom Zivilrecht zu unterscheiden. § 90a BGB gilt nach ganz h.M. nur für das Zivilrecht, der Sachbegriff ist strafrechtlich autonom zu bestimmen (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2001, 2488; MükoStGB-Schmitz, 3. Aufl, 2017, § 242 Rn. 26; BeckOK-Wittig §

242 StGB

Rn. 4; Zopfs ZJS 09, 506; a.A. Schönke/Schröder-Bosch, 30. Aufl. 2019, § 242 Rn. 9.) Vgl. auch den Wortlaut "Tiere, Pflanzen und andere Sachen" in § 325 I StGB.

glaenzejenseitsvonnullundachtzehn

glaenzejenseitsvonnullundachtzehn

21.5.2023, 23:31:44

Neben §325 kann auch §324a mit selbigen Argument als Argumentationsstütze herangezogen werden

PR

Prokurist

20.11.2022, 13:36:47

Meines Wissens nach greift § 303 I nach verbreiteter Ansicht hier schon, da es sich um einen exotischen Vogel handelt, der hierzulande in Freiheit nicht lange überleben kann (Stichwort:

Sachentziehung

, die mit vorhersehbarer Zerstörung oder Beschädigung einhergeht).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.11.2022, 14:16:18

Hallo Alexander, der Sachverhalt war an dieser Stelle in der Tat etwas zweideutig. Schon das Reichsgericht hat ausgeführt, dass das bloße Fliegenlassen eines eingesperrten Vogels für sich genommen keine Sachbeschädigung darstellt (RG 17.1.1890 – Rep. 3271/89, RGSt 20, 182 (185)). Anders wird dies aber beurteilt - wie Du zurecht angemerkt hast - wenn die

Sachentziehung

zwangsläufig eine Beschädigung oder Zerstörung der Sache zur Folge hat, wie zB bei einem im See versenkten Fahrrad, das rostet oder an einen frei gelassenen Kanarienvogel, der bei ungewohnten Außentemperaturen erfriert (Schönke/Schröder/Hecker, 30. Aufl. 2019, StGB § 303 Rn. 13). Da hier nicht näher spezifiziert wurde, welche Bedingungen der exotische Vogel draußen zu erwarten hat, haben wir ihn nun zu einem heimischen Vogel gemacht, um hier mögliche Unklarheiten zu beseitigen. Bete grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MI

Miriam

6.9.2024, 18:30:40

Müsste aber dann nicht bei dem vorherigen Fall mit dem Verlobungsring auch angenommen werden, dass dieser am Meeresgrund zwangsläufig beschädigt bzw. zerstört wird?

TI

Tinki

26.9.2024, 22:50:37

Vielleicht hat man hier an den klassischen Goldring gedacht? Stellt man sich den vor, ist es eher schwierig, sich ein Szenario auszudenken, in dem er am Meeresboden zumindest zerstört wird, oder? @[Miriam](254113)

AG

agi

12.10.2024, 01:42:25

@[Tinki](200906) je nachdem ob es sich um Salzwasser handelt oder nicht, besteht auch bei einem Goldring die Möglichkeit eines Bruches. Sobald Gold nicht mehr in seiner Grundform besteht, kann sich Salz nämlich auf die Lötstellen auswirken. :)

MI

Miriam

12.10.2024, 12:29:04

Außerdem sind Goldringe nie zu 100% aus Gold, daher wäre ich schon davon ausgegangen, dass auch ein Goldring am Meeresboden sowohl durch das Salzwasser als auch Sand, Steine, etc. zwangsläufig zumindest beschädigt wird.


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