Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Versuch der Erfolgsqualifikation - Unmittelbares Ansetzen 3

Versuch der Erfolgsqualifikation - Unmittelbares Ansetzen 3

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T hat sich vorgenommen, O auszurauben und zu erschießen. Als sie O am nächsten Tag sieht, sieht sie vom Ausrauben ab, schießt aber auf O. Dabei verfehlt sie ihn und flieht.

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) ist strafbar.

Genau, so ist das!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Der Raub mit Todesfolge wird mit mindestens zehn Jahren bestraft (§ 251 StGB). Die Tat ist daher ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) und bereits im Versuch strafbar.
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2. Der Täter kann auch eine Erfolgsqualifikation versuchen.

Ja, in der Tat!

Eine Erfolgsqualifikation ist auch vorsätzlich möglich. Bei einer Erfolgsqualifikation ist mindestens Fahrlässigkeit erforderlich (§ 18 StGB), sodass Vorsatz ebenfalls möglich ist. Bei § 226 Abs. 2 StGB etwa ist ausdrücklich auch Absicht und Wissen erforderlich. Ein Versuch ist daher möglich.

3. Indem T auf O geschossen hat, hat sie unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestands des § 251 StGB angesetzt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Bei einem Gesamtdelikt ist erforderlich, dass der Täter auch zum Gesamtdelikt ansetzt. Bei Qualifikationstatbeständen schließt dies das Grunddelikt mit ein. Daher muss der Täter auch zum Grunddelikt unmittelbar ansetzen. T hat nur zur Tötung unmittelbar angesetzt. Es gilt darüber hinaus, dass nach § 251 StGB die Todesfolge gerade durch den Raub eintreten muss, sodass schon tatbestandlich eine Strafbarkeit ohne Grunddelikt ausgeschlossen ist.In Betracht kommt jedoch ein versuchter Totschlag

4. T hatte sich vorgenommen, O auszurauben und zu erschießen. Sie war daher ursprünglich bezüglich eines Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) zur Tat entschlossen.

Ja!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T hat die Absicht, O auszurauben und zu erschießen. Problematisch könnte sein, dass T in der konkreten Situation von dem Raub absieht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

29.3.2023, 10:02:00

Also wäre es hier dann ein 212 oder ein 212, 211 I?

SE.

se.si.sc

29.3.2023, 11:30:44

T trifft ja hier nicht, sondern verfehlt, deswegen wäre es logischerweise höchstens ein versuchter Totschlag, §§ 212, 22, 23 I StGB. Von einem Tötungs

vorsatz

bei der Tat wissen wir hier allerdings gar nichts, eventuell war zu diesem Zeitpunkt auch schon "nur" noch eine Verletzung des O das Ziel. Für einen versuchten Mord nach §§ 211, 22, 23 I StGB fehlen uns darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte, sowohl auf subjektiver als auch auf objektiver Ebene. Insbesondere liegt kein Fall der

Habgier

oder Ermöglichungs- bzw

Verdeckungsabsicht

vor, weil T von dem angedachten Raub und auch sonst jeglicher Zueignung von Eigentum des O ja gerade Abstand genommen hat. Heimtücke ist denkbar, aber auch das wissen wir nicht genau. Absolut sicher ist nur die versuchte gefährliche KV mittels einer Waffe, § 224 I Nr 2, 1. Var., II StGB.

G0D0FM

G0d0fMischief

3.11.2024, 16:49:47

@[se.si.sc](199709) im Sachverhalt steht doch, dass T den O erschießen wollte. Erschießen heißt doch töten oder verstehe ich hier etwas falsch? Also ich würde hier einen versuchten

Habgier

mord annehmen.

AS

as.mzkw

10.11.2024, 16:05:25

@[G0d0fMischief](217996) im SV steht aber, dass T vom Ausrauben absieht, sodass ich

Habgier

verneint hätte, da es ja auf den Tatzeitpunkt ankommt, hier also den Zeitpunkt des Schusses. Ein früherer

Vorsatz

bzw. das Vorliegen eines subjektiven Mordmerkmals ist ja wegen des

Koinzidenzprinzip

s unbeachtlich.

G0D0FM

G0d0fMischief

10.11.2024, 16:18:39

@[as.mzkw](244917) Ahh ja stimmt hast recht! :) Dann wär‘s wohl nur ein versuchter Totschlag

DIAA

Diaa

7.10.2023, 20:56:16

Ich verstehe gerade nicht, wieso ein Tatentschluss hier bejaht wird, obwohl der Täter hier zum Zeitpunkt der Tat keinen hatte? MMn wäre hier eher ein Versuch zum Totschlag relevanter..

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 12:09:10

Hallo Diaa, in der Tat mag die Frage etwas verwirrend klingen auf den ersten Blick. Wir wollten allerdings genau das von dir angesprochene Thema (zeitliches Auseinanderfallen, das zur Verneinung des Tatentschlusses führt) darstellen. Den versuchten Totschlag haben wir noch als Vertiefung reingenommen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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