Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- /Schuldnermehrheit

Entstehung der Gesamtschuld nach § 421 BGB – 2 (§ 3 EFZG)

Entstehung der Gesamtschuld nach § 421 BGB – 2 (§ 3 EFZG)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Aus Wut über die Niederlage des Karlsruhe SC gegen den VfB Stuttgart, schlägt Schädiger S den VfB-Fan F krankenhausreif, weil F einen Fanschal trägt. F ist seit 2 Jahren bei Arbeitgeberin A als Arbeitnehmer beschäftigt. Infolge seiner Verletzung kann er zwei Wochen lang nicht zur Arbeit kommen.

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Einordnung des Falls

Entstehung der Gesamtschuld nach § 421 BGB – 2 (§ 3 EFZG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Obwohl F nicht zur Arbeit kommen kann, hat er einen Anspruch auf Fortzahlung seines Lohns (§ 3 EFZG).

Ja, in der Tat!

Arbeitnehmern steht bis zu sechs Wochen ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zu, wenn sie (1) infolge Krankheit nicht arbeiten können, (2) sie hieran kein Verschulden trifft (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG) und sie (3) bereits vier Wochen ununterbrochen in dem Arbeitsverhältnis stehen (§ 3 Abs. 3 EFZG).Die Verletzungen des F hindern ihn zwei Wochen lang daran, zur Arbeit zu gehen. Das Tragen eines Fanschals stellt keine Verletzung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten dar. Die durch S zugefügten Verletzungen erfolgten somit unverschuldet. Zudem ist F zwei Jahre und damit bereits länger als vier Wochen bei A beschäftigt.
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2. F hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz gegen S (§ 823 Abs. 1 BGB).

Ja!

Der haftungsbegründende Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) einen Verletzungserfolg (2) durch ein zurechenbares Verhalten des Schädigers, der dabei (3) rechtswidrig und (4) schuldhaft gehandelt haben muss.S hat F mit den Schlägen an seinem Körper und der Gesundheit geschädigt. Dies erfolgte rechtswidrig und schuldhaft.

3. Stellen entgangene Lohnzahlungen einen ersatzfähigen Schaden dar?

Genau, so ist das!

Ein Schaden ist eine unfreiwillige Einbuße an einer rechtlich geschützten Position. Der Geschädigte ist nach der Differenzhypothe so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Wäre ohne das schädigende Ereignis beim Geschädigten eine Vermögensverbesserung eingetreten, so stellt deren Ausbleiben eine unfreiwillige Einbuße und damit einen ersatzfähiger Schaden dar (vgl. § 252 S. 1 BGB). Entgangene Lohnzahlungen sind damit grundsätzlich ein ersatzfähiger Vermögensschaden.

4. Da F gegen A einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, liegt kein ersatzfähiger Schadensposten vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Geschädigte soll durch die Schädigung nicht besserstehen, als er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte (Bereicherungsverbot). Erlangte Vorteile muss sich der Geschädigte deshalb grundsätzlich schadensmindernd anrechnen lassen. Bei Leistungen Dritter findet eine Anrechnung allerdings nicht statt, wenn der Schädiger im Ergebnis den Schaden tragen soll. Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Schadensersatzanspruch auf den leistenden Dritten übergeht.Zahlt A den Lohn an F aus, so geht Fs Schadensersatzanspruch im Wege der Legalzession automatisch auf A über nach § 6 EFZG . Der Anspruch auf Lohnfortzahlung führt bei normativer Betrachtung somit nicht zu einem Wegfall des Schadens.

5. Da F sowohl gegen A als auch gegen S einen Anspruch auf Zahlung seines Lohns hat, haften beide als Gesamtschuldner (§ 421 S. 1 BGB).

Nein!

Neben den in § 421 S. 1 BGB genannten Voraussetzungen verlangt die h.M. für die Annahme der Gesamtschuld, eine Gleichstufigkeit der Haftung. Daran fehlt es, wenn einer der Schuldner nur subsidiär haften soll.Aus dem in § 6 EFZG geregelten Forderungsübergang ergibt sich, dass die Arbeitgeberin lediglich nachrangig haftet. Ihre Einstandspflicht dient primär der subsidiären Versorgung des Arbeitnehmers. Da insofern keine Gleichstufigkeit vorliegt, sind die Regelungen der Gesamtschuld nicht anwendbar.Es kommt also insbesondere nicht zu einer Teilung der Haftung im Innenverhältnis (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Vielmehr muss S im Ergebnis den Schaden allein tragen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sophix58

Sophix58

25.10.2023, 12:08:47

Das ist eine sehr gute Aufgabe gewesen, insbesondere wegen der Querverbindung zu den Grundlagen des Arbeitsrechts. So bekommt man ein gutes Verständnis dafür, wie die unterschiedlichen Regelungen ineinandergreifen und in Bezug zu einander funktionieren sollen. Gerne auch mehr davon im Deliktsrecht! :)

Susan

Susan

10.11.2023, 12:11:47

Für mich ist nicht ersichtlich, weswegen in der Subsumtion zur ersten Frage auf einen Fanschal abgestellt wird. ("Das Tragen eines Fanschals stellt keine Verletzung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten dar."). Im Sachverhalt wird ein solcher Fanschal nämlich gar nicht erwähnt..

LELEE

Leo Lee

11.11.2023, 17:48:45

Hallo Susan, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat hatten wir dieses Detail im Sachverhalt vergessen und haben den Text nun entsprechend korrigiert. Damit wollten wir kurz aufzeigen, welche Verhaltensweisen nicht vorwerfbar sind :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

CR7

CR7

20.6.2024, 10:33:55

Ich habe in einer Probeklausur folgende Konstellation gesehen, die ich ganz interessant fand (Fall geändert): Schauspieler S gibt bei dem für das Parken zuständigen H seinen Porsche Taycan in Verwahrung, damit S sich um das Parken nicht kümmern muss, da S entspannt auf ein Filmfestival gehen will. H passt grob fahrlässig im Parkhaus nicht auf den Porsche auf, da er lieber im Parkraum schläft. Der Porsche wird gestohlen, der Dieb ist unauffindbar. S verlangt von H SE wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe des Fahrzeugs. H, der mal Jura studiert hatte, entgegnet dem S, er werde dies nur tun, wenn ihm S im Gegenzug seinen

Herausgabeanspruch

gegen die Dieb abtritt. S geht zu RA Schlau und fragt, ob H das verlangen kann. Abwandlung: In den Lokalnachrichten wird bekannt, dass der dem S gehörige Porsche auf einem Parkplatz am Stadtrand ausgebrannt gefunden wurde. Ob der D dafür verantwortlich war, lässt sich nicht feststellen. Es sei bei Elektroautos nicht unüblich, dass die Batterie plötzlich anfängt, zu brennen. D wurde an der deutsch-österreichischen Grenze festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. S fragt RA Schlau nun, ob D und H Gesamtschuldner seien. Schließlich könne er ja auch von D SE verlangen, wenn H nicht zahlt. Als Gauner habe er bestimmt liquide Mittel. Frage 1: Nach welchen Normen haftet D, nach welchen V? Frage 2: Kann H dem S den Einwand zu Recht entgegenhalten? Frage 3: Sind D und H Gesamtschuldner?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

10.10.2024, 18:13:18

Hallo CR7, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team


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