Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Gläubiger- /Schuldnermehrheit
Aufrechnung durch einen Gesamtschulder
Aufrechnung durch einen Gesamtschulder
19. Mai 2025
11 Kommentare
4,7 ★ (12.554 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Lawra (L) und Justus (J) mieten von Vermieter V eine Wohnung. V kommt vorbei um die €1000 Miete einzutreiben. Da V kurz zuvor Js Rennrad beschädigt hat (Schaden: €1000), möchte J aufrechnen. V wendet ein, dies sei nicht möglich. Er verlange die volle Miete von L und nicht von J.
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Einordnung des Falls
Aufrechnung durch einen Gesamtschulder
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. L und J sind als Gesamtschuldner jeweils einzeln verpflichtet, die gesamte Miete zu bezahlen (§ 535 Abs. 2, 421 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Muss L noch einmal zahlen, wenn J die geschuldete Miete bereits in voller Höhe bezahlt?
Nein!
3. Tritt die Gesamtwirkung bei der Gesamtschuld nur bei Leistung durch Erfüllung ein (§ 422 Abs. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Kann V die Aufrechnung durch J dadurch verhindern, dass er die Leistung nur von L verlangt?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7
6.3.2023, 15:17:50
Ich verstehe hier nicht so recht, ob jetzt V die L Anspruch nehmen kann oder nicht. Warum kann V die L nicht in Anspruch nehmen?
se.si.sc
6.3.2023, 15:41:19
Ergebnis ist, dass V die L NICHT in Anspruch nehmen kann. Wie in der Lösung dargestellt, liegt das an der Wirkung der
Aufrechnungdurch J nach § 422 I 2 BGB. Danach wirkt die vorgenommene
Aufrechnungdurch J auch zugunsten von L als anderem Gesamt
schuldner, wie es § 422 I 1 BGB bestimmt. Zum Verständnis kann man sich zunächst ein Zweipersonenverhältnis zwischen V und J vorstellen, dann ist das Ergebnis klar: J rechnet auf, die Mietforderung des Vermieters erlischt nach §
389 BGB. Die Frage ist jetzt, ob sich daran bei Gesamt
schuldnern etwas ändert. Einer der Gesamt
schuldner rechnet wirksam auf, der Gläubiger verlangt von einem anderen Gesamt
schuldner Zahlung. Das soll nach § 422 I BGB eben gerade nicht gehen. Das leuchtet auch ein, sonst würde der Gläubiger die Forderung ja zwei Mal erhalten. Die
Erfüllungdurch einen der Gesamt
schuldner muss daher notwendigerweise Gesamtwirkung haben und (auch) für die anderen Gesamt
schuldner gelten.

CR7
6.3.2023, 15:58:06
Wow. Vielen Dank für deine ausführliche Antwort :-)

Jurakatze1987
28.8.2023, 22:23:31
Bei der Antwort fehlt im ersten Kästchen von oben ein Wort.

CR7
19.6.2024, 17:03:54
Genau, es fehlt im Maßstab ein „wenn“.

Juan
2.4.2025, 15:04:00
Tut es immer noch...
okalinkk
29.3.2025, 11:33:38
ist es so, dass sobald ein
Schuldner mit einer Forderung aufrechnet, welche ihm selbst zusteht, diese
Aufrechnungallen Gesamt
schuldnern gegenüber wirkt gem 422 I 2 BGB. Dabei ist es unerheblich, ob der zur
Aufrechnungberechtigte Gesamt
schuldner oder der andere Gesamt
schuldner (der selbst nicht aufrechnen kann, weil ihm die Forderung nicht zusteht) vom Gläubiger in Anspruch genommen wird. 422 II BGB sagt lediglich, dass der eine
Schuldner, dem diese Forderung nicht zusteht, nicht SELBST mit dieser
fremden Forderung aufrechnen kann? sobald aber ein anderer Gesamt
schuldner mit einer Forderung, welche diesem zusteht aufrechnet, wirkt das auch für den anderen Gesamt
schuldner gem 422 I 2 BGB?

paulmachtexamen
15.4.2025, 17:58:59
Könnte denn L für J aufrechnen, wenn J nicht aufrechnen möchte? Quasi nach dem RGed des 770 II.
Lt. Maverick
7.5.2025, 13:39:47
Nein, das regelt § 422 II BGB ausdrücklich. Es fehlt bereits an der Gegenseitigkeit, da L die Forderung gegen V selbst nicht zusteht, sondern nur J. J könnte berechtigte Gründe dafür haben die
Aufrechnungnicht zu erklären. Vielleicht besteht noch eine andere Forderung des V gegen J, die dem J lästiger ist als die Mietforderung, sodass die
Aufrechnungin Bezug auf diese andere Forderung erfolgen soll. Darüber hinaus kann es sein, dass die L dem J gegenüber unzuverlässiger als der V ist. J möchte dann seine Forderung (€1000) gegen V nicht durch
Aufrechnungverlieren und der L „ewig“ hinterherrennen, um seinen Ausgleich zu erhalten.