Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / ab Erlass des Titels


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G verklagt S auf Zahlung von €1.000. Das Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt. Nach der Urteilsverkündung übergibt S dem G noch im Gerichtssaal €1.000 in bar. S befürchtet, dass G trotzdem vollstrecken will.

Einordnung des Falls

Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / ab Erlass des Titels

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn S gegen die Vollstreckung vorgehen will, ist die Vollstreckungsabwehrklage die statthafte Klageart (§ 767 ZPO).

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Ja!

Die Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft (§ 767 Abs. 1 ZPO), wenn der Kläger als Schuldner des Vollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. S kann den Einwand geltend machen, er habe den Anspruch bereits erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Dies ist ein materiell-rechtlicher Einwand, der sich gegen den titulierten Anspruch selbst richtet. Die Vollstreckungsabwehrklage ist für S statthaft.

2. Die Voraussetzungen dafür, dass G mit der Zwangsvollstreckung beginnen kann, liegen mit der Urteilsverkündung vor.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung sind grundsätzlich (1) Titel, (2) Klausel, (3) Zustellung (§ 750 Abs. 1 ZPO). Das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil stellt den Titel dar (§ 704 ZPO). Dem G wird bei der (mündlichen) Urteilsverkündung aber noch keine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils mit Vollstreckungsklausel erteilt (§§ 724 Abs. 1, 725 ZPO). Es fehlt noch die Voraussetzung „Klausel“. G darf mit der Zwangsvollstreckung noch nicht beginnen.

3. Für eine Vollstreckungsabwehrklage hat S bereits ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl G noch nicht mit der Zwangsvollstreckung beginnen kann.

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Ja, in der Tat!

Für die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Zwangsvollstreckung droht oder schon begonnen hat und noch nicht beendet ist. Die Zwangsvollstreckung „droht“ schon ab Erlass des Titels, d.h. mit Verkündung des Urteils. Eine konkrete Vollstreckungsgefahr und die Existenz einer Vollstreckungsklausel sind nach herrschender Meinung nicht erforderlich. Denn der Schuldner hat schon ab der Existenz des Titels eine Vollstreckung zu befürchten. Er muss nicht abwarten, bis der Gläubiger tatsächlich mit der Vollstreckung beginnen kann. Das Rechtsschutzbedürfnis des S ist gegeben.

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