Zivilrecht

ZPO II: Zwangsvollstreckungsrecht

Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO

Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / Beendigung mit vollständiger Auskehr des Erlöses

Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / Beendigung mit vollständiger Auskehr des Erlöses

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G verklagt S erfolgreich auf Zahlung von €50.000. G und S vereinbaren dann, dass S die Schulden nicht bezahlen muss. Als S einige Tage später nach Hause kommt, muss er feststellen, dass sein Auto gepfändet und versteigert worden ist. Der Erlös ist noch nicht an G ausgezahlt.

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Einordnung des Falls

Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / Beendigung mit vollständiger Auskehr des Erlöses

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthafter Rechtsbehelf für S ist die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO).

Ja!

Die Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft (§ 767 Abs. 1 ZPO), wenn der Kläger als Schuldner des Vollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. S kann den Einwand geltend machen, der Anspruch sei durch den zwischen G und S geschlossenen Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) erloschen. Dies ist ein materiell-rechtlicher Einwand, der sich gegen den titulierten Anspruch selbst richtet. Die Vollstreckungsabwehrklage ist für S statthaft.
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2. S hat für die Klage ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl das Auto schon versteigert wurde.

Genau, so ist das!

Für die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Zwangsvollstreckung droht oder schon begonnen hat und noch nicht beendet ist. Die Zwangsvollstreckung endet erst mit vollständiger Auskehr des Versteigerungserlöses an G. Mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) kann S noch die Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen (§ 775 Nr. 1 ZPO). Der Gerichtsvollzieher darf dann den Versteigerungserlös nicht mehr an G herausgeben (§ 819 ZPO).

3. Nach erfolgreicher Vollstreckungsabwehrklage muss der Gerichtsvollzieher den Versteigerungserlös an S auszahlen.

Ja, in der Tat!

Mit der Ablieferung bei dem Meistbietenden (§ 817 Abs. 2 ZPO) tritt der Versteigerungserlös an die Stelle der Sache. Damit setzen sich die Rechte an der Sache an dem Versteigerungserlös fort. Der Gerichtsvollzieher hat die öffentlich-rechtliche Pflicht, den Erlös an den Berechtigten unverzüglich auszuzahlen (§ 819 ZPO), wobei das Verfahren nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt ist. Nähere Anweisungen dazu enthalten aber die §§ 118, 119 GVGA (Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher). Ist die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) erfolgreich, ist die Zwangsvollstreckung einzustellen und der Gerichtsvollzieher darf den Betrag nicht mehr an G zahlen. Berechtigter Erlösempfänger ist damit S.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AR

Artur

18.2.2022, 22:37:30

Ist der Anspruch direkt aus 819ZPO oder aus einer Andern Agl?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.2.2022, 11:19:22

Vielen Dank für Deine Frage, Artur. Das war hier etwas missverständliche formuliert. Der Erlösempfänger hat keinen klagbaren "Anspruch auf Auszahlung" des Erlöses gegen den Gerichtsvollzieher oder den Staat der mittels

Leistungsklage

verfolgt werden könnte. Allerdings ergibt sich aus §

819 ZPO

eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Gerichtsvollziehers die Auszahlung vorzunehmen. Verstößt er dagegen, so kann hiergegen mit der Erinnerung vorgegangen werden (§ 766 ZPO). Zudem kann die Verletzung der Pflicht

Amtshaftung

sansprüche (§§ 839 BGB iVm. Art. 34 GG) auslösen (vgl. Gruber, in: MüKo-ZPO, 6.A. 2020, § 819 RdNr. 7). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

9.9.2023, 11:42:34

Das heißt, das Ziel der VAK ist jeweils die Einstellung der ZVS und gerade nicht die Herausgabe der Sache/Abtretung von Forderung/Herausgabeansprüche bzw. die Auskehr sonstiger Vermögenswerte und auch nicht die Vollstreckungserlösherausgabe. Das sind zwar alles mögliche Folgen, die sich aber nur mittelbar aus dem jeweiligen § 767er-Titel in Verbindung mit dem ursprünglichen Titel ergeben, sodass es unmittelbar auf die Einstellung ankommt, oder? Im Übrigen verfolgen auch §§ 766, 771 das Ziel der Einstellung, nur eben aus einer anderen Stoßrichtung heraus?

Teddy

Teddy

24.11.2023, 07:39:46

Besteht daneben noch ein Schadensersatzanspruch gegen denjenigen, der trotz des Erlasses gepfändet hat?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.11.2023, 12:19:19

Hallo Teddy, danke für deine Frage. Aus § 717 Abs. 2 ZPO ergibt sich ein Ersatzanspruch für Schäden, die infolge der vorläufigen Durchsetzung eines letztlich nicht berechtigten Anspruchs entstanden sind. Der Ersatzanspruch entsteht mit der Aufhebung oder mit der Änderung des Urteils. Er ist ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, jedoch ohne Verschuldenserfordernis, d.h. eine Art Gefährdungshaftung. Es gelten daher die §§ 249 ff. BGB. Der Anspruch ist zunächst auf Wiederherstellung gerichtet und erst in zweiter Linie auf Geldersatz (§ 251 BGB). Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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