+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D besucht das Autohaus A. Dort vereinbart er eine Probefahrt mit einem Wohnmobil. Er bekommt den Schlüssel ausgehändigt und fährt davon. D verschwindet mit dem Wohnmobil. Danach verkauft und übereignet er dieses unter Vorlage von gefälschten, aber täuschend echt wirkenden KFZ-Zulassungsbescheinigungen (Teil I und II) am Hamburger Hauptbahnhof an das Ehepaar E, das D für den Eigentümer hält.
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Einordnung des Falls
Gutgläubiger Erwerb eines Fahrzeugs, das im Rahmen einer Probefahrt entwendet wurde
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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E hat Eigentum an dem Auto nach § 929 S. 1 BGB erlangt.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus:
(1) Einigung,
(2) Übergabe,
(3) Einigsein bei Übergabe,
(4) Berechtigung des Veräußerers.
D und E haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. D hat E das Auto übergeben. E und D waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an E übergehen soll. D war jedoch nicht verfügungsbefugt. Eigentümer war weiterhin A. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. E war hinsichtlich des Eigentums des D am Wohnmobil gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB).
Ja!
Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, § 932 Abs. 2 BGB.E wusste nicht positiv, dass D nicht Eigentümer des Wohnmobils war. E hat dies auch nicht grob fahrlässig verkannt: Nach Ansicht des BGH zerstört eine täuschend echt gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II den guten Glauben nicht. Der Erwerber muss sich diese jedoch zeigen lassen.
3. Sofern kein Fall des Abhandenkommens (§ 935 BGB) vorliegt, könnte E hier gutgläubig Eigentum erwerben.
Genau, so ist das!
Der Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB setzt voraus:
(1) Übereignung nach § 929 S. 1 BGB durch Übergabe vom Veräußerer,
(2) Fehlende Berechtigung des Veräußerers,
(3) Verkehrsgeschäft,
(4) Gutgläubigkeit des Erwerbers bzgl. der Eigentümerstellung des Veräußerers (§ 932 Abs. 2 BGB),
(5) Kein Abhandenkommen der Sache (§ 935 BGB).
Eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB und ein Verkehrsgeschäft liegen vor. D war nicht verfügungsbefugt. E war auch gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB): E glaubte infolge der Fälschung an das Eigentum des D. 4. E hat nicht gutgläubig Eigentum am Wohnmobil erworben, da dieses A abhandengekommen ist.
Nein, das trifft nicht zu!
Abhandenkommen bedeutet Verlust des unmittelbaren Besitzes ohne, nicht notwendigerweise gegen den Willen des Besitzers (etwa durch Diebstahl oder Verlust) .Durch Überlassen des Wohnmobils an D hat A den unmittelbaren Besitz verloren: Nach Ansicht des BGH liegt bei Überlassen des Fahrzeugs zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten für eine gewisse Dauer nicht nur eine bloße Besitzlockerung vor. D ist dabei auch nicht Besitzdiener des A. Der Besitzverlust des A trat also schon im Zeitpunkt des Überlassens des Wohnmobils zur Probefahrt, nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem D nicht von der Probefahrt zurückkehrte, ein. Der Besitzverlust geschah auch nicht gegen den Willen des A: A hat den Besitz freiwillig auf D übertragen. Unerheblich ist, dass D dabei über seine wahre Motivation getäuscht hat. A ist das Wohnmobil damit nicht abhandengekommen. E hat gutgläubig Eigentum erworben.