Modifikation: Abhandenkommen

8. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D vereinbart im Autohaus A eine Probefahrt. Er fährt mit einem Mitarbeiter des A davon. Nach Beendigung der Probefahrt behält D heimlich den Zweitschlüssel ein und fährt allein davon. Danach verkauft und übereignet er dieses unter Vorlage von gefälschten, aber echt wirkenden KFZ-Zulassungsbescheinigungen (Teil I und II) an G, der D für den Eigentümer hält.

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Einordnung des Falls

Modifikation: Abhandenkommen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat Eigentum an dem Auto nach § 929 S. 1 BGB erlangt.

Nein!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. D und G haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. D hat G das Auto übergeben. G und D waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an G übergehen soll. D war jedoch nicht verfügungsbefugt. Eigentümer war weiterhin A.
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2. G war hinsichtlich des Eigentums des D am Wohnmobil gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, § 932 Abs. 2 BGB. Nach Ansicht des BGH zerstört eine täuschend echt gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II den guten Glauben nicht. Der Erwerber muss sich diese jedoch zeigen lassen. G wusste nicht positiv, dass D nicht Eigentümer des Wohnmobils war. G hat dies auch nicht grob fahrlässig verkannt, da die Zulassungsbescheinigungen echt wirkten.

3. Sofern kein Fall des Abhandenkommens (§ 935 BGB) vorliegt, könnte G hier gutgläubig Eigentum erwerben.

Ja, in der Tat!

Der Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB setzt voraus: (1) Übereignung nach § 929 S. 1 BGB durch Übergabe vom Veräußerer, (2) Fehlende Berechtigung des Veräußerers, (3) Verkehrsgeschäft, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers bzgl. der Eigentümerstellung des Veräußerers (§ 932 Abs. 2 BGB), (5) Kein Abhandenkommen der Sache (§ 935 BGB). Eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB und ein Verkehrsgeschäft liegen vor. D war nicht verfügungsbefugt. G glaubte infolge der Fälschung an das Eigentum des D und war somit gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB).

4. Durch die Überlassung des Wohnmobils zur Probefahrt ist der Wagen A abhandengekommen (§ 935 BGB).

Nein!

Abhandenkommen bedeutet Verlust des unmittelbaren Besitzes ohne, nicht notwendigerweise gegen den Willen des Besitzers (etwa durch Diebstahl oder Verlust) . Durch das Überlassen des Wagens an D zur Probefahrt hat A den unmittelbaren Besitz nicht verloren: Bei Durchführung einer begleiteten Probefahrt verliert A nicht den Besitz. Es liegt lediglich eine Besitzlockerung vor.

5. A ist der Wagen abhandengekommen (§ 935 BGB), als D mit dem einbehaltenen Zweitschlüssel davonfuhr.

Genau, so ist das!

Abhandenkommen bedeutet Verlust des unmittelbaren Besitzes ohne, nicht notwendigerweise gegen den Willen des Besitzers (etwa durch Diebstahl oder Verlust) . Als D mit dem Wagen nach Beendigung der Probefahrt mit dem einbehaltenen Zweitschlüssel davon fuhr, hat A den unmittelbaren Besitz an dem Wagen verloren. Der Verlust des unmittelbaren Besitzes erfolgte auch gegen den Willen des A: Der Besitzverlust nach Beendigung der Probefahrt war von A nicht gewollt. A ist der Wagen damit abhandengekommen. G konnte nicht gutgläubig Eigentum erwerben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KATE

Kate

8.11.2021, 17:26:22

Der D behält hier den Zweitschlüssel, das bedeutet im Umkehrschluss, dass A auch einen Schlüssel hat. Wenn es nach der Verkehrsauffassung für den Besitz an einem Kfz maßgeblich auf den Besitz des Fahrzeugschlüssels ankommt, wie wirkt sich dann dieser Umstand aus?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.11.2021, 10:43:05

Hallo Kate, richtig ist, dass man auch durch den bloßen Besitz eines Schlüssel Besitzer des Fahrzeugs sein kann. Dies hat den Hintergrund, dass man mit dem Schlüssel regelmäßig die tatsächliche Gewalt über die Sache hat. Für diese ist es eben nicht notwendig, dass man sie unmittelbar in den Händen hält, sondern sie kontrollieren kann (zB auch die Sachen in meiner Wohnung, die ich auch dann besitze, wenn ich im Urlaub bin). Die Übergabe eines Zweitschlüssels kann insoweit zunächst nur die Einräumung von Mitbesitz darstellen (vgl. BGH NJW 1979, 714, 715; BeckOK BGB/Fritzsche, 59.Ed, 1.8.2021, § 854 RdNr. 40). Als D wegfährt, verliert A aber die Möglichkeit mit seinem Schlüssel das Auto zu benutzen und beherrschen. Für den Besitz am Auto bedarf es neben des Schlüssels aber auch der Zugriffsmöglichkeit. Fehlt es an dieser, so verliert D den Besitz daran. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

UNFUG

UNFUG

8.10.2024, 10:43:20

Ich finde die Ansicht nachvollziehbar, wenn man jedoch strikt "die Aufgabe des vollständigen Besitzes" befolgt gab es keine Übergabe auf Grund des zweiten Schlüssels. Ich verliere auch nicht meinen Besitz am Auto, wenn ich vergessen habe wo ich es geparkt habe. (Vgl. BGH NJW 1979, 714; OLG Karlsruhe 17 U 180/04, 15.03.2005) Wäre eine andere Ansicht hier vertretbar?

AH

Angela Hildmann

29.11.2021, 22:06:07

Die vorletzte Frage hat meine ich den falschen Antwortbutton als richtig eingestellt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.11.2021, 09:44:44

Hallo Angela, in der vorletzten Frage ging es im Kern um die Frage, ob bereits durch die Probefahrt ein

abhandenkommen

vorliegt. Das ist nicht der Fall, da hiermit noch kein Besitzverlust einherging. Die eingestellte Anwort ("stimmt nicht") passt insoweit. Wir haben die Frage aber nun etwas umformuliert, um zukünftige Missverständnisse zu vermeiden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JURA

juramk

15.4.2023, 19:26:29

Warum ist denn A in diesem Fall unmittelbarer Besitzer und nicht

Besitzdiener

? Ich hätte ihn als Mitarbeiter des Autohauses nur für einen

Besitzdiener

gehalten.

SOF

Sofia

1.7.2023, 09:14:36

A ist das Autohaus, welches des unmittelbaren Besitz dadurch ausübt, dass der Mitarbeiter bei der Probefahrt als

Besitzdiener

dabei ist :)

JI

Jimmy105

5.9.2024, 13:39:12

Verstehe ich den Fall richtig, dass D mit dem Wagen wegfährt, den er zuvor noch zur Probe gefahren war? D muss also einen unbemerkten Moment ausgenutzt haben? In dem Fall hätte er also den Schlüssel und den Wagen in seiner unmittelbaren räumlichen Sphäre gehabt, als er das Fahrzeug veräußerte. Wie stünde es denn dann, wenn D lediglich mit dem Schlüssel davon fahren würde, der Wagen also noch auf dem Gelände der A stünde?

Paulah

Paulah

5.9.2024, 19:20:33

Hallo Jimmy, ja, du hast den Fall richtig verstanden. D fährt mit dem Zweitschlüssel, den er entwendet hat, mit dem Fahrzeug weg und veräußert es. Die zweite Frage habe ich nicht ganz verstanden. Wenn D nur einen Schlüssel und kein Auto hat, kann er das nicht verkaufen. Oder wie meinst du das? Viele Grüße von Paula

JI

Jimmy105

6.9.2024, 15:33:50

Die Frage ist bezogen auf 935 und die

besitzverhältnisse

. ich will meinen dass ein

gutgläubiger erwerb

möglich ist, wenn lediglich der schlüssel übergeben wird und das dazu gehörige kfz am anderen ende der stadt liegt... was aber ein

abhandenkommen

angeht bin ich eher zurückhaltend. Wäre der Diebstahl am Zweitschlüssel (ohne den Wagen gleich mit zu entwenden) ausreichend für einen verlust des unmittelbaren Besitzes am Kfz oder ist dies lediglich eine Besitzlockerung. je nachdem könnte eben doch gutgläubig veräußert werden

Paulah

Paulah

6.9.2024, 15:50:12

Ah ok! Da stimme ich dir zu: der Diebstahl des Zweitschlüssels stellt keinen Verlust des unmittelbaren Besitzes am KfZ dar. Das Auto steht ja dann nach wie vor auf dem Gelände des Händlers und er hat auch noch Zugriff auf das Fahrzeuge, weil der Erstschlüssel noch dort ist. Daher würde ich nicht einmal eine Besitzlockerung sehen. Einen gutgläubigen Erwerb halte ich dann auch für ausgeschlossen. Es ist schon komisch, dass das Auto gar nicht da ist und es müsste meiner Meinung nach stutzig machen, wenn nur ein Schlüssel und der KFZ-Brief übergeben wird. Ich glaube auch kaum, dass sich jemand darauf einlassen würde, ein Auto zu kaufen, ohne es jemals vorher gesehen zu haben - da müsste man schon sehr blauäugig sein.

JI

Jimmy105

6.9.2024, 16:25:57

"blauäugige" Menschen gibt es denke ich zu genüge... aber das hat mir weitergeholfen. Danke!


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